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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Börsenschwindel; Börsenspiel; Börsensteuer

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Börsenschwindel - Börsensteuer.

dieselbe Anordnung in mehreren Geschossen übereinander. Wohl immer bedingen die bedeutenden Grundrißdimensionen des Börsensaals eine so große Höhe desselben, daß Anordnungen wie die eben erwähnten naturgemäß erscheinen, daß also die Nebenräume in zwei oder mehreren den Hauptraum umgebenden Geschossen untergebracht werden. Die Erleuchtung des Börsensaals wird dann entweder durch reines Oberlicht oder, wie bei den Basiliken, durch seitliches Oberlicht bewirkt. Bei der Anlage verschiedener neuer B. hat man den Hauptraum geteilt. So enthält der große Börsensaal in Berlin (erbaut 1859-64; Architekt Hitzig; "Erbkams Bauzeitung" 1865 u. 1866), dessen Länge 69 m und dessen Breite 26,7 m beträgt, zwei durch eine offene Arkadenstellung geschiedene gleiche Abteilungen für die Fonds- und für die Produktenbörse. Diesem zweiteiligen Hauptraum schließt sich dann noch ein mit Arkaden umgebener großer Hof von ca. 1000 qm Grundfläche an, welcher als Sommerbörse dient. Auch der Hamburger Börse wurden schon bald nach ihrer Eröffnung Terrassen zur Benutzung während des Sommers angefügt, und die Bremer Börse besitzt einen großen, für gewöhnlich als öffentliche Passage dienenden Hof zu gleichem Behuf. Die neue Börse in Frankfurt a. M. (Architekten Burnitz und Sommer; "Deutsche Bauzeitung" 1875) hat neben dem Börsensaal von 1200 qm noch einen Saal von 600 qm, welcher für die Effektensocietät bestimmt ist, und einen ebenso großen Reservesaal. Der Bedarf an Nebenräumlichkeiten ist je nach den örtlichen Verhältnissen ein sehr verschiedener. Post- und Telegraphenbüreaus sind als die wichtigsten unter ihnen zu bezeichnen. Die lebhafteste Benutzung derselben findet während der Börsenstunden statt, man wird daher die Disposition dieser Büreaus in Lage und Einrichtung immer auf die Möglichkeit raschester Expedition berechnet finden: durch selbständige Zugänge von außen, direkte Verbindung mit dem Börsensaal etc. Wichtigere anderweitige Nebenräume sind: Maklerkontore, verschiedene Arbeits- und Lesezimmer, Säle der Handelskammer und andrer kaufmännischer Korporationen, Räume für eine Kommerzbibliothek, ein geräumiges Restaurationslokal, vermietbare Räume für Versammlungen, Aktiengesellschaften, zu Vorlesungen, Ausstellungen etc. Die Börse ist ihrem Wesen nach ein Produkt der Neuzeit und erheischt eine durchaus eigenartige Architektur. Nicht auf bestimmten Stilformen, sondern vielmehr aus der Erfüllung der praktischen Bedürfnisse und aus der Würdigung der hohen repräsentativen Bedeutung muß eine charaktervolle, wahre architektonische Gestaltung des Börsengebäudes hervorgehen. Über Erfordernisse und spezielle Einrichtung der B. vgl. "Deutsches Bauhandbuch", Bd. 2, Nr. 14.

Börsenschwindel, s. Börse.

Börsenspiel, s. Börse.

Börsensteuer nennt man die auf den Umsatz börsengängiger Wertpapiere gelegte Verkehrssteuer, welche teils bei der Ausgabe solcher Papiere und zwar dann meist in Prozenten vom Nennwert, teils von jedem weitern an diese Papiere sich anknüpfenden Geschäft und zwar hier in der Regel in festen, seltener in abgestuften Sätzen erhoben wird. Als Erhebungsform dient die Stempelung, meist die Stempelmarke, welche der Pflichtige bei Meidung von Strafen aufzukleben und zu kassieren hat. Die Einhebung der Übertragungsabgabe kann auch in der Art erfolgen, daß die emittierende Gesellschaft ein jährliches Abonnement von einem bestimmten Prozentsatz entrichtet. Die B. findet ihre besondere Rechtfertigung darin, daß bereits der Immobiliarverkehr durch Steuern getroffen wird, demgemäß die Steuerfreiheit der Übertragungen von mobilen Kapitalobjekten an und für sich einer Privilegierung gleichkäme. Man hat in ihr auch ein Mittel erblickt, um die Auswüchse der Börse, die ungesunde Börsenspekulation zu beseitigen oder zu mindern. Doch ist die Besteuerung hierfür unzureichend, da dieselbe den volkswirtschaftlich berechtigten und wohlthätigen Börsenverkehr verhältnismäßig mehr trifft als das unsolide Spiel, welches mehr zur Umgehung, Hinterziehung und Abwälzung geneigt und befähigt ist. Überdies darf die B. nicht zu hoch bemessen werden, wenn sie nicht den der Volkswirtschaft heute unentbehrlichen Effektenmarkt unmöglich machen soll. Denn die Wertpapiere werden weit häufiger als Immobilien umgesetzt und dienen darum auch seltener als letztere für Zwecke einer dauernden Kapitalanlage. England erhebt eine B. bei der Ausgabe von Aktien (1½ Proz. des Nennwerts bei inländischen Inhaberaktien, 1 Penny von andern) und Obligationen (1/8 Proz.), letztere Summe auch bei der Einführung fremder Papiere. Bei der Übertragung von auf Namen lautenden Papieren sind Sätze von 1/8 bis ½ Proz. zu entrichten, während die Übertragung von Inhaberpapieren frei ist. Frankreich erhebt bei der Emission inländischer und bei Einführung fremder Aktien und Obligationen 1 Proz. (bez. von inländischen Papieren ein jährliches Abonnement von 0,5 pro Mille), außerdem eine bei jeder Übertragung erhobene Übertragungsabgabe von ½ Proz. bei inländischen, auf Namen lautenden Papieren und eine solche von 1/5 Proz., welche in einem jährlichen Abonnement zu entrichten ist, von Inhaberpapieren und fremden Effekten. Staatspapiere sind von dieser Übertragungssteuer frei. Im Deutschen Reich wurde durch Gesetz vom 1. Juli 1881 über die Reichsstempelabgaben eine B. eingeführt. Dieselbe trifft

1) die Ausgabe von inländischen, die Einführung von fremden Aktien mit einer einmaligen Stempelsteuer von ½ Proz. Die Stempelpflicht tritt überhaupt bei Verwendung zu Zahlung oder bei einem sonstigen Besitzwechsel unter Lebenden ein. Von Obligationen, Renten und Schuldverschreibungen ist 1/5 Proz. zu entrichten. Sind dieselben von Gemeinden, Grundkreditgesellschaften, Hypothekenbanken, Transportgesellschaften ausgegeben, so tritt eine Ermäßigung auf 1/10 Proz. ein. Renten und Schuldverschreibungen des Reichs und der Gliederstaaten sind steuerfrei.

2) Lotterielose werden mit einer Steuer von 5 Proz. getroffen; die für mildthätige Zwecke genehmigten Ausspielungen und Lotterien sind dagegen steuerfrei.

3) Schlußnoten und Rechnungen über abgeschlossene Börsengeschäfte, überhaupt über Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte über Waren, welche börsenmäßig gehandelt werden, waren in dem Reichsgesetz vom 1. Juli 1881 mit einem Fixstempel von 20 Pf. belegt worden, der sich für Zeitgeschäfte auf 1 Mk. erhöhte.

Seitdem hat jedoch eine lebhafte Agitation für eine prozentuale B. stattgefunden, und 1885 fand ein Antrag des konservativen Abgeordneten v. Wedell-Malchow die Zustimmung des Reichstags und des Bundesrats, wodurch statt jenes Fixstempels ein Prozentstempel von 1/10 vom Tausend eingeführt ward, insofern es sich um Kauf- und sonstige Anschaffungsgeschäfte über ausländisches Papiergeld und ausländische Geldsorten oder um Wertpapiere handelt. Bei Kauf- und Anschaffungsgeschäften, welche unter Zugrundelegung von Usancen einer Börse geschlossen werden (Loko-, Zeit-, Fix-, Termin-,