Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Birma

970

Birma (Geschichte).

Bauer aus dem Ort Mozzobo die Fahne des Aufstandes, vertrieb die Peguer aus dem Land, schwang sich auf den Thron und begann unter dem Namen Alompra (Alaung-Phra) jene glänzende Siegeslaufbahn, welche seinen Namen zu den beliebtesten in den Erinnerungen des Volkes gemacht hat. Er vereinigte Pegu, Martaban, Tavoy und Tenasserim mit seinem Gebiet und starb 1761. Schembuam, der sich 1762 des Throns bemächtigte, eroberte Siam, das aber 1771 seine Unabhängigkeit wiedererhielt. Im J. 1769 wurden die Chinesen trotz ihres ungeheuern Heers in einer glänzenden Schlacht besiegt; aber schon 1790 finden wir die beiden Reiche wieder in freundschaftlichen Beziehungen zu einander. Unter dem thatkräftigen König Mentaragyi erreichte B. gerade zu der Zeit, die seinem Fall vorhergehen sollte, eine hohe Stufe der Macht; 1822 wurde unter seinem Sohn Phagyidan Ava wieder Residenz, und man dachte gemeinsam mit Kochinchina nicht bloß an die Eroberung Siams, sondern auch an die Vertreibung der Engländer aus Indien. Der erste Engländer, der B. besuchte, war R. Fytsche, 1586; ein venezianischer Kaufmann, Casar Friedrich, war 1569 in Pegu und will dort 90 portugiesische Schiffe getroffen haben. Arakan und Nordassam wurden von B. 1808 annektiert, auf Südassam Anspruch erhoben und von Britisch-Indien Genugthuung verlangt für die Plünderungen, welche von dessen Gebiet aus in B. verübt worden sein sollten. Der Übermut Birmas führte zum Krieg. 11,000 Mann Europäer und indische Soldaten segelten unter General A. Campbell den Irawadi aufwärts und nahmen 11. Mai 1824 die Hafenstadt Rangun und bald darauf eine Reihe andrer Orte; die Landarmee, die von Assam aus vordringen sollte, erlitt jedoch wiederholte Niederlagen durch Maha Bandala, den tapfern Anführer der Birmanen. 1825 wollten die Siamesen die Bedrängnis der Birmanen zu einem Rachezug gegen sie benutzen; dies bewog den Hof von B. zu Unterhandlungen, die zu dem Frieden von Yandabo (24. Febr. 1826) führten. Die Birmanen traten die Provinzen Arakan, Ye und Tenasserim ab, zahlten 20 Mill. Mk., räumten wichtige Handelsfreiheiten ein und empfingen in Ava einen englischen Gesandten; schon 1829 sah sich dieser jedoch infolge einer Palastrevolution genötigt, Ava zu verlassen. Unruhen im Innern füllten die nächsten Jahrzehnte aus; das Land verfiel dadurch immer mehr, die Anmaßung des Königs und seiner Beamten nahm dagegen zu. Die englische Nachbarschaft wurde mit steigendem Grimm betrachtet.

Im Juli 1851 brach der birmanische Statthalter von Rangun plötzlich den Vertrag, verlangte von den Kauffahrern und Handelsleuten die Entrichtung willkürlicher Zölle und Abgaben und behandelte britische Kaufleute, die sich dessen weigerten, wie gemeine Verbrecher. Im November 1851 erschien darauf ein britisches Geschwader vor Rangun und forderte Genugthuung wie eine angemessene Entschädigung für die Verluste der Kaufleute. Der König fügte sich scheinbar; dies geschah aber nur, um Zeit zu gewinnen und die Engländer sicher zu machen, damit sie keine Vorkehrungen zum Widerstand treffen möchten. Man rüstete auf birmanischer Seite eifrig zum Krieg und zog an beiden Ufern des Irawadi ein Heer von angeblich 150,000 Mann zusammen. Als 1. April 1852 ein englisches Dampfboot den Irawadi nach Rangun hinauffuhr, wurde auf dasselbe gefeuert und damit der Krieg eröffnet. Die englische Flotte führte 10,000 Mann Landungstruppen über unter General Godwin. Am 5. April wurde Martaban, 14. d. M. Rangun, 3. Okt. Prome und 21. Nov. Pegu von den englischen Truppen erobert und die Provinz Pegu durch Proklamation vom 20. Dez. 1852 dem indobritischen Reich einverleibt. Trotz der Gefahren, welche über die Birmanen hereinzubrechen drohten, da von Südwest die siegreichen Engländer heranzogen, im Osten 20,000 Siamesen bereit standen, den Salwen zu überschreiten, und von Nordost die Lao an ihren Unterdrückern Rache zu nehmen drohten, fanden die englischen Friedensverträge anfangs kein Gehör; nachdem jedoch durch eine Empörung innerhalb der königlichen Familie Menlung-Men (Munglong) zum König erhoben worden, willigte dieser endlich ein, den Widerstand fallen zu lassen, und eröffnete Ende 1854 freundliche Beziehungen zu Britisch-Indien. 1862 kam ein britisch-birmanischer Handelsvertrag zu stande und wurde die Beschiffung des Irawadiflusses durch Dampfer zugestanden; 1867 wurde dem in der Hauptstadt Mandalai residierenden diplomatischen Agenten Jurisdiktion über die englisch-indischen Unterthanen eingeräumt und ein andrer solcher Agent im Innern des Landes, in Bhamo, gestattet. 1871 schloß Italien, 1873 Frankreich einen Handelsvertrag mit B. ab; der König entsandte Gesandtschaften nach Europa 1872, 1874 und 1877, verlangte aber von Abgeordneten europäischer Staaten erniedrigende Zeremonien, wie Niederwerfen auf Kniee und Hände. England fügte sich diesem Verlangen auf die Dauer nicht, sondern drang auf Verkehr mit seinem Minister stehenden Fußes. Ernstere Verwickelungen entstanden Ende 1873 wegen der Grenzen des von Karen bewohnten Waldgebiets, eines die britische Oberhoheit anerkennenden rohen Volkes; der König gab schließlich nach und unterzeichnete 21. Juni 1875 einen Vertrag im Sinn der englischen Forderungen. Nicht ohne Einfluß auf diese Nachgiebigkeit waren die Dienste Englands in Beseitigung eines gefährlichen Thronprätendenten; sein Sohn Nyung-yan wurde Haupt der Unzufriedenen und führte sie zu offener Empörung an; von den Gegnern gedrängt, trat er auf englisches Gebiet über, wurde gefangen gesetzt und in ein Fort im Innern Vorderindiens gebracht.

Am 1. Okt. 1878 starb Menlung-Men; als Nachfolger hatte er seinen jüngern Sohn, Thibau, bestimmt und demselben eine Erziehung nach englisch-indischem Muster geben lassen. Als König fiel der jugendliche, damals 21 Jahre alte Monarch in die schlimmsten Laster seiner Rasse zurück und begann seine Laufbahn damit, alle gefährlich scheinenden Glieder der königlichen Familie und des Hofstaats ermorden zu lassen. An 100 Personen wurden hingeschlachtet. England machte Vorstellungen, sein Vertreter wurde aber verhöhnt und dann im September 1879 abberufen, und der italienische Konsul übernahm die Vertretung der englischen Staatsangehörigen. In der Landeshauptstadt blieb der französische Bischof für B., Bourbon. Die Lage ward sehr gespannt, B. stellte Truppen an der englischen Grenze auf, England verstärkte die Grenzgarnisonen, es kam aber nicht zum Bruch. Später suchte B. vergeblich Annäherung an Britisch-Indien. Erst im April 1882 ließ sich England bereit finden, in Indien eine Gesandtschaft zu empfangen. Verhandlungen über Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrags zogen sich monatelang fort, mußten aber schließlich abgebrochen werden, da der König hartnäckig darauf bestand, den Handel in den lohnendsten Produkten als königliches Monopol anerkannt zu erhalten; ebensowenig stimmte er dem Waffeneinfuhrverbot Eng-^[folgende Seite]