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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Boyer; Boyer de F.; Boyesen

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Boyer - Boyesen.

Scharnhorst und erhielt 1810 als Direktor des allgemeinen Kriegsdepartements den Vortrag beim König. Bei der Begründung der neuen Heeresverfassung war er Scharnhorsts eifrigster Gehilfe, nahm aber nach dem Zustandekommen des Bündnisses mit Frankreich 1812 als Oberst seinen Abschied und besuchte Wien und Petersburg. Der Aufschwung von 1813 rief ihn in den preußischen Dienst zurück, als Oberst im Generalstab begleitete er vom Hauptquartier zu Kalisch die russische Armee nach Sachsen. Nach der Schlacht von Lützen wurde ihm die Beschleunigung der märkischen Rüstungen und, für den Fall der Not, die Verteidigung von Berlin übertragen; während des Waffenstillstandes aber ernannte ihn der König zum Chef des Generalstabs des 3. Armeekorps. Mit diesem machte B. die Schlachten und Gefechte von 1813 und 1814 mit und wurde zum Generalmajor befördert. Nach dem ersten Pariser Frieden zum Kriegsminister ernannt, vollendete er die vor dem Krieg begonnene Organisation der Landwehr und ward 1818 Generalleutnant. Vergebens bemühte er sich, der hereinbrechenden Reaktion, die auch das volkstümliche Wesen der Landwehr gefährdete, Einhalt zu thun, und nahm daher 1819 den Abschied. Seitdem lebte er 21 Jahre lang in der stillen Muße des Privatlebens, mit geschichtlichen Studien beschäftigt, bis ihn Friedrich Wilhelm IV. unmittelbar nach seiner Thronbesteigung als General der Infanterie in den aktiven Dienst zurückrief. Im März 1841 wurde B. wieder an die Spitze des Kriegsministeriums gestellt, ohne indes großen Einfluß auf die allgemeinen politischen Angelegenheiten zu erlangen, trat im November 1847 zurück und wurde zum Feldmarschall und Gouverneur des Invalidenhauses ernannt. Er starb 15. Febr. 1848. Der König benannte nach ihm die Feste Lötzen in Ostpreußen B. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: "Beiträge zur Kenntnis des Generals v. Scharnhorst" (Berl. 1833); "Erinnerungen aus dem Leben des Generalleutnants v. Günther" (das. 1834). Auch ist er der Dichter des Liedes "Der Preußen Losung" (1838). - Sein Sohn Hermann v. B., Generaladjutant des Königs, nahm 1879 als Gouverneur von Berlin seinen Abschied.

Boyer (spr. bóajeh), 1) Alexis, Baron de, Mediziner, geb. 1. März 1757 zu Uzerches in Limousin, war zuerst Barbier, widmete sich seit 1779 unter Desault in Paris der Chirurgie, ward 1787 Wundarzt an der Charitee, dann Professor der Chirurgie und später der Klinik an der neuerrichteten École de santé und 1804 erster Wundarzt des Kaisers, welcher ihn auch baronisierte. Unter den Bourbonen erhielt er eine Professur an der Universität zu Paris und ward erster Wundarzt an der Charitee. Er starb 25. Nov. 1833. Er schrieb: "Traité complet d'anatomie" (Par. 1797-99, 4 Bde.; 4. Aufl. 1820); "Traité des maladies chirurgicales" (das. 1814-25, 9 Bde.; 5. Aufl. 1843-53, 7 Bde.; deutsch von Textor, 3. Aufl., Würzb. 1834-41, 11 Bde.); "Leçons sur les maladies des os" (Par. 1803, 2 Bde.; deutsch 1804).

2) Jean Pierre, Präsident der Republik Haïti, geb. 28. Febr. 1776 zu Port au Prince in der französischen Kolonie San Domingo, Mulatte, erwarb sich in Frankreich europäische Bildung und trat 1792 in das Militär ein. Sehr bald zum Bataillonschef befördert, nahm er bei der Invasion der Engländer auf San Domingo an den Unternehmungen des Generals Rigaud rühmlichen Anteil. Später focht er wieder unter Rigaud gegen die Schwarzen unter Toussaint l'Ouverture, mußte jedoch mit Rigaud die Insel verlassen und in Frankreich Zuflucht suchen, von wo er 1802 mit der Expedition des Generals Leclerc nach Haïti zurückkehrte. Hier kämpfte er anfangs wieder gegen die Schwarzen, trat dann aber in die Verbindung der Neger und Mulatten zur vollständigen Befreiung der Kolonie. Nach Dessalines' Thronbesteigung stellte sich B. mit Péthion an die Spitze der Farbigen. Beide halfen dem Negergeneral Christoph den blutigen Despoten Dessalines 1806 stürzen, verließen aber Christoph, als dieser selbst nach der Herrschaft strebte. Péthion stiftete im südwestlichen Teil der Insel eine unabhängige Republik, B. aber erhielt die Kommandantur der Hauptstadt Port au Prince und die Würde eines Generalmajors. Siegreich gegen die schwarzen Horden Christophs, des Oberhaupts der Negerrepublik im Norden, wurde er vom sterbenden Péthion 29. März 1818 dem Volk als Nachfolger empfohlen und einmütig zum Präsidenten der Republik erwählt. Er ordnete das Finanzwesen, verbesserte die Verwaltung und begünstigte Künste und Wissenschaften. Nach Christophs Tod vereinigte er 1820 die Neger- mit der Mulattenrepublik, nahm 1821 das östliche, spanisch gebliebene Gebiet in Besitz und erwirkte 1825 die Unabhängigkeitserklärung des jungen Staats von seiten Frankreichs. Nachdem er unter fortwährenden Kämpfen mit dem Repräsentantenhaus über 15 Jahre an der Spitze der Republik gestanden, wurde er 1843 durch einen Aufstand mißvergnügter Parteihäupter gestürzt und mußte 13. März auf einem englischen Kriegsschiff Zuflucht suchen, das ihn nach Jamaica brachte, wo er förmlich abdankte. Nach längerm Aufenthalt auf dieser Insel begab er sich nach Paris, wo er 9. Juli 1850 starb.

3) Louis, franz. Schriftsteller, geb. 1810 zu Paris, war lange Zeit eifriger Mitarbeiter der Zeitschrift "Théâtres de Paris" und gründete 1848 mit Villemessant und de Montépin das Journal "Le Lampion, ou Éclaireur politique". Von 1851 bis 1854 war er im Staatsministerium als Inspektor, dann als Theaterzensor angestellt, und 1854-56 führte er das Direktorium des Vaudevilletheaters mit seltenem Glück. B. verfaßte selbst eine Reihe von Vaudevilles; noch mehr Stücke aber schrieb er mit andern Mitarbeitern, die unter dem Pseudonym La Roque erschienen. Er starb 22. April 1866 in Paris.

4) B., bekannt unter dem Pseudonym F. Partout, franz. Vaudevilledichter, stand als Direktor an der Spitze verschiedener Hospitäler und lieferte dem Theater Palais Royal in Gemeinschaft mit andern Schriftstellern (Varin, Paul de Kock u. a.) eine Menge der lustigsten Possen und Vaudevilles, deren vortreffliche Komik, gemischt mit einer starken Dosis französischer Leichtfertigkeit, allabendlich lebhaft beklatscht wurde. B. starb im Februar 1862. Die beliebtesten Stücke waren: "L'omelette fantastique" (1842); "La rue de la lune" (1843); "La gardemalade" (1846); "Une femme à deux maris" (1847); "Un lièvre en sevrage" (1849), das einzige Stück, welches B. ohne Hilfe geschrieben hat; "Habit, veste et culotte" (1849); "Le poupard" (1853); "Un vieux loup de mer" (1854) u. a.

Boyer de F., bei zoolog. Namen Abkürzung für Boyer de Foscolombe (Entomolog in Aix).

Boyesen, Hjalmar Hjorth, norwegisch-amerikan. Novellist, geb. 23. Sept. 1848 zu Frederiksvärn in Norwegen als Sohn eines Militärbeamten, studierte in Christiania namentlich neuere Sprachen und wandte sich nach Nordamerika, wo er seitdem lebt. Er bekleidet gegenwärtig eine Professur am Columbia College zu New York. Seine ersten litterarischen Versuche erschienen in einem von seinen Landsleuten