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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Buchdruckerkunst

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Buchdruckerkunst (Technik).

New-South-Wales-Advertiser", hervor. Tasmania (Vandiemensland) sah 1818 in seiner Hauptstadt Hobbarttown die erste Buchdruckerei. Seitdem hat die B. in Australien einen außerordentlichen Aufschwung genommen, und namentlich ist die Zeitungspresse, unter welcher sich auch mehrere deutsche Blätter befinden, ungemein entwickelt, und die typographische Ausstattung der letztern steht der der Blätter in England durchaus nicht nach. Neuseeland besitzt zu Wellington, Dunedin und in andern Städten gute Buchdruckereien und zahlreiche Zeitungen; auch die Inseln Hawai (1821), Maui (1836), Tahiti (1818), Neukaledonien, die Fidschiinseln etc. hat Gutenbergs Erfindung erobert und damit ihren Gang um die Welt vollendet, auf welchem sie stets gleichen Schritt hielt und noch hält mit dem Fortschreiten der Zivilisation, deren mächtigster Hebel sie ist.

Aber nicht nur die Fortschritte der Zivilisation, auch deren Rückgang, wenn solcher sich über weite Länderstriche erstreckte, hat sie beeinflußt, und namentlich waren es die traurigen Kriege des 17. Jahrh., welche einen empfindlichen Niedergang der B. ganz besonders in Deutschland veranlaßten. Die Erzeugnisse derselben aus jener Zeit sind der rohesten Art; erst das 18. Jahrh. brachte wieder Besserung, und ein neues Aufleben machte sich fühlbar mit der dritten Jubelfeier der Erfindung 1740, das einerseits gefördert wurde durch den Aufschwung des litterarischen Lebens, anderseits durch das Auftreten tüchtiger Techniker auf dem Gebiet der B., durch das Wiederaufleben des Holzschnittes (s. d.), durch Erfindung der Stereotypie und der Galvanoplastik (s. d.) und in neuester Zeit durch die Photographie (s. d.) mit ihrer unendlich ausgedehnten Anwendung im Buchdruck. Die Erfindung der Schnellpresse (s. d.) durch den Deutschen Fr. König (s. d.) schuf die Möglichkeit zur vollen Ausnutzung aller dieser von der Wissenschaft gewährten Hilfsmittel und zur Befriedigung der Bedürfnisse des durch Eisenbahnen und Telegraphen unendlich gesteigerten geistigen und materiellen Verkehrs, und somit ist die B. in der Gegenwart zu einer Vollkommenheit der Leistungen sowohl in Bezug auf Schnelligkeit als auf Schönheit gelangt, die sie niemals zuvor auch nur annähernd erreicht hat.

II. Technik der Buchdruckerkunst.

Die zum Betrieb der B. erforderlichen Typen oder Lettern zerfallen in Fraktur-, Antiqua- und Kursivschrift (s. d.) nebst den dazu gehörigen Interpunktions- und sonstigen Zeichen (Sternchen, Paragraphen etc.); ihre Verschiedenartigkeit und Reichhaltigkeit ist eine außerordentliche. Man unterscheidet sie nach ihrer Gattung in Brot- und Zierschriften sowie nach ihrer Zeichnung in gotische, Kanzlei-, Grotesk- etc. Schriften (s. Schriftarten und Lettern), ferner ihrem Kegel nach, d. h. nach den Klassen, in welche alle Schriften der Höhe ihres Typenbildes nach eingeteilt sind. Zu den Schriften gehören auch die Ausschließungen, d. h. Metallstückchen ohne Schriftbild und etwa ein Fünftel niedriger als die eigentlichen Typen (Spatien, Viertel-, Drittel-, Halbgevierte, Gevierte, Quadraten); sie dienen zur Trennung der Worte, zum Ausfüllen leerer Zeilen etc. Ähnlichen Zwecken dient der Durchschuß, Metallplättchen von 1-4 typographischen Punkten Stärke und meist 36 und 48 Punkten Breite bei 54 Punkten Höhe, oft aber auch von der ganzen Breite der Zeilen (Regletten). Man durchschießt damit den Zeilensatz, d. h. man legt solche Plättchen zwischen die Zeilen, welche alsdann auseinander gerückt, splendider erscheinen; doch wird der Durchschuß auch bei Herstellung schwierigern Satzes (Tabellen etc.) gebraucht. Jede Type trägt an der Vorderseite (in England und Frankreich an der Rückseite) ihres Körpers eine Einkerbung, die Signatur; sie leitet den Setzer im sofortigen richtigen Erfassen der Type, und da diese Einkerbungen verschieden sind für die verschiedenen, oft aber doch sehr ähnlichen Typengattungen, so erleichtern sie auch deren Unterscheidung. (Ein Durcheinander von Typen verschiedener Schriftgattungen oder auch verschiedener Typen einer und derselben Gattung wird als "Zwiebelfische" bezeichnet.)

Die für Werk- und Zeitungssatz bestimmten Typen liegen in hölzernen Setzkasten mit etwa 110 Fächern für deutschen und 160 für Antiquasatz, d. h. Lateinisch, Englisch, Französisch etc.; die größere Fächerzahl wird bedingt durch Accentbuchstaben und Kapitälchen (s. d.). Die orientalischen Sprachen und der Satz von Musiknoten erfordern Kasten mit noch weit bedeutenderer Fächerzahl. Die Größe der Fächer ist dem mehr oder minder häufigen Vorkommen der Buchstaben angepaßt, auch richtet sich hiernach deren Lage behufs höchstmöglicher Handlichkeit. Der Setzkasten ruht etwa in Brusthöhe auf einem pultartigen Gestell (Regal), das mit Fächern zum Einschieben der Kasten versehen ist. Vor dem Regal steht der Schriftsetzer (Setzer), in der linken Hand den Winkelhaken aus Metall (früher oft aus Holz und mit Metall ausgelegt) haltend, der eine Art nach zwei Seiten offenes, flaches Kästchen mit verstellbarer linker Seitenwand bildet, in welches der Setzer mit der rechten Hand die Typen aus den Fächern des Kastens führt und zu Zeilen zusammenstellt. Das Manuskript (so wird die Vorlage genannt, wäre sie auch schon gedruckt) ist meist auf einem Holz- oder Metallstab (Tenakel) vermittelst einer Art Gabel (Divisorium) festgehalten und in bequemer Sehweite auf dem Setzkasten aufgesteckt. Ist eine Zeile gefüllt, so muß sie ausgeschlossen werden, d. h. sie muß die genau dem jeweiligen Format entsprechende Breite erhalten und mäßig fest im Winkelhaken sitzen, was entweder durch Verengerung der Wortzwischenräume erreicht wird, um überschießende Wortteile noch in den Raum der Zeile zu bringen, oder die Zwischenräume werden durch Hinzufügen von Ausschließungen verbreitert behufs Abschlusses mit einem Wort oder einer Silbe. Von der Regelmäßigkeit und Sorgfalt, mit welcher diese Arbeit ausgeführt wird, hängt das gute Aussehen des Satzes im Druck wesentlich ab. Ist die Zeile vollendet, so wird die dünne Platte aus glattem Metall, die Setzlinie, welche ihr bisher als Unterlage diente, darunter hervorgezogen und darübergelegt und mit dem Setzen so lange fortgefahren, bis der Winkelhaken mit Zeilen gefüllt ist. Diese werden dann sämtlich auf einmal mit einem geschickten Handgriff auf ein Schiff gehoben, d. h. auf ein auf zwei oder drei Seiten mit einem erhabenen Rand versehenes winkelrechtes Brettchen, resp. Zinkplatte, bis die zur Bildung einer Spalte oder Seite (Kolumne) oder auch eines Pakets nötige Zeilenzahl erreicht ist. Setzt der Setzer in Seiten, so hat er diese auch mit einem Kolumnentitel zu versehen, der ein toter genannt wird, wenn er nur aus der Seitenzahl besteht, oder ein lebender, sobald er ein Stichwort oder eine kurze Angabe des Seiteninhalts enthält; auf ihren Fuß aber legt er zur Erzielung sicherern Halts einen Unterschlag, bestehend aus Quadraten oder seitenbreiten Metallklötzchen, und umwindet das Ganze dann mit einem festen Bindfaden, der Kolumnenschnur. Ist der Satz gut ausgeführt, so muß