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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Birma

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Birma (Regierungsform, gewerbliche Thätigkeit etc.; Geschichte).

metallene Becken und Trommeln neben Guitarre und dreisaitiger Geige die Hauptrolle. Sehr beliebt sind Schauspiele; die Schauspieler treten in fratzenhaften Masken und glänzender Kleidung auf. Die Leichname der Wohlhabenden werden verbrannt, die der Armen beerdigt.

Die Regierung ist völlig despotisch, wie in allen Reichen Hinterindiens; das Reichsoberhaupt gebietet als Herr über Leben u. Eigentum seiner Unterthanen. Wie in Siam, so herrscht auch hier Leibeigenschaft, der ein großer Teil der Ackerbau und Gewerbe treibenden Bevölkerung unterworfen ist; die sozialen Klassenunterschiede zwischen Freien und Adligen sind ein weiteres Hemmnis für den wirtschaftlichen Fortschritt. Für die Verwaltung ist das Reich neuerdings eingeteilt in 15 Provinzen unter Gouverneuren, welche Todesstrafe verhängen, in Distrikte, Städte und Dorfschaften mit untergeordneten Richtern. Die Beamten empfangen unter dem gegenwärtigen Fürsten einen festen Gehalt, daneben herrscht aber die schamloseste Erpressung. Das Recht ist öffentlich käuflich, Willkür und Gewaltherrschaft zeigen sich überall. Die Leibesstrafen sind grausam; täglich kann man in den Straßen Männer, Knaben und Greise zu Tod gepeitscht oder mit einer unter raffinierter Grausamkeit vollzogenen Hinrichtungsweise gemartert sehen. Die Geldbußen werden nach dem Leibeswert berechnet, der für Mensch und Tier festgesetzt ist; für den Beamten wird, je nach dem Rang, in rascher Zunahme das Mehrfache gezahlt. Die Tortur wird zum Erpressen von Geld namentlich bei Gefangenen angewandt. Die Polizei ist begreiflicherweise grundschlecht und daher Räuberei, Schlaffheit und Korruption in der ganzen innern Verwaltung allgemein herrschend. Die Einkünfte des Königs erwachsen aus Kopf- und Familiensteuer, die noch immer nach einem Grundbuch von 1783 erhoben werden, aus Grundabgaben und dem ihm vorbehaltenen Alleinhandel mit bestimmten Gegenständen (Baumwolle, Bauholz, Blei, Erdöl, Rubinen etc.), endlich aus den Zöllen, die von allen ein- und ausgehenden Waren erhoben werden (zu 5-10 Proz.). Der Ertrag ist schwer zu schätzen, die Einnahme des Schatzes beträgt aber wohl an 6 Mill. Mk. jährlich. In sehr fruchtbaren, dem Verkehr leicht zugänglichen Strichen gelingt es dem Landmann, mehr als den eignen Familienbedarf zu behalten (so macht z. B. die Bevölkerung im Irawadithal den Eindruck einiger Wohlhabenheit), im ganzen ist das Volk aber arm. Das Heerwesen ist ungenügend organisiert, obschon der Birmane im Krieg Tapferkeit entwickelt. In der Hauptstadt soll eine Mannschaft von 10,000 Köpfen stehen, doch ist von einer Übung im Gebrauch der Waffen und von Mannszucht keine Rede. Dazu gibt es keine Reiterei, und auch nur wenig grobes Geschütz ist vorhanden. Alle Männer zwischen dem 17. und 60. Lebensjahr sind zum Kriegsdienst verpflichtet.

Die gewerbliche Thätigkeit der Birmanen hat sich nach manchen Seiten hin erfreulich entwickelt, steht aber im ganzen jener der Hindu und Chinesen nach. Die Fabrikation von Glocken, von Waffen (aus eingeführtem Stahl), von Papier aus Bambusfasern zu ökonomischen Zwecken wie zum Schreiben, die Anfertigung von Holzschnitzereien und die Baumwoll- und Leinweberei (in der Gegend von Ava) sind am meisten entwickelt. Die Ausbeutung der reichen Mineralschätze ist verhältnismäßig gering; nur auf Gewinnung von Edelmetallen und Edelsteinen wird einiger Fleiß verwendet. Gold wird aus den Flüssen ausgewaschen, die im obern Lauf sämtlich goldführend sind; auf Silber wird im Gebiet der Schan gebaut. Ebenso bauen die Schan auf Blei und brechen schönen, durchsichtigen Serpentinstein und ausgezeichneten, schneeweißen Marmor, der meist zu Buddhabildern verwendet wird. Im Hukongthal sind reiche Bernsteingruben in Angriff genommen, und fünf Tagereisen südöstlich von Ava werden in den Betten kleiner Bäche Lager von Rubinen, Saphiren, purpurroten Amethysten, Topasen etc. ausgebeutet, die in außerordentlicher Größe bis zum Gewicht von 4000 Gran sich finden. Alle Steine, die mehr als 210 Mk. Wert haben, wandern in den königlichen Schatz. Beträchtlich ist der Ertrag des Erdöls (bei den Birmanen Rjenan genannt), das unter 20° 15' nördl. Br. am linken Ufer des Irawadi in 65-100 m tiefen Gruben geschöpft wird und jährlich an 14 Mill. kg liefert. Verwendung findet es als Leuchtstoff und zur Bestreichung der Schiffe, die dadurch gegen den Wurm gesichert werden. Der Ackerbau steht im ganzen ebenfalls auf niederer Stufe. Unter den Produkten desselben nimmt selbstverständlich der Reis den ersten Rang ein, der im Thal wie auf den Höhen in verschiedenen Arten gebaut und nur im Oberland von Weizen (mit 20-25fältigem Ertrag), Mais und Hülsenfrüchten ersetzt wird. Baumwolle wird im Gebiet des mittlern Irawadi in bedeutendem Umfang gezogen. Zuckerrohr baut man nur für den häuslichen Gebrauch, ebenso Tabak von ausgezeichneter Güte nur für den Bedarf des Inlandes. Thee ist im Oberland heimisch und wird in größerer Menge zur Ausfuhr nach dem Unterland gebaut. Indigokultur ist nicht bedeutend, Obst und Gemüse aller Art aber wird in Menge gezogen. Viehzucht zur Erzielung von Nahrung ist, da die Religion den Genuß von Fleischspeisen untersagt, nicht vorhanden; man hält nur Zug- und Lastvieh und andre Haustiere. Der Handel ist lebhaft nur in den Hauptorten. Nach außen gehen Baumwolle, Indigo, Häute, Petroleum, Pferde, Tabak, Sesam, Öl und Lackwaren; in der Einfuhr stehen obenan Betel, Reis, Salz, Baumwollgarne und -Gewebe, getrocknete Fische. Die Engländer haben Zulassung der Fremden im Handel erwirkt und eine regelmäßige Dampferverbindung zwischen Rangun und Bhamo hergestellt; zweimal im Monat laufen Dampfer mit flachen Schleppschiffen bis Bhamo oder nahezu bis zur Grenze der Schan. Der König unterhält auf dem Fluß 4 Dampfer, an Booten der Eingebornen laufen 20,161 mit einem Gehalt von (1880) 201,986 Tonnen. Nach N. und O. können Europäer von hier auch nicht mehr verkehren; dafür bringen Chinesen aus Jünnan Kupfer, Blei, Eisen, Früchte etc. und entnehmen hauptsächlich Baumwollwaren. Der Verkehr mit Britisch-B. zeigt durchschnittlich einen Wert von 1,25 Mill. Pfd. Sterl. an Ausfuhr nach Britisch-B. und von 1 Mill. Einfuhr nach B. - Hauptort des Reichs ist seit 1860 Mandalai (s. d.), während die frühern Hauptstädte Ava und Amarapura verfallen sind. S. auch Tafel "Flaggen".

[Geschichte.] Die älteste Geschichte Birmas ist dunkel, die jetzigen Bewohner sind teils von Norden, teils von Süden von der Küste her längs der Flüsse ins Land eingedrungen. Die einheimischen Geschichtsquellen beginnen mit 79 v. Chr.; im 3. Jahrh. n. Chr. wurde der Buddhismus durch indische Missionäre verbreitet. Kämpfe im Innern, gegen Pegu, Arakan, Siam und China füllten die Zeit bis zum Anfang des vorigen Jahrhunderts aus. Um 1740 wurde B. von Pegu erobert; 1750 erhob ein birmanischer