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Buchhandel (Geschäftsbetrieb des deutschen Buchhandels).
Verlagsunternehmen entschieden hat, so schließt er nötigenfalls mit dem Autor ein Übereinkommen (Verlagsvertrag, Verlagskontrakt), gewöhnlich schriftlich, ab. In demselben sind der Betrag des Honorars, die Zahlungstermine, die Größe der Auflage, oft auch Format, Druck und äußere Ausstattung, die Zeit des Erscheinens und die Bedingungen angeführt, unter welchen der Verleger auch für die möglichen künftigen Auflagen des Buches das Verlagsrecht erwerben soll (s. Auflage). Zuweilen trägt auch der Schriftsteller einen Teil der Kosten, oder er läßt sein Werk ganz auf eigne Kosten drucken und gibt es dem Buchhändler gegen eine verhältnismäßige Provision zum Vertrieb in Kommission (Kommissionsverlag). Endlich kann auch der Autor das Werk, dessen Herstellung er auf eigne Kosten besorgte, in Selbstverlag und Selbstvertrieb nehmen, was aber höchstens etwa bei Schriften von bloßem Lokalinteresse, die einen engen Kreis für ihren Debit haben, zweckmäßig sein kann. Nach Vollendung des Werks erfolgt gewöhnlich der Versand als Novität (Neuigkeit) an die Sortimentsbuchhändler. Zu den Vertriebsmitteln des Verlegers gehören namentlich Annoncen in öffentlichen Blättern oder Fachzeitschriften, Prospekte, Plakate und Probehefte, letztere namentlich behufs Sammlung von Subskriptionen (Unterzeichnungen zum Ankauf), einer zum Vertrieb von den in Lieferungen erscheinenden Werken sehr beliebten Usance; letzteres geschieht meist durch besondere Reisende und wird namentlich von einer Anzahl von Verlagshandlungen, welche den Verlag populärer oder populär-wissenschaftlicher Litteratur kultivieren, geübt, indem diese für die Ausführung der durch Reisende gewonnenen Subskriptionen sich entweder der Vermittelung des Sortimentsbuchhandels oder eigens dafür etablierte Expeditionen oder Agenturen bedienen. Nachbestellungen wie andre Bestellungen macht der Sortimentsbuchhändler meist durch offene "Verlangzettel", die den Weg über Leipzig und durch die dortigen Kommissionäre zum Verleger nehmen. Diese Verlangzettel wie auch Prospekte, Rechnungspapiere etc. werden beim Eintreten in Leipzig (und Berlin) auf die Bestellanstalt für Buchhändlerpapiere (Privatposten der betreffenden Korporationen) eingeliefert, welche sie sortiert und den betreffenden Kommissionären der Adressaten zustellt. Die Nachbestellungen geschehen entweder "à condition", d. h. mit dem Beding, den unabgesetzten Teil der Bestellung wieder "remittieren" (an den Verleger zurückgeben) zu dürfen, oder "für feste Rechnung", welcher Ausdruck den Willen des Bestellers kundthut, das Bestellte unbedingt zu behalten. Den Erfolg des Unternehmens lernt der Verleger im allgemeinen oft erst nach Jahren kennen; denn fast immer wird zu der nächsten Buchhändlermesse in Leipzig (Ostermesse jeden Jahrs) und zu andern Zeiten ein mehr oder minder großer Teil der versandten Exemplare als unverkauft wieder zurückkommen oder als Disponenden (unverkaufte und nicht zahlbare Ware) in den Magazinen der Sortimentsbuchhandlungen zum Verkauf zurückbleiben, und erst nachdem er letztere überall eingerufen und von allerwärts zurückempfangen hat, ist der Verleger im stande, ein festes Geschäftsresultat zu ermitteln. Es gibt natürlich auch andre Geschäftsweisen: Absehen von Novasendungen, Lieferung nur in fester Rechnung etc.; das richtet sich nach der Natur des betreffenden Geschäfts. Die meisten Verlagsbuchhandlungen geben Verzeichnisse ihrer Verlagsartikel (Verlagskataloge) aus, die sie von Zeit zu Zeit erneuern. Der übliche Kredit, den der deutsche Verlagsbuchhändler den soliden Sortimentsbuchhändler gewährt, erstreckt sich darauf, daß alles, was zwischen 1. Jan. und 31. Dez. verlangt und gesandt wird, in der nächsten Leipziger Ostermesse oder überhaupt zur Zeit des nächsten Abrechnungstermins zur "Abrechnung" kommen oder saldiert werden soll. Für seine Bemühungen und als Ersatz der durch den Geschäftsbetrieb unvermeidlich entstehenden, nicht unbeträchtlichen Spesen erhält der Sortimenter von dem Verleger einen bestimmten Rabatt.
Die Zahl der mit Leipzig in regelmäßiger Verbindung stehenden Buchhandlungen (einschließlich der in Leipzig domizilierenden) betrug:
im Jahr 1791 1840 1873 Anfang 1885
413 1415 3983 6304 Buchhandlungen
in 146 402 1067 1473 Orten.
Davon befanden sich
im Jahr 1791 1840 1873 Anfang 1885
in Leipzig 50 117 292 514 Buchhandlungen
in Berlin 30 104 444 598 Buchhandlungen
in Wien 21 42 116 175 Buchhandlungen
in Stuttgart 3 30 98 109 Buchhandlungen
Außerdem gibt es noch eine nicht unbeträchtliche Zahl solcher Buchhandlungen, welche in Leipzig keinen Kommissionär haben, weil ihr Verkehr nicht bedeutend genug ist, die daher ihren Bedarf meist aus zweiter Hand beziehen.
Einen Überblick der litterarischen Produktion Deutschlands, soweit solche in den regelmäßigen buchhändlerischen Verkehr gelangt, geben folgende Zahlen. Es erschienen:
1570 1600 1618 1650 1700 1750 1800 1840 1873 1884
299 791 1293 725 951 1219 3335 6904 11,050 15,607 Werke.
Die in den einzelnen Jahren erschienenen Werke verteilen sich auf die verschiedenen Litteraturzweige nach Prozenten der Gesamtproduktion folgendermaßen:
1570 1600 1618 1650 1700 1750
Theologie 46,3 42,0 49,1 41,5 44,0 28,8
Jurisprudenz 13,5 15,7 8,5 7,4 8,7 8,2
Medizin 4,8 4,8 4,8 5,9 6,4 8,5
Geschichtswissenschaften 11,0 11,6 10,3 20,0 16,1 16,2
Philosoph. Wissenschaften 16,6 18,7 21,7 17,0 20,1 26,8
Schönwissenschaftliche Litt. 3,8 3,9 3,7 5,2 2,9 8,7
Musik 4,0 3,3 1,9 3,0 1,8 2,8
ferner in den Jahren:
1800 1840 1873 1884
Sammelwerke, Litteraturwissenschaft 2,2 2,9 2,3 2,8
Theologie 10,5 18,1 10,5 9,4
Jurisprudenz, Staatswissenschaft, Politik 7,0 5,8 8,8 9,6
Medizin, Tierheilkunde, Pharmazie 8,2 7,0 5,0 6,0
Naturwissenschaften 4,6 4,5 5,1 5,4
Philosophie 3,4 1,0 1,4 1,0
Pädagogik, Jugendschriften, Lehrmittel 8,1 8,6 16,4 15,6
Philologie und Altertumskunde 3,5 4,3 3,8 4,0
Neuere Sprachen und Altdeutsch 3,1 4,0 3,4 3,2
Geschichte, Geographie etc. 9,7 11,6 10,1 10,1
Mathematik, Astronomie 2,0 1,3 1,6 1,4
Kriegswissenschaft und Pferdekunde 1,8 1,5 2,7 2,5
Handelswissenschaft 1,4 1,0 2,1 4,5
Technologische Wissenschaften 2,7 5,4 5,0 2,7
Forst- und Jagdwissenschaft 1,1 0,6 0,8 0,7
Haus- und Landwirtschaft, Gartenbau 4,1 3,1 2,6 2,5
Schönwissenschaftliche Litteratur 18,4 11,9 7,8 8,4
Bildende Künste (ausschließl. Architektur) 1,7 2,3 1,7 3,9
Musik 0,3 0,7 1,1 3,9
Volksschriften und vermischte Schriften 6,2 4,4 7,8 6,3
Über die buchhändlerischen bibliographischen Hilfsmittel vgl. Bibliographie.