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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Buchdruckerkunst

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Buchdruckerkunst (Mitbewerber der Erfindung).

bar geworden, angewandt hat; daß diese Type aber schon früher zum Druck eines umfangreichen lateinischen Werkes gedient haben mußte, läßt sich aus Pfisters deutschen Drucken erkennen, in denen alle im Lateinischen vorkommende Lettern abgenutzt, aber die nur im Deutschen gebräuchlichen (k, w, z) neu und scharf erscheinen. Pfisters Drucke, soweit sie sich, wo ihnen sein Name nicht beigedruckt ist, wirklich als von ihm angefertigt erkennen lassen, sind bis auf einen einzigen reichlich mit Holzschnitten illustriert; ihr Erzeuger war, ehe er zum Typendruck griff, der in allen eine nur sehr untergeordnete Rolle spielt, jedenfalls seinem Beruf nach Formschneider, Brief- oder Kartendrucker, der, wäre er wirklich nicht ein Schüler Gutenbergs, dessen Erzeugnisse zu Gesicht bekommen und den Nutzen der beweglichen Lettern in der Ausübung seines Berufs erkannt hatte. Der Umstand indes, daß in Bamberg und dessen Nähe mehrere Exemplare der 36zeiligen Bibel entdeckt worden sind, läßt schließen, daß zwischen ihm und Gutenberg wirklich nähere Beziehungen bestanden haben müssen; das Auffinden dieser Bibeln aber sowie die Angabe des Paulus von Prag aus dem Jahr 1463, die zur Erklärung des Worts libripagus für eine Art Encyklopädie bestimmt gewesen zu sein scheint: "daß während seiner Anwesenheit in Bamberg dort ein Mann die ganze Bibel in Holztafeln geschnitten und sie binnen vier Wochen auf Pergament gedruckt habe", sind anderseits als schlagende Beweise für den Druck der 36zeiligen Bibel durch Pfister angesehen werden. Da dieser jedoch eine "Biblia pauperum" (17 Folioblätter mit Holzschnitten) in lateinischer und deutscher Ausgabe druckte, so kann nur diese gemeint sein, denn eine ganze Bibel ist niemals in Holz geschnitten worden; auch wäre es damals nicht möglich gewesen, ein solch umfassendes Werk binnen der genannten kurzen Zeit im Druck herzustellen. Die Werke, welche ein Datum und Pfisters Namen tragen, sind eine zweite Ausgabe von "Boners Edelstein", 1461, überhaupt das erste Buch in deutscher Sprache, welches deutlich Druckort und Druckjahr aufweist, sowie "Das Buch der vier Historien" vom Jahr 1462. Nach diesem Jahr kommen keine Druckwerke mit seinem Namen mehr vor; auch ist sein Todesjahr unbekannt. Wann er in Bamberg zu drucken begonnen, ist ebenfalls nicht festzustellen; da man ihm indes auch auf Grund der Familienähnlichkeit seiner Drucke die "Eyn manug d' cristeheit widd' die Durcke" zuschreibt, diese aber mit Bezug auf die Allgemeingeschichte auf das Jahr 1455 zurückverlegt werden muß, so wird hierdurch in das Dunkel über sein erstes Auftreten keineswegs Klarheit gebracht. Möglich, daß er die "Manung" noch zu Mainz selbst unter Gutenbergs Leitung gedruckt hat; ihr geringer Umfang wie der Mangel aller Holzschnitte in derselben scheinen dafür zu sprechen.

Die Mitbewerbung der Stadt Feltre im Venezianischen um die Ehre der Erfindung der B. für ihren Mitbürger Pamfilo Castaldi wird schwerlich von jemand, der nicht befangen ist von nationalen Vorurteilen, ernst genommen werden; nur der Umstand, daß diese Erfinderfabel weit verbreitet worden ist in Italien und durch das Denkmal, das man dem sogen. Erfinder zu Feltre gesetzt und 24. Sept. 1868 enthüllt hat, von der italienischen Nation gewissermaßen sanktioniert worden ist, nötigt, dieselbe zu erwähnen. Demnach wäre Castaldi von adligen Eltern gegen das Ende des 14. Jahrh. zu Feltre geboren, hätte in Padua studiert, auch der Dichtkunst obgelegen und später die erste italienische Schule in seiner Vaterstadt errichtet, die bald so berühmt wurde, daß sie auch Schüler aus Deutschland für das Studium des Italienischen herbeizog. Unter diesen befand sich der Fabel zufolge 1454 ein gewisser Fausto Comesburgo aus Mainz; von Gutenberg aber hatte Castaldi schon 1442 Druckproben gesehen, und während ersterer die ihm von Fust (dem Fausto Comesburgo!) gegebenen pekuniären Unterstützungen in erfolglosen Versuchen mit Holztafeldrucken verbrauchte, war es ihm, Castaldi, sehr bald gelungen, zweckmäßige bewegliche Typen herzustellen, für welche ihm die zu Murano gefertigten und vom Bischof von Equilo erfundenen Glasbuchstaben zum Muster gedient hatten. Er legte seiner eignen Erfindung aber keinen Wert bei, sondern trat sie an Fust ab, der 1456 nach Mainz zurückkehrte, und dessen Gesellschafter daselbst sich jetzt der Castaldischen Idee mit großem Eifer bemächtigten; der Psalter von 1457 sei ihr erstes, mit beweglichen Typen erzeugtes Werk gewesen; alles, was vorher gedruckt worden, sei von Holztafeln abgezogen. Den Wert dieser ganzen Geschichte charakterisiert wohl am besten die Thatsache, daß auch nicht ein Wort, nicht eine Zeile aufgefunden worden ist, als deren Drucker Castaldi nachzuweisen wäre; hätten ihn die Stäbchen der Glasbläser von Murano wirklich auf den Gedanken geführt, solche Stäbchen mit Typen zu versehen und aus ihnen Worte zu bilden zum nachherigen Abdruck, so hat er solchen eben nicht gemacht, und dies allein würde genügen, ihn jedes Anrechts auf die Erfindung des Buchdrucks verlustig zu machen.

Von größerer Bedeutung für die Geschichte der Erfindung der B., schon weil sie weit allgemeinere Verbreitung und viel zahlreichere Anhänger gefunden als diese Castaldi-Legende, sind die Ansprüche gewesen, welche Holland und speziell Haarlem erhoben hat für einen der Seinigen, Lourens Janszoon Coster (Johanns Sohn, Küster). Zwei Drucker in letzterer Stadt, van Zuren und Coornhert, die daselbst 1561 eine Druckerei gründeten, haben, wahrscheinlich auf vorhandene alte Holztafeldrucke gestützt, zuerst versucht, Haarlem als Ort der Erfindung der B. geltend zu machen; ein Buch, das ersterer zu diesem Behuf geschrieben haben soll, ist indes niemals aufgefunden und nur von Scriver 1628 in seinem "Lavre-Crans voor Lavrens Coster" dem Titel nach erwähnt worden; Coornhert, in der Vorrede der von ihm herausgegebenen "Officia Ciceronis", bezeichnet die Erfindung als "zuerst zu Haarlem, obwohl nur in sehr roher Weise" gemacht, ohne indes einen Erfinder zu nennen; das Gleiche thut der Florentiner Luigi Guicciardini in seiner 1566 zu Antwerpen vollendeten "Descrittione di tutti i paesi bassi". Dieses Werk, das bald (1567-1613) ins Deutsche, Französische, Holländische, Englische und Lateinische übersetzt ward, hat sehr viel beigetragen zur Verbreitung der Ansprüche Haarlems; eine abgerundete, feste Form erhielten diese aber erst durch den Historiographen der Staaten von Holland, den Arzt Hadrian de Jonghe (Junius, gest. 16. Juni 1575), welcher zwischen 1566 und 1568 eine holländische Landesgeschichte unter dem Titel: "Batavia" verfaßte, die 1588 zu Leiden gedruckt wurde. Während seine vorgenannten drei Zeitgenossen sich noch in unsichern Angaben bewegen und keinen Erfinder nennen, hat er seiner Fabel eine bestimmte Form gegeben; nach derselben habe vor 128 Jahren (also 1438, sobald man von dem Jahr, in welchem er seine "Batavia" zu schreiben begann, zurückrechnet, oder 1440, wenn man das Jahr der Vollendung in