Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bonn

197

Bonn.

erbaut, stammt in seiner jetzigen Form aus dem 11. bis 13. Jahrh. und ist seit 1847 restauriert. Die übrigen Kirchen sind: die Stiftskirche, 1879-84 neu erbaut, die Jesuitenkirche von 1693, die Minoritenkirche (1278-1318 erbaut) und die Herz-Jesukirche von 1862. Von hervorragenden Profanbauten sind zu nennen: das 1717, bez. 1777 erbaute ehemalige kurfürstliche Schloß (jetzt Universität), das Rathaus (von 1737), das Theater, das Haus von E. M. Arndt in der schönen, an Villen u. Gärten reichen Koblenzer Straße, Beethovens Geburtshaus in der Bonngasse. Auf dem Münsterplatz steht Beethovens Bronzestandbild (von Hähnel modelliert, seit 1845) und auf dem sogen. Alten Zoll, einer ehemaligen Bastion, jetzt Gartenanlage am Rhein (mit schöner Aussicht auf das Siebengebirge), das Arndtdenkmal (von Afinger, seit 1865). B. hat (1880) mit der Garnison (Königs-Husarenregiment Nr. 7 und ein Bataillon 2. Rheinischen Infanterieregiments Nr. 28) 31,514 meist kath. Einwohner (6286 Evangelische). Was die Industrie betrifft, so sind vorhanden: eine Eisengießerei und Maschinenfabrik, Jutespinnerei und -Weberei, Dampfsägemühlen, Fabriken für Fahnen, Fayence, Zement, Besenwaren aus Reisstroh, Korbmöbel etc., Bierbrauerei, Gerberei, Obst- und Gemüsebau, eine Gas- und eine Wasserleitung, Weinhandel und Schiffahrt. Unter den wissenschaftlichen Anstalten nimmt die Universität, von König Friedrich Wilhelm III. 1818 errichtet, die erste Stelle ein; sie zählte 1884-85: 114 Dozenten und 1108 Studierende. Das Universitätsgebäude enthält die Bibliothek von über 250,000 Bänden, die Münzsammlung (ca. 4000 römische und griechische Münzen) und das rheinische Museum für vaterländische Altertümer, das physikalische Kabinett und die schöne Aula (ehemals Speisesaal) mit großen Freskobildern. Außerdem gehören zur Universität: das akademische Kunstmuseum (1884), ein großartiges chemisches Laboratorium (1868 vollendet), eine Anatomie, ein physiologisches Institut, eine Sternwarte und drei klinische Anstalten. In dem benachbarten Poppelsdorfer Schloß (dem ehemaligen Lustschloß "Klemensruhe") am Fuß des Kreuzbergs befindet sich das naturhistorische Museum der Universität, dabei der botanische Garten (seit 1820) mit neuen, großen Gewächshäusern. In einem dem Schloß gegenüberliegenden Gebäude befinden sich die berühmte landwirtschaftliche Akademie (mit 1884: 77 Akademikern und verschiedenen Sammlungen) und das dazu gehörige chemische Laboratorium sowie südlich davon an der Poppelsdorfer Allee die Sternwarte der Universität. An sonstigen Bildungsanstalten hat B. 1 kath. Gymnasium, 1 Realschule; ferner besitzt es 1 Provinzialmuseum, 2 Privatirrenanstalten, 1 evangelisches und 1 kath. Hospital und seit 1883 die großartig angelegte Provinzialirrenanstalt. Der Naturhistorische Verein für Rheinland und Westfalen, die Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, der Verein von Altertumsfreunden im Rheinland, der Landwirtschaftliche Verein für die Rheinprovinz u. a. haben hier ihren Sitz. Auch befinden sich daselbst ein Oberbergamt und ein Land- und Schwurgericht (für die acht Amtsgerichte zu B., Eitorf, Euskirchen, Hennef, Königswinter, Rheinbach, Siegburg und Waldbröl). B. ist Sitz eines altkatholischen Bischofs. In der mit den prachtvollsten Promenaden geschmückten Umgebung der Stadt ist zunächst der alte Kirchhof (vor dem Sternenthor im W.) mit der 1847 von der Kommende Ramersdorf hierher versetzten zierlichen Deutsch-Ordenskapelle (aus dem 13. Jahrh.) wegen seines Reichtums an Gräbern berühmter Männer bemerkenswert. Wir nennen von denselben den Staatsrechtslehrer B. G. Niebuhr (gest. 1831), den Theologen Hermes (gest. 1831), den General v. Boyen (gest. 1845), A. W. Schlegel (gest. 1845), die Gebrüder Boisserée (gest. 1851 und 1854), den Komponisten R. Schumann (gest. 1856), Dahlmann (gest. 1860), den Staatsmann Ch. K. J. ^[Christian Karl Josias] v. Bunsen (gest. 1860), E. M. Arndt (gest. 1860), den Archäologen F. G. Welcker (gest. 1868), den Philologen Böcking (gest. 1870), den Dichter Karl Simrock (gest. 1878) u. a. Auch ruhen daselbst Schillers Gattin Charlotte (gest. 1826) und Schillers ältester Sohn, Ernst (gest. 1841). Ein prachtvolles Kriegerdenkmal in karrarischem Marmor (1877 von Küppers in Rom) und ein monumentaler Brunnen nach Afinger (1879) zieren den Kirchhof. Außerdem sind der Kreuzberg mit einer 1627 erbauten berühmten Wallfahrtskirche und köstlicher Aussicht, weiter entfernt Godesberg, Rolandseck, die Insel Nonnenwerth und der Drachenfels vielbesuchte Glanzpunkte in der Umgebung der Stadt. Neuere Ausgrabungen haben einen Teil des römischen Castrum am Rhein zwischen dem "Schänzchen" und dem "Jesuitenhof" bloßgelegt und die bedeutende Ausdehnung jener Befestigung erwiesen. - B. ist ohne Zweifel römisch-keltischen Ursprungs. An die von Tacitus erwähnten "Castra Bonnensia", welche Drusus gegründet haben soll, lehnte sich ein (vorrömischer) keltischer Ort B. an, der mit der kleinen römischen Vorstadt des Lagers in frühster Zeit verschmolz. 70 n. Chr. wurden in der Nähe der Castra Bonnensia die Römer von den Batavern geschlagen. Im 4. Jahrh. zerstört, wurde B. durch Kaiser Julian wieder aufgebaut, dann aber in den Kämpfen der Völkerwanderung wiederholt, zuletzt 869 von den Normannen, verwüstet. Hier schloß Heinrich I. mit König Karl von Frankreich 921 einen Freundschaftsbund. Im 11. Jahrh. und später erscheint B. häufig unter dem Namen Verona (Bern). Befestigt wurde die Stadt vom Erzbischof Konrad von Hochstaden, und Engelbert II. von Falkenburg, von den Kölnern vertrieben, verlegte um 1265 seinen Wohnsitz nach B., das auch bis 1794 erzbischöfliche Residenz blieb. Die Stadt wurde 1689 durch Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg bombardiert und fast ganz zerstört, im spanischen Erbfolgekrieg von Marlborough und dem Holländer Coehoorn abermals erobert und blieb bis 1715 in den Händen einer holländischen Besatzung. Nachdem 1717 die Festungswerke für immer geschleift worden, wandten sich die Kölner Kurfürsten mit besonderer Vorliebe der Verschönerung der Stadt zu: das kurfürstliche Schloß wie die Lustschlösser Poppelsdorf und Brühl wurden erbaut. Im Oktober 1794 wurde B. von den Franzosen besetzt, kam durch den Lüneviller Frieden 1801 an Frankreich und 1814 an Preußen. Die schon 1777 begründete und 1786 eröffnete Universität wurde von Napoleon I. aufgehoben und erst 18. Okt. 1818 von König Friedrich Wilhelm III. wiederhergestellt. Vgl. Ritter, Entstehung der drei ältesten Städte am Rhein: Köln, B. und Mainz (Bonn 1851); Hundeshagen, Die Stadt und Universität B. (das. 1852); Hesse, Geschichte der Stadt B. während der französischen Herrschaft 1791 bis 1815 (das. 1879); v. Sybel, Die Gründung der Universität B. (das. 1868); Wuerst, B. und seine Umgebung (2. Aufl., das. 1881).