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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Börse

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Börse (Prämiengeschäfte).

darin einen allerdings hinter der möglicherweise ihm günstigern Kursdifferenz zurückbleibenden kleinern, aber in diesem Minimum ganz sichern Gewinn hat. Das Juristische des Prämiengeschäfts liegt einfach im folgenden: jedes Prämiengeschäft ist ein Vertrag, in welchem von einem Kontrahenten dem andern gegen Versprechen einer bestimmten Summe, Prämie genannt, ein Wahlrecht zugestanden wird, welches Bezug hat auf das Zustandekommen oder die Ausführung eines andern Vertrags (Fixgeschäft überhaupt oder Differenzgeschäft). Es ist unrichtig, das Prämiengeschäft als bedingtes Geschäft aufzufassen; das Prämiengeschäft ist unbedingt, nur jenes andre Geschäft, welches in seinem Zustandekommen oder in seinem Vollzug von dem Prämiengeschäft, von der Wahl abhängt, kann als bedingtes Geschäft bezeichnet werden (bedingtes Zeitgeschäft). Die Prämie ist das Äquivalent für das vom Prämienzieher eingeräumte Wahlrecht. Im einfachen Prämiengeschäft wird die Prämie bezahlt nach Vereinbarung entweder für den gewählten Rücktritt, oder für den nicht gewählten Rücktritt, oder für das Recht der Wahl an sich, ohne Rücksicht darauf, ob oder wie es ausgeübt wurde. Im Wandelgeschäft zahlt der Prämiengeber die Prämie für Wahlrecht darüber, ob er die Erfüllung des Lieferungs- oder Differenzgeschäfts an diesem oder an jenem Zeitpunkt (innerhalb einer vereinbarten Frist) wolle. Während demnach in den einfachen Prämiengeschäften die Wahl zwischen Wollen und einem konkreten, entgegengesetzten Nichtwollen charakteristisch ist, räumt das Wandelgeschäft keinen Rücktritt, kein Nichtwollen ein, sondern die Wahl zwischen einem So- und einem Anderswollen. Das letztere ist dem Wandelgeschäft gemeinsam mit dem Noch- (oder Nach-) Geschäft, dem Schluß auf fest und offen und dem Stellgeschäft. Im Nochgeschäft hat der Prämienzahler die Wahl, ob er die ursprünglich vereinbarte Menge oder mehr als diese liefern, bez. fordern will. Umgekehrt räumt der Schluß auf fest und offen dem Prämiengeber die Befugnis ein, nur einen Teil der gehandelten Effekten zu nehmen, bez. zu liefern. Die Menge der Effekten, auf deren Lieferung oder Bezug am Stichtag vertragsmäßig verzichtet werden kann, ist stets nur ein Bruchteil der überhaupt in Rede stehenden Papiere und heißt "offen" bezogene Partie, oder man spricht von "in Option gegebenen Papieren", ein Ausdruck, der übrigens auch im Nochgeschäft gang und gäbe ist. Überhaupt unterscheidet sich das "Nochgeschäft" von dem Geschäft auf "fest und offen" nur durch die Ausdrucksweise des geschlossenen Vertrags, ob man nämlich die kleinere Quantität als das Normale und die größere als das Ergebnis eines besonders auszuübenden Wahlrechts auffaßt oder umgekehrt. Das Stellgeschäft (die Stellage) ist ein Prämiengeschäft, bei welchem dem Prämienzahler (Wähler, Stellageinhaber) das Recht eingeräumt ist, die behandelte Quantität Fonds nach seiner am Stichtag zu treffenden Wahl entweder von dem andern Kontrahenten (Steller) zu einem höhern Kurs zu empfangen, oder zu einem niedrigern Kurs zu liefern (Schluß auf geben und nehmen). Das zweischneidige Prämiengeschäft gibt dem Prämienzahler außer dem Rechte der Wahl zwischen Beziehen und Liefern auch noch das Recht des vollständigen Rücktritts vom Vertrag, mithin ein Wahlrecht zwischen So-, Anders- und Nichtwollen. Das Zweiprämiengeschäft ist die Kombination zweier einfacher Prämiengeschäfte, welche jemand mit zwei verschiedenen Personen abschließt, indem er in beiden Fällen sich das Recht des Rücktritts vorbehält, in dem einen Fall von einem Kauf, den er abschließt, in dem andern von einem Verkauf. (Vgl. Moser, Zeitgeschäfte, Berl. 1875.) In allen Prämiengeschäften ist auf einer Seite der Verlust auf ein Minimum, die Prämie, beschränkt, auf der andern Seite aber auch der Gewinn aus dieselbe. Für die rechtliche Natur dieser Geschäfte ist es gleichgültig, ob die Prämie besonders ausgesprochen oder nur im Lieferungskurs ausgedrückt, ob sie vorher oder nachher bezahlt wird, oder in Reduktion oder Erhöhung des Bezugspreises liegt etc. Die Usancen der Börsen, in Bezug auf die Prämiengeschäfte die einzigen besondern Rechtsquellen, weichen hierin voneinander ab. Hat der Verkäufer die Prämie zu zahlen (Rückprämie), so läßt sie sich in einer Verminderung des Kaufpreises ausdrücken, die vom Käufer zu zahlende (Vorprämie) in einer Erhöhung desselben. An den deutschen Börsen wird sie gesondert berechnet und bezahlt, an den meisten andern Börsen Europas in den Kurs gerechnet. Die Spekulation in den Prämiengeschäften stützt sich auf Kursschwankungen; Prämienzahler und Prämienempfänger müssen sich verschiedenen Anschauungen in Bezug auf Richtung oder Intensität der Kursänderung hingeben. So hofft der Wähler im Stellgeschäft, daß eine sehr bedeutende Kursänderung nach oben oder nach unten eintreten werde; er gewinnt erst, wenn die Kursänderung über den (vereinbarten höchsten) Empfangskurs hinaus oder unter den (vereinbarten niedrigsten) Lieferungskurs herab vor sich gegangen ist; der Steller (Prämienempfänger) rechnet umgekehrt darauf, daß keine so bedeutende Preisschwankung eintreten werde, etc. Es kann sein, daß am Stichtag (Prämienerklärungstag, gewöhnlich ein Ultimo) die Spekulation sich als ungünstig für den einen der Kontrahenten darstellt, während er von den bevorstehenden nächsten Kursänderungen Vorteil hofft und der andre Kontrahent die Fortdauer der ihm günstigen Geschäftslage voraussetzen zu dürfen glaubt; so kommen beide Kontrahenten dazu, das Zielgeschäft (Fixgeschäft, Differenz- oder Prämiengeschäft) zu prolongieren: Prolongation der Fondsgeschäfte (Prolongations- oder Kostgeschäfte). Die Fortsetzung der Spekulation bei vermuteter Fortdauer, resp. Verbesserung der Chance kommt, abgesehen von den bankmäßigen Prolongationen im Wechsel-, Lombard- und Darlehnsgeschäft, im Fondsverkehr in doppelter Weise vor: als sogen. verdeckte (einfache) Prolongation und als Reportgeschäft. Die verdeckte Prolongation besteht in der Abschließung eines neuen Geschäfts unter Beibehaltung der gleichen Spekulationsrichtung nach Abwickelung des ersten ("prolongierten") Geschäfts; gleichgültig ist dabei, ob das zweite (prolongierende) Geschäft mit einem und demselben Kontrahenten oder mit einem neuen abgeschlossen wird. Der prolongierende Haussespekulant verkauft demnach am Stichtag per Kassa, zahlt Kaufpreis, resp. Differenz an seinen frühern Verkäufer und setzt die Haussespekulation in derselben Weise wie bisher dadurch fort, daß er die nämliche Quantität derselben Effekten von einem Dritten oder wiederum vom Verkäufer auf Lieferung per nächsten Ultimo kauft. Entsprechend werden die Verkäufe vom prolongierten Baissespekulanten fortgesetzt. Die Prolongation setzt also im ersten Fall voraus: Verkauf per Kassa und Kauf per Ultimo, im letztern: Kauf per Kassa und Verkauf per Ultimo. Dies Geschäft trägt die Natur des gewöhnlichen Lieferungsgeschäfts an sich. Der Zusammenhang mit dem dadurch prolongierten Geschäft ist juristisch bedeutungs-^[folgende Seite]