Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Briefsteller; Brieftaube; Briefträger; Brieg

422

Briefsteller - Brieg.

gen, Kreuzbändern, Postkarten, Postanweisungen, Postaufträgen und sonstigen mit Postwertzeichen versehenen Formularen mehr als 5000 Marken enthält. 1859 entstanden in Paris die ersten Briefmarkengeschäfte. Seitdem hat der Briefmarkenhandel einen nicht unbedeutenden Handelsverkehr hervorgerufen, dessen Zentralsitze Leipzig, Wien, Hamburg, Brüssel, Paris und London sind; in Hamburg und Paris hat man sogar Briefmarkenbörsen, für die Briefmarkenkunde (Philatelie, französische Bezeichnung "Timbrologie") entstanden besondere Fachzeitschriften. Anfang 1885 zählte man in Deutschland und Österreich 7, in Frankreich 7, in England 10, in Nordamerika 15, in Spanien 2, in Italien, Schweden, Dänemark, Belgien, Holland je 1 periodisches Blatt; dazu zahlreiche Kataloge, Photographien, Albums (z. B. die von Zschiesche, Leipz. 1884; Klötzsch, 1884; Schaubeck, 1885) etc. Auch besondere Vereine für philatelische Zwecke existieren in London, Turin, Paris und Dresden. Vgl. Moschkau, Handbuch für Postmarkensammler (5. Aufl., Leipz. 1884); Derselbe, Die Wasserzeichen auf den B. nebst Geschichte der B. und des Sammelwesens (4. Aufl., Dresd. 1880); Perlep, Katalog der Stempelmarken aller Staaten (Leipz. 1880); Veredarius, Das Buch von der Weltpost (Berl. 1885).

Briefsteller, ursprünglich eine Person, welche für andre Briefe abfaßt. Vor der Reformation war das Schreiben eine Kunst, die verhältnismäßig nur wenige übten; noch zu Luthers Zeit rechnete man auf 200 Landleute erst einen, der seinen Namen zu schreiben im stande war. Im Mittelalter gab es daher überall öffentliche Briefschreiber, d. h. Leute, welche ein Gewerbe daraus machten, den des Schreibens unkundigen Leuten, welche andern briefliche Mitteilungen zu machen hatten, solche abzufassen, und in manchen Ländern waren sie eidlich verpflichtet, die ihnen anvertrauten Geheimnisse nicht zum Schaden ihrer Klienten zu mißbrauchen. In Deutschland starb das Gewerbe allmählich ab in dem Maß, als der Volksunterricht allgemeiner wurde; ebenso in Frankreich, England, Dänemark und Schweden, Ländern, deren Kulturgang mit dem Deutschlands ziemlich auf gleicher Stufe steht. Wenn hier der Landmann das Bedürfnis des Briefschreibens nicht selbst befriedigen kann, so pflegt er sein Vertrauen dem Pfarrer oder Schullehrer zu schenken, und wenn es auch in den Städten noch hier und da Leute gibt, die aus Abfassung brieflicher Aufsätze ein Gewerbe machen, so sind diese doch mit Bitt-, Vorstellungs-, Mahnschreiben etc. meist nur in rechtlicher Beziehung thätig oder beschränken sich auf bloßes Abschreiben. In den Ländern aber, wo die Volksbildung noch so zurück ist, daß die Landbevölkerung der Mehrzahl nach weder des Lesens noch des Schreibens kundig ist, besteht das Gewerbe des öffentlichen Briefstellers noch jetzt, so in Spanien, Portugal, Italien.

B. heißt auch ein Buch, in welchem Anweisung zum Briefschreiben gegeben wird, namentlich in Bezug auf das Formelle. Äußere Einrichtung des Briefs, Beobachtung der Kourtoisie, Belehrung durch Beispiele sind Hauptsache darin. Je nachdem er allgemeine oder besondere Zwecke verfolgt, ist er ein allgemeiner oder ein kaufmännischer, ein militärischer etc. B. Deutschland hat den zweideutigen Ruf, solche Briefformulare in größter Menge zu besitzen. Der erste bekannte Versuch ist vom gelehrten Buchdrucker Anton Sorg (Augsb. 1484); ihm folgten T. Schröder, Talander und viele andre (s. Brief, S. 419). Die bekanntesten neuern B. sind von Moritz, Heinsius, Schlez, Campe, Kiesewetter, Rammler u. a. Auch die Engländer sind reich an Briefstellern; den Reigen führen Richardsons "Familiar letters", bei den Franzosen aber Jauffrets "L'art épistolaire". Der zeremonielle und in Förmlichkeiten überschwengliche Morgenländer hat das Briefschreiben zu einer Kunst gemacht, deren Regelgebäude ein wahres Labyrinth ist; der B. ist der Faden, sich darin zurechtzufinden, und für den, der in die Lage kommt, Briefe zu schreiben, ein unentbehrliches Buch. Die meisten orientalischen B. sind in arabischer Sprache abgefaßt.

Brieftaube, s. Taubenpost.

Briefträger, Unterbeamte der Postverwaltung, welche dazu bestellt sind, die bei den Postanstalten ankommenden Postsendungen den Empfängern in ihre Wohnungen zu überbringen. Noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts hinein pflegte man den Briefträgern die Gebühren für die Abtragung der Postsendungen (Bestellgeld) als Bezahlung für ihre Leistungen zu überlassen. Mit der fortschreitenden Steigerung des Postverkehrs wurde dieses Verhältnis, wo es noch bestand, überall beseitigt. Zur Zeit werden die B. gegen feste Bezahlung angestellt, und es werden die aufkommenden Bestellgelder zur Postkasse verrechnet. Bei der deutschen Reichspostverwaltung werden die Briefträgerstellen zu zwei Dritteilen durch zivilversorgungsberechtigte Militärpersonen besetzt.

Brieg, ehemaliges schles. Herzogtum, entstand aus dem Anteil, welchen nach dem Rücktritt des Herzogs Boleslaw III. von Liegnitz 1348 sein zweiter Sohn, Ludwig I., erhielt. Dessen Enkel Ludwig II. erbte 1419 wiederum Liegnitz. 1495 erhielt das Herzogtum B. Friedrichs I. jüngerer Sohn, Georg I., nach dessen Tod (1521) jedoch Friedrich H. von Liegnitz wiederum folgte. Derselbe führte 1524 die Reformation ein und schloß 1537 die bekannte Erbverbrüderung mit Brandenburg. Sein Sohn Georg II. begründete 1547 eine neue Linie B., welcher auch das Herzogtum Wohlau gehörte und später Liegnitz wieder zufiel. Dieselbe starb 1675 aus. B. kam trotz des Erbvertrags unter österreichische Herrschaft und erst 1742 an Preußen (s. Schlesien, Geschichte).

Brieg, 1) Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Breslau, 148 m ü. M., am linken hohen Oderufer und an der Oberschlesischen Eisenbahn (Breslau-Oswiecim und Neiße-B.), hat 2 evang. Kirchen (darunter die gotische Nikolaikirche aus dem 13. Jahrh., deren Türme 1884-85 nach einem Entwurf des Kölner Dombaumeisters Zwirner ausgebaut wurden, mit herrlicher Orgel) und 2 kath. Kirchen, Schloß der Piasten mit berühmtem Renaissanceportal, Theater, Gymnasium, landwirtschaftliche Schule, Provinzialirrenanstalt, Strafanstalt, Reichsbanknebenstelle, Fabriken für Maschinen, Posamentierwaren, Zigarren, Zucker, Leder, Dachpappe, Geschäftsbücher, Drahtgewebe, Korbwaren, Dinassteine, Eisenwaren, Mühlsteine, ferner Mühlenbetrieb, Bierbrauerei, Gasleitung, Wasserwerk, lebhaften Handel und mit der Garnison (2 Bataillone des Inf.-Regiments Nr. 51) 17,508 Einw., davon 11,255 Evangelische, 5821 Katholiken und 422 Juden. B. ist Sitz eines Land- und Schwurgerichts (für die sechs Amtsgerichte zu B., Grottkau, Löwen, Ohlau, Strehlen und Wansen). Es ist Geburtsort des Altertumsforschers K. Otfr. Müller. Im 11. Jahrh. erscheint B. als eine Burg, ward 1096 von

^[Abb.: Wappen von Brieg.]