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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baden

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Baden (Geschichte: 1848-1852).

und Verwaltungswesens, der Besteuerung, Unterstützung arbeitsunfähiger Bürger etc. Noch ehe die Regierung zu diesem Ereignis Stellung nehmen konnte, brach auch in Karlsruhe am Abend des 13. Mai ein Soldatenaufstand aus, der die ganze Nacht hindurch tobte. Ein Oberst wurde mißhandelt, ein Rittmeister und ein Korporal getötet, das Zeughaus jedoch von der Bürgerwehr behauptet. Der Großherzog entfloh mit seiner Familie unter dem Geleit von Dragonern und Artilleristen nach Germersheim und von da nach Lauterburg im Elsaß. Ihm folgten 14. Mai die Minister. Der Eindruck dieser Flucht des Regenten war so niederschlagend, daß ein großer Teil der Bürgerschaft den Landesausschuß in Rastatt aufforderte, der Stadt Karlsruhe durch seine Anwesenheit Sicherheit und Ordnung zu garantieren. Infolgedessen traf schon am Nachmittag des 14. Mai der Landesausschuß unter Brentano, umgeben von Freischaren und den rebellischen Soldaten, in Karlsruhe ein. Er war nun die einzige thatsächliche Regierung in B. Die Nachricht von der Katastrophe hatte sich unterdessen schnell im Land verbreitet und überall den revolutionären Geist geweckt. Rasch wurden in Bruchsal die Gefängnisse erbrochen, die politischen und manche andern Verbrecher befreit und die Desorganisation des Heers vollendet. Die meuterischen Soldaten bildeten den Kern der Volkswehr, welche der Landesausschuß durch ein allgemeines Aufgebot der wehrhaften Jugend ins Leben rief. Zahlreiche Freischaren mehrten die Zahl der Streiter.

Es kam nun für den Sieg der Revolutionspartei darauf an, ob es ihr gelang, auch die benachbarten Staaten in den Strom der Empörung mit fortzureißen. Darin sah sie sich aber bald getäuscht. Die badischen Truppen wurden an der hessischen Grenze, welche sie als Befreier überschreiten wollten, mit Kartätschen zurückgewiesen, und auch Württemberg wurde durch die Energie des Ministers Römer, der das deutsche Rumpfparlament aus Stuttgart auswies und den badischen Agitator Fickler auf den Hohenasperg bringen ließ, vor der Revolution gerettet. Nur mit der provisorischen Regierung der ebenfalls aufständischen Pfalz schloß der Landesausschuß 17. Mai ein Bündnis und schickte in Gemeinschaft mit dieser einen Gesandten nach Paris, um die Hilfsleistung der Franzosen zu erbitten. Inzwischen war auch die konstituierende Landesversammlung 10. Juni in Karlsruhe zusammengetreten; sie bestand aus lauter Radikalen, zeigte sich aber als gänzlich unfähig und machtlos. In der provisorischen Regierung, welche 1. Juni an Stelle des Landesausschusses gebildet worden war, herrschte zwischen den gemäßigten Elementen, wie Brentano, und den Anhängern der roten Republik, wie Struve, die sich auf die sogen. Schweizerlegion, die zügellosen Freischaren, stützten, unheilbarer Zwiespalt.

Da der Großherzog und auch die bayrische Regierung sich mittlerweile an Preußen um militärische Hilfe gewendet und dieses sie unter der Bedingung, daß B. dem Dreikönigsbündnis beitrete, gewährt hatte, rückte nun Mitte Juni ein preußisches Korps von der Nahe her in die Pfalz ein, ein zweites zog von Wetzlar über den Main die Bergstraße entlang gegen den Neckar, während ein Korps Reichstruppen unter Peucker an der württembergischen Grenze entlang nach Süden vordrang. Den Oberbefehl über die gesamten Streitkräfte führte der Prinz von Preußen. Die pfälzische und die badische provisorische Regierung hatten dagegen dem Polen Mieroslawski den Oberbefehl über alle Insurgentenscharen übertragen. Derselbe brachte etwas Plan und Ordnung in die militärischen Operationen und flößte den Soldaten wieder Mut und Vertrauen ein. Indes konnte er nicht hindern, daß die Preußen unter Hirschfeld die Pfalz fast ohne Schwertstreich besetzten, und mußte sich nach dem nördlichen B. zurückziehen. Am 20. Juni überschritt das preußische Korps v. d. Gröben bei Weinheim die badische Grenze, während das Korps v. Hirschfeld an demselben Tag bei Philippsburg über den Rhein ging. Dem letztern warf sich Mieroslawski 20. Juni bei Waghäusel mit seiner ganzen Macht (12,000 Mann) entgegen, wurde aber von vier preußischen Bataillonen und einer halben Batterie in die Flucht geschlagen. Nur an wenigen Punkten wagten die Insurgenten noch Widerstand; dann zogen sie sich hinter die Murglinie unter den Schutz von Rastatt zurück. Die Regierung und die sehr zusammengeschmolzene Landesversammlung flüchteten nach Freiburg, wo sie sich infolge innern Zwiespalts und gänzlicher Mutlosigkeit noch Ende Juni auflösten. Die Preußen rückten 25. Juni in Karlsruhe ein, zernierten Anfang Juli Rastatt und besetzten bis zum 11. Juli ganz B. bis zur Schweizer Grenze. Doch war es zahlreichen Häuptern des Aufstandes gelungen, nach der Schweiz zu entkommen. Rastatt verteidigte sich unter Tiedemann noch mehrere Wochen, mußte sich aber aus Mangel an Lebensmitteln und Kriegsbedarf 23. Juli mit 4500 Mann auf Gnade und Ungnade ergeben. Über die gefangenen Führer der Insurgenten, namentlich die ehemaligen Offiziere, wurde ein strenges Strafgericht verhängt und zahlreiche Todesurteile vollzogen. Das Heer wurde mit Ausnahme zweier kleiner Truppenteile aufgelöst und dann nach preußischem Muster neu organisiert, auch für einige Zeit nach preußischen Garnisonen verlegt, während preußische Truppen in B. blieben. Alle Beamten, welche irgendwie sich der Revolution angeschlossen hatten, wurden entlassen. Der Belagerungszustand blieb vorläufig bestehen.

Der kirchliche Streit.

Nachdem der Großherzog Leopold noch von Frankfurt aus ein neues Ministerium, in dem Klüber das Auswärtige, Marschall das Innere und Stabel die Justiz erhielten, ernannt hatte, kehrte er 18. Aug. 1849 in seine Residenz zurück. Der Landtag, welcher 14. Mai seine Sitzungen hatte abbrechen müssen, wurde für geschlossen erklärt und die Wahl eines neuen angeordnet, bei der sich die demokratische Partei der Beteiligung ganz enthielt und daher nur Anhänger der Regierung, einige gemäßigt Liberale und Ultramontane gewählt wurden. Die neuen Kammern, welche im März 1850 zusammentraten, genehmigten alle Anträge der Regierung: ein Staatsdienergesetz, eine Änderung der Gemeindeordnung, welche das demokratische Element beschränken sollte, Gesetze über Presse und Vereine, die Schwurgerichtsordnung u. a., und bewilligten eine Anleihe von 5 Mill. zur Ordnung des Staatshaushalts. Die reaktionäre Strömung, welche wie in andern Staaten, so auch in B. mehr und mehr anwuchs, machte sich auch in der auswärtigen Politik geltend. B. neigte sich mehr und mehr zu Österreich hin, und als Preußen im November 1850 sich dessen und Rußlands Drohungen unterwarf, seine Truppen aus B. abberief und Rastatt räumte, gab auch B. seine Zustimmung zur Herstellung des Frankfurter Bundestags und zeigte bei den Verhandlungen über die Erneuerung des Zollvereins 1851-52 immer deutlicher seine Hinneigung zu Österreich. Dies ermutigte die katholische Hierarchie, welche ihre politische Unabhängigkeit und