Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Baukunst

492

Baukunst (arabische B. in Europa).

Kunst des Islam steht somit, was ihre Ursprünge anbetrifft, zu der des christlichen Altertums in sehr naher Beziehung, wurde aber durch den Mangel aller bildlichen Darstellung, vornehmlich der Darstellung menschlicher Figuren, welche in der Religion des Islam aufs entschiedendste verboten war, an einer höhern Vollendung gehindert. Bei ihren Monumentalbauten, vornehmlich den Moscheen, begegnen wir zwei Haupttypen, deren einer dem altchristlichen Basilikenstil, deren andrer dem byzantinischen Baustil nähersteht. Jener scheint der ursprüngliche und mehr den westlichen Gegenden des Islam angehörige, dieser erst später allgemein geworden und der den östlichen Gegenden eigentümliche gewesen zu sein; doch unterscheidet sich die erstere Hauptform in mehreren wesentlichen Punkten von der Anlage der christlichen Basiliken. Während bei den letztern das Gebäude ein in sich geschlossenes Ganze bildet und sich demselben als unabhängiger Raum ein Vorhof anschließt, hat hier das Gebäude der Moschee in sich keinen architektonischen Mittelpunkt und keinen Schluß; es ist eigentlich nur ein großer, viereckiger, von mehrfachen hintereinander liegenden Arkadenreihen umgebener Hof. Die einzelnen Schiffe, welche die Arkadenreihen bilden, sind voneinander nicht unterschieden, und das Heiligtum (die Nische, die nach Mekka hindeutet, und wo insgemein der Koran aufbewahrt wird) ist, wenn auch reichdekoriert, doch für die architektonische Gesamtanlage als solche kein wichtiger, beziehungsreicher Punkt. Indem die ganze Anlage also nur die architektonische Dekoration eines offenen, heitern Platzes, der durch eine starke Mauer von dem Treiben des gewöhnlichen Verkehrs abgesondert ist, darstellt, befindet sich dabei stets, wie aus den Vorhöfen der altchristlichen Basiliken, ein mit einer kleinen Kuppel überwölbter Brunnen. Die umschließende Mauer hat im Äußern, mit Ausnahme der Portale und der Zinnen, keine architektonische Ausbildung, und nur der schlanke Turm, der sich an ihrer Seite in die Lüfte erhebt, und von dem herab der Muezzin die Stunden des Gebets verkündet (das Minaret), gibt dem Gebäude nach außen hin eine Auszeichnung. Bei der zweiten Hauptform enthält der Körper des Gebäudes eine in sich geschlossene Architektur, indem der Hauptarm durch eine Kuppel überdeckt ist, die Nebenräume gleichfalls überwölbt und mit jenem auf ähnliche Weise verbunden sind wie bei den Anlagen des byzantinischen Stils. Vor dem Gebäude ist auch hier durchweg ein von gewölbten Portiken umgebener Vorhof. Das Äußere erscheint hier zum Teil in zierlicher Ausbildung, insbesondere bilden die Minarets, welche zu 2, 4, 6 an den Ecken des Gebäudes emporschießen, gegen dessen imposante Hauptmasse einen zierlich bewegten Gegensatz. Wenn demnach die Hauptformen der mohammedanischen Architektur, etwa mit Ausnahme des Minarets, keine besondern neuen Eigentümlichkeiten in die Kunst einführen, so ist dies gleichwohl im Detail der Fall. Hier zeigt sich überall und schon in den frühern Zeiten der orientalische Geist, aus dem der Islam hervorgegangen war, und der bei Überdeckung der Arkaden, Thür- und Fensteröffnungen zu neuen Bogenformen führte. Selten genügte hier die Form des ruhigen und schlichten Halbkreisbogens, dessen sich die antike und altchristliche Kunst bedient hatten; der bewegliche Geist der Orientalen verlangte nach Formen, die dem Auge ein lebendigeres Linienspiel gegenüberstellten. Die eine dieser neuen Bogenformen, der sogen. Hufeisenbogen und Kielbogen (s. Tafel VIII, Fig. 1 u. 2), die einen größern Abschnitt des Kreises als der Halbkreis bilden, besitzt etwas eigentümlich Keckes und Kräftiges, womit ganz wohl übereinstimmt, daß man sie vorzugsweise in den westlichen Gegenden, namentlich bei den Bauwerken der ritterlichen Mauren in Spanien, angewandt findet. Eine dritte Bogenform ist der aus zwei Bogenstücken bestehende, ohne Zweifel auf orientalischen Vorbildern beruhende Spitzbogen, dessen konsequente Anwendung sich zuerst in denjenigen Bauresten zeigt, die in Persien aus der Zeit der Sassaniden (226-651 n. Chr.) erhalten sind. Auch in Ägypten erscheint er bereits an Monumenten aus der frühsten Zeit der Herrschaft des Islam, vollkommen sicher aber an solchen, die dem Anfang des 9. Jahrh. angehören. Im allgemeinen kommt er mehr an den östlichen Monumenten des Islam vor, an welchen er teils rein und einfach, teils mit hufeisenförmigem Ansatz, teils oberwärts gedrückt, sehr häufig auch mit aufwärts geschweifter Spitze auftritt, während bei der Anwendung dieser Bogenformen, insbesondere bei ihrem Verhältnis zu den stützenden Pfeilern oder Säulen, eine große Verschiedenheit und viel Willkürlichkeit obwalten. Ein organisches Verhältnis zwischen Bogen und Stütze (wie in der ausgebildeten romanischen und in der germanischen B.) entwickelt sich nicht, vielmehr bleiben beide Teile sich ihrem Wesen nach ebenso fremd wie in der spätrömischen und altchristlichen Kunst. Alle weitere Ausbildung des Details der mohammedanischen B. ist nicht als eine architektonische, sondern als eine ornamentistische zu bezeichnen, da alle Flächen, alle Teile der Architektur, die nur zur Aufnahme eines spielend bewegten Schmuckes geeignet waren, mit solchem überdeckt wurden, und in der That hat die mohammedanische Kunst hierin einen Reichtum, häufig auch einen Schönheitssinn entwickelt, der höchste Anerkennung verdient. Gleichwohl bewegt sich auch diese Ornamentbildung in einem bestimmten und sogar trotz ihres Reichtums ziemlich eng abgegrenzten Kreis; fast überall beruht das Prinzip auf einer einzelnen schematischen Regel, auf einer abstrakten Formel, die kein Gesetz lebendiger Entwickelung in sich trägt und durch ihre stete Wiederholung zuletzt ermüdet (s. Arabesken). An den wichtigsten Stellen der Räume und der architektonischen Teile, welche in dieser Weise verziert sind, erscheinen die das belebende Bildwerk ersetzenden Inschriften, Stellen aus dem Koran oder Verse, die einen besondern Bezug auf das Lokal und seinen Erbauer haben. Die Säulenkapitäler erscheinen oft auf ähnliche Weise dekoriert, nicht minder die aus der Antike beibehaltene schwere Fläche der Bogenlaibung. Die letztere wird gern durch kleine Zackenbogen ausgefüllt, die bald wie feine Reifen nebeneinander liegen, bald in größerer Dimension aus der Masse hervortreten. Hierher gehört auch eine auf einzelne Bogen oder auch größere Räume angewandte zellgewebartige Ausbildung der Gewölbeform (s. Tafel VIII, Fig. 4), die ursprünglich, wie es scheint, an solchen Stellen in Anwendung kam, wo ein Übergang aus rechtwinkelig zusammenstoßenden Flächen zu einer größern Gewölbemasse nötig war, und wobei kleine, gleiche, selbständig abgeschlossene Gewölbestückchen so lange übereinander gesetzt wurden, bis der nötige Raum ausgefüllt war, oder wobei sich auch die obere Spitze des einen Gewölbestücks, die dem andern zum Ansatz dient, hängend niedersenkt, so daß das Ganze den Eindruck von Tropfsteinbildungen gewährt.

Die maurischen Architekturen Spaniens unterscheiden sich von denen der übrigen mohammedani-^[folgende Seite]