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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Börsengebäude

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Börsengebäude.

los. Dieses versteckte Prolongationsgeschäft hat den Mangel, daß der Spekulant mit drei Personen zu verhandeln hat: mit dem Kontrahenten bei seinem ersten Spekulationsgeschäft, mit dem Kontrahenten beim Realisationsgeschäft und mit dem Kontrahenten bei dem neuen (prolongierenden) Geschäft. Vereinfacht wird die Prolongation durch das Reportgeschäft, bei welchem das Realisations- und das neue Spekulationsgeschäft mit derselben Person abgeschlossen werden. Verkauft der prolongierende Spekulant die betreffenden Effekten per Kassa an dieselbe Person, von welcher er sie alsdann per Ultimo zu beziehen übernimmt, und kauft diese Person per Kassa zum Kassakurs unter Versprechen der Rücklieferung der Papiere per Ultimo, so liegt seitens dieser Person (Kostgeber, weil er Papiere "in Kost" gibt) ein Reportgeschäft vor, welches für jenen Spekulanten den Schein und das Wesen eines Prolongationsgeschäfts hat. Dabei kann Verkauf und Kauf zum nämlichen Kurs geschehen, oder die spätere Lieferung zu einem höhern oder die spätere Lieferung zu einem niedrigern Kurs. Im erstern Fall spricht man von einer "glatten" Prolongation ("es wird glatt prolongiert"); im zweiten Fall nennt man den Unterschied zwischen den beiden Kursen Report (Kostgeld, franz. report, engl. contango), im dritten Fall Deport (auch Leihgeld genannt, franz. déport, engl. backwardation). Bei "glatter" Prolongation genießt der Geldgeber bis zum Rückempfang die laufenden Zinsen der Papiere, im Fall des Reports mehr als diese, im Fall des Deports weniger. Ein Report wird sich daher besonders bei der Prolongation niedrig verzinslicher, ein Deport bei derjenigen hoch verzinslicher Papiere leicht einstellen. Der Kapitalist, welcher reportiert, d. h. die Papiere in Prolongation nimmt (d. h. per Kassa kauft und gleichzeitig per Ultimo des nächsten Monats verkauft) und an Zinsen und Report gewinnen will, ermöglicht dadurch die Prolongation der Spekulation des Haussiers; umgekehrt kann er auch die Spekulation des Baissiers unterstützen, indem er demselben die abzuliefernden Effekten zeitweise überläßt und dabei den Vorteil genießt, Geld zu niedrigen Zinsen einige Zeit zur Verfügung zu haben. Das Reportgeschäft wird nicht selten als Darlehen, Geldleihe auf Effekten, dargestellt; diese Auffassung dürfte aber juristisch unhaltbar sein, vielmehr ist das Geschäft als Kaufvertrag zu beurteilen und nur durch die fixen Termine und die Differenzabgleichung besonders qualifiziert. Dagegen ist das Lombardgeschäft eine wirkliche Darleihe, welche unter Verpfändung von bestimmten Effektenstücken gegen Verzinsung und unter Verpflichtung zur Depoterhöhung im Fall gesunkenen Kurses abgeschlossen wird. Auf dieses Geschäft finden die im Art. 311 des Reichshandelsgesetzbuchs ausgesprochenen Grundsätze Anwendung. Vgl. Proudhon, Handbuch des Börsenspekulanten (deutsch, Hannov. 1857); Swoboda, B. und Aktien (Köln 1868); Kautsch, Allgemeines Börsenbuch (Stuttg. 1874); Siegfried, Die B. und die Börsengeschäfte (4. Aufl., Berl. 1884); Hecht, Das Börsen- und Aktienwesen der Gegenwart (Mannh. 1874); Struck, Die Effektenbörse (Leipz. 1881). Statistisches in "Salings Börsenjahrbuch" (Berlin), dem "Jahrbuch der Berliner B." (hrsg. von Neumann), "Kompaß. Finanzielles Jahrbuch für Österreich-Ungarn" (Wien).

Börsengebäude, das öffentliche Gebäude, welches die gesamte kaufmännische Welt einer Stadt zu bestimmten Stunden in sich aufzunehmen bezweckt. Als Zentralpunkt des Geschäftslebens vermittelt die Börse den persönlichen Verkehr der Geschäftsleute untereinander und bietet durch ihre Einrichtungen und Anstalten alle möglichen zur Geschäftsvereinfachung und somit Zeitersparnis dienenden Mittel. Die Börsen der großen Handelsstädte stehen untereinander in telegraphischer Verbindung; aus allen Weltgegenden strömen hier die Nachrichten über die Ereignisse des Tags zusammen; das Fallen und Steigen der Kurse, die "Stimmung" der Börse, gibt täglich ein Bild der allgemeinen Weltzustände. Die Bedeutung des Börsengebäudes geht somit weit über die eines einfachen Bedürfnisbaues hinaus; die Neuzeit erblickt in ihm ein Repräsentationsgebäude der hervorragendsten Art. Die Ausdehnung und architektonische Gestaltung der Börse gibt ein Bild von der Entwickelungsstufe, auf welcher sich die betreffende Stadt in Beziehung auf den hochwichtigen Kulturzweig des Handels und kaufmännischen Verkehrs befindet. Für die Disposition des Börsengebäudes sind jedoch naturgemäß die praktischen Bedürfnisse in erster Linie zu berücksichtigen. Ein großer Saal, welcher den regelmäßigen Versammlungen dient, und dessen Benutzung einem jeden freisteht, bildet den Kern der Anlage. In diesem Saal pflegt jeder Geschäftsmann seinen bestimmten Platz einzunehmen. In neuern Börsen werden sogar vermietbare reservierte Standplätze in Form von kleinen Logen für einzelne Geschäftshäuser hergestellt. Für die Makler, welche eine der wichtigsten und bedeutendsten Rollen des Börsenverkehrs in den verschiedensten Geschäftsbranchen spielen, enthält der Börsensaal in der Regel eine größere Anzahl kleiner, offener Büreaus. Um das rasche Auffinden der einzelnen Standplätze zu erleichtern, gibt es verschiedene Einrichtungen. Dahin gehören: Feldereinteilung des Fußbodens und Numerierung der einzelnen Felder, Bezeichnung von Pfeiler- oder Säulenstellungen durch Zahlen, resp. Buchstaben u. dgl. Auch die Grundgestaltung des Börsensaals kann dem leichten Zurechtfinden sehr zu Hilfe kommen. So hat z. B. der Saal der neuen Börse in Brüssel (1868; Architekt M. L. Suys; "La semaine des constructeurs" bringt in Nr. 24, Jahrg. 1876, Abbildung des Äußern und kurze Notiz) im Grundriß die Form eines Kreuzes; der Börsensaal in Hamburg (Architekten C. Wimmel und Forsmann; vor dem großen Brand 1842 vollendet; "Försters Bauzeitung" 1849) besteht in einem großen, oblongen Mittelraum, welcher rings von drei durch Pfeilerarkaden gebildeten, niedrigen Seitenschiffen umgeben ist; der Börsensaal in Bremen (vollendet 1864; Architekt H. Müller; "Deutsche Bauzeitung" 1871; daselbst geschichtliche Notizen über ältere und neuere B.) hat annähernd die Form des Langhauses einer fünfschiffigen gotischen Basilika etc. Der Zweck, eine leichte Orientierung herbeizuführen, kann jedoch nicht bedingend für die Grundgestaltung sein; in einem jeden einheitlichen, vollkommen übersichtlichen, großen Raum werden sich immer geeignete Mittel zur Erfüllung desselben finden. Die örtlichen Verhältnisse, das spezielle Bauprogramm und das Geschick des Architekten sind die Faktoren für die Raumgestaltung des Börsensaals, sie schließen allgemein gültige Regeln aus. Fast typisch ist geworden, daß der Börsensaal in etwa halber Höhe eine offene Galerie besitzt, von welcher aus das Gewoge der Geschäftswelt übersehen werden kann. Diese Galerie hat aber meist noch den weitern Zweck, den in einem obern Geschoß untergebrachten, den Hauptraum umgebenden Nebenräumlichkeiten als Verbindungsgang zu dienen. Bisweilen, z. B. in England, findet man