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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Augen, künstliche

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Augen, künstliche.

und das Gleiche gilt von einer bösartigen Zerstörung der Herzklappen, die nicht selten im Augenhintergrund an ihren Folgen sicher beobachtet wird, noch ehe die Untersuchung des Herzens selbst die Erkrankung und den nahen Tod ahnen läßt. Doch sind solche Fälle immerhin selten, und es gilt als allgemeiner Grundsatz in der Augenheilkunde, daß man bei A. sich direkt gegen dieselben wendet, daß man also eine vorzugsweise lokale Behandlung einleitet, wobei selbstverständlich die Rücksichten auf ein etwa vorhandenes Allgemeinleiden des Körpers nicht aus dem Auge gesetzt werden. Das große Heer der A. überblickt man am besten an der Hand des topographisch-physiologischen Einteilungsprinzips, indem man etwa folgende Gruppen von A. unterscheidet: 1) Anomalien der Refraktion und Akkommodation. Dies sind Kurzsichtigkeit (Myopie), Weitsichtigkeit (Hypermetropie) und Astigmatismus. 2) Krankheiten der Augenmuskeln: Lähmungen derselben und Schielen. 3) Krankheiten der Augenhöhle, besonders Exophthalmus; 4) der Thränenorgane, besonders Entzündungen des Thränensacks und der Thränenfistel; 5) der Augenlider. Hierher gehören: das Hagelkorn und Gerstenkorn, Entzündungen, Entropium und Ektropium sowie mannigfache Geschwülste. 6) Krankheiten der Bindehaut (s. Augenentzündung und Ägyptische Augenentzündung); 7) der Hornhaut (Hornhautentzündung, Keratitis, Hornhautflecke, Hypopyon, Greisenbogen, s. diese Artikel); 8) der Regenbogenhaut: Entzündungen derselben und Vorfall (s. Iritis, Iridektomie). 9) Krankheiten des Linsensystems und des Glaskörpers. Hierher gehört das wichtige Gebiet des Stars. 10) Krankheiten der Aderhaut, der Netzhaut und des Sehnervs: Aderhautentzündung, Netzhautentzündungen, Netzhautablösungen und Sehnervatrophie. 11) Allgemeinerkrankungen des Auges, wie Amblyopie, Amaurose, Glaukom und Augenvereiterung (s. diese Artikel).

Die A. der Haustiere sind, da der anatomische Bau ihrer Augen nicht wesentlich von dem des menschlichen Auges abweicht, nicht prinzipiell verschieden von denen des Menschen. Am häufigsten werden beobachtet: Entzündungen der Konjunktiva, entsteht teils durch Erkältung (Conjunctivitis catarrhalis), teils als eine eigenartige epidemische Affektion (vgl. Augenseuche), teils infolge spezifischer Reize als Symptom bei akuten fieberhaften Infektionskrankheiten (C. symptomatica), teils nach Quetschungen und Verwundungen (C. traumatica). Der Verlauf der Konjunktivitis ist gewöhnlich günstig; nur bei längerer Dauer dehnt sich der Entzündungsprozeß auf die durchsichtige Hornhaut und selbst auf die Regenbogenhaut und die Kristalllinse aus. Zur Behandlung ist eine Waschung der Augen mit Bleiwasser empfehlenswert. Verlieren sich die Erscheinungen hiernach nicht in wenigen Tagen, so erweist sich die täglich zweimal zu wiederholende Applikation einer ½prozentigen Lösung von Atropin vorteilhaft. Entzündungen der durchsichtigen Hornhaut (Keratitis) entstehen als Folgeleiden der oben gedachten Prozesse oder durch direkte Verwundungen (Peitschenhiebe bei Pferden). Wunden mit Substanzverlust verheilen mit Zurücklassung von Narben, die aber nur dann störend wirken, wenn sie in der Sehachse liegen. Aufenthalt der Tiere in einem dunkeln Raum und wiederholte Bepinselung des kranken Auges mit Atropinlösung haben eine günstige Wirkung auf den Verlauf der Keratitis. Entzündungen der Regenbogenhaut (Iritis), bei Pferden häufig als Komplikation der Pferdestaupe und als Bestandteil der periodischen Augenentzündung oder Mondblindheit (s. d.). Die Verdunkelung der Kristalllinse (grauer Star, Katarakta); der grüne Star der Pferde (Glaucoma equorum), eine Entzündung der Aderhaut (Choriodeitis) mit sekundärer Veränderung des Glaskörpers; der schwarze Star (Amaurosis), eine Gruppe von Störungen in der Netzhaut, deren Erregbarkeit ohne Mitaffektion der durchsichtigen Teile des Auges zum Erlöschen kommt. Die drei zuletzt erwähnten Augenleiden sind bei den Tieren unheilbar. Nur beim grauen Star der Hunde wird die operative Behandlung als Palliativmittel zuweilen versucht. Fehlerhafte Zustände der Augen werden bei Pferden am besten in der Weise ermittelt, daß man zunächst die Tiere in einen dunkeln Raum stellt oder ihnen einen dunkeln Gegenstand vor die Augen hält, um die Pupille zur Erweiterung zu bringen. Läßt man nun plötzlich das Tageslicht auf die Augen einwirken, so zieht sich die Pupille schnell zusammen. Ist bei dieser Prüfung die Erweiterung und Verengerung der Pupille nicht wahrnehmbar, so ist eine Störung des Sehvermögens anzunehmen. Nach vorheriger Anwendung von Atropin kann auch bei den Tieren die Untersuchung der Augen mit dem Augenspiegel bewirkt werden.

Augen, künstliche. Zum Ersatz verloren gegangener natürlicher Augen benutzt man längliche Näpfchen oder Schälchen aus Glas, Email oder Celluloid von der Größe des vordern, bei geöffneten Lidern sichtbaren Teils des Augapfels und diesem an Farbe und Glanz möglichst treu nachgebildet. Die vorn konvexen, innen hohlen, einer halben Nußschale vergleichbaren künstlichen Augen dienen sowohl dem kosmetischen Zweck, die arge Entstellung zu verdecken, welche der Verlust eines Auges bedingt, als auch zum Schutz des Augenstumpfes und zur Stütze der Augenlider, welche sich sonst leicht umlegen und entzünden würden. Boissoneau in Paris verfertigt künstliche Augen aus Email, während man früher Glas, Porzellan, Fayence etc. dazu verwendete. In Deutschland ist seit 1850 die Fabrikation künstlicher Augen durch Müller in Lauscha auf dem Thüringer Wald zu einer ansehnlichen Blüte gediehen, und gegenwärtig werden die von Müller in Wiesbaden aus einer sehr widerstandsfähigen Komposition gearbeiteten Fabrikate in Deutschland von den Autoritäten der Augenheilkunde bevorzugt, weil sie bei gleicher Schönheit haltbarer, praktischer und viel billiger sind als die Pariser künstlichen Augen. Beim künstlichen Auge muß die Größe der Iris und ihre Stellung aufs genaueste mit dem gesunden Auge übereinstimmen, da selbst geringe Abweichungen die Aufmerksamkeit des Beobachters erregen, während die Farbennüancen viel weniger stören. Das künstliche Auge wird nur durch die Bewegung der Augenlider bewegt, und der die Muskeln noch enthaltende Augenstumpf wirkt nur insofern mit, als eben die Muskeln auf die Lidbewegung influieren. Vor der Einsetzung des künstlichen Auges muß jede entzündliche Affektion beseitigt und letzteres anfangs nur so lange getragen werden, als es ohne lästiges Gefühl geschehen kann. Die Kranken lernen das Einlegen und Herausnehmen des künstlichen Auges in der Regel sehr bald. Beim Herausnehmen bedient man sich einer Stecknadel, deren Kopf man nach abgezogenem untern Lid unter den Rand des Kunstauges schiebt, worauf man denselben hervorzieht. Auch der Sport hat sich dieses Schönheitsmittels bemächtigt und läßt bei Luxuspferden den Verlust des Auges durch künstliche Augen ersetzen. Vgl. Ritterich, Das künstliche Auge (Leipz.