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Cremona - Cren.
diktatur unterstützte er die Kandidatur Ludwig Napoleons gegen Cavaignac, trat aber nach der Wahl doch auf die Seite der Opposition. Beim Staatsstreich vom 2. Dez. wurde er verhaftet und saß kurze Zeit in Mazas. Nach seiner Freilassung lebte er ganz seiner advokatorischen Praxis. Erst 1869 trat er wieder in die politische Thätigkeit, indem er in Paris zum Deputierten gewählt wurde, und als solcher trat er auch 4. Sept. 1870 in die Regierung der nationalen Verteidigung ein. Er war zunächst Justizminister, begab sich aber 12. Sept. zur Delegation nach Tours. Nach der Ankunft Gambettas in Tours unterwarf er sich sowie die beiden andern Delegierten, Fourichon und Glais-Bizoin, vollständig dessen Diktatur, unterzeichnete die berüchtigte Proskriptionsliste vom 31. Jan. 1871, wandte sich erst 6. Febr., als die Pariser Regierung energisch auftrat, von jenem ab und reichte 10. Febr. seine Entlassung ein, welche angenommen wurde (vgl. seine Schrift "Gouvernement de la défense nationale, actes de la délegation de Tours et de Bordeaux, ministère de la justice", Tours 1871, 2 Bde.). Erst 1872 wurde er in Algier, wo er sich um die Juden verdient gemacht hatte, in die Nationalversammlung und 1876 in den Senat gewählt. Er starb 10. Febr. 1880. Ein gewandter Redner, human, freisinnig, mild und versöhnlich, war C. doch kein Staatsmann; dazu fehlten ihm Scharfblick und Selbständigkeit. C. war Mitglied des israelitischen Zentralkonsistoriums in Paris und Begründer der "Alliance Israélite universelle". Aus seinem Nachlaß erschienen: "Discours et plaidoyers" (1880).
Cremōna, ital. Provinz in der Lombardei, umfaßt die von der Adda, dem Oglio und dem Po umschlossene Ebene, nördlich von den Provinzen Bergamo und Brescia, westlich von Mailand, südlich von Piacenza, Parma und Reggio, östlich von Mantua begrenzt, und hat ein Areal von 1637 qkm (nach Strelbitskys Berechnung 1778 qkm = 32,3 QM.) mit einer Bevölkerung von (1881) 302,138 Seelen. Das Land, außer den genannten Flüssen noch vom Serio und mehreren Kanälen bewässert, hat äußerst fruchtbaren, gut angebauten Boden. Man erntet hauptsächlich Getreide (besonders Weizen), Mais, Reis, ausgezeichneten Flachs, Wein, Seide etc.; zur Ausfuhr kommen: Getreide, Flachs, Seide und Wein. Sehr stark ist die Rindvieh- und die Schweinezucht, demnächst die Pferdezucht. Schafe, Esel und Maulesel gibt es wenig. Die Industrie ist nur in der Seidenbereitung von einiger Bedeutung. Eingeteilt ist die Provinz in drei Kreise: C., Crema und Casalmaggiore. - Die gleichnamige Hauptstadt liegt links am Po (die letzte größere Stadt an demselben), über den eine bedeckte Schiffbrücke führt, ist ein Knotenpunkt des lombardischen Eisenbahnnetzes und hat 5½ km im Umfang. Die Stadt ist von alten Ringmauern mit vier Thoren umgeben und wird von zwei überdeckten Kanälen, Cremonella und Marchisana, durchschnitten. Die Straßen und Plätze sind unregelmäßig, aber geräumig; fast alle Gebäude bestehen aus Backstein. Unter den öffentlichen Gebäuden zeichnet sich besonders der Dom (1107-90 erbaut, das Chor erst 1479 vollendet) aus, dessen Gewölbe auf 40 Marmorsäulen ruht, und der im Innern mit seinen drei Schiffen eine Länge von 74 m hat. Zahlreiche Gemälde von Meistern der Cremoneser Malerschule wie auch von Pordenone schmücken den Tempel. Frei daneben steht ein gotischer, 121 m hoher Glockenturm, der berühmte Torrazzo, der (1283-88 erbaut) aus einem unten viereckigen, oben achteckigen Turm besteht und einer der höchsten und schönsten von ganz Italien ist ("Unus Petrus est in Roma, una Turris in Cremona, unus Portus in Ancona"). Rechts vom Dom befindet sich das Battisterio (1167 begonnen), ein Achteck von 19 m bildend. Andre namhafte Gebäude sind die Kirchen Sant' Agostino, San Pietro und der gotische Palazzo pubblico (von 1245) mit berühmtem Marmorkamin (von Pedoni, 1502). Die Stadt zählt (1881) 29,041, mit den Vorstädten (Corpi Santi) 31,083 Einw., welche Seiden-, Baumwoll- und Tuchweberei, Fabrikation von Darmsaiten, Musikinstrumenten, Konfitüren (torrone), Senf etc. betreiben. Besonders berühmt waren ehedem mit Recht die Cremoneser Geigen (von Amati, Guarneri, Stradivarius etc.). Auch der Handel mit Getreide, Flachs, Käse etc. ist ansehnlich. C. hat ein Seminar, ein Lyceum, ein Gymnasium, ein Gewerbeinstitut, eine technische Schule, eine berühmte Gesangschule, zwei Theater, eine Bibliothek von 35,000 Bänden, eine Handelskammer und ist Sitz eines Bischofs und der Provinzialbehörden. - C. ward 219 v. Chr. als römische Kolonie im Insubrergebiet erbaut und mit starken Türmen und Mauern versehen. Durch ihre dem Handel höchst günstige Lage gedieh die Stadt zu großem Reichtum, von welchem prächtige Paläste und ein großes und berühmtes Amphitheater Zeugnis gaben. 70 n. Chr. legten sie Vespasians Soldaten wegen ihrer Anhänglichkeit an Vitellius in Asche und zerstörten sie von Grund aus. Vespasian beförderte zwar den Aufbau wieder, doch ward sie 540 von den Goten abermals verwüstet und erlangte erst im 12. Jahrh. unter Kaiser Friedrich I. wieder Bedeutung. Später stand C. unter venezianischer, am längsten unter mailändischer Botmäßigkeit. Im 16. Jahrh. blühte in C. eine eigne Malerschule, welche sich besonders nach Giulio Romano und Romanino bildete und sehr zahlreiche Werke in den Kirchen der Stadt hinterlassen hat. 1648 ward C. von den Modenesen lange vergebens belagert, dagegen 1733 von den Franzosen genommen, mußte indessen 1736 den Kaiserlichen wieder überlassen werden, die es mit der Lombardei vereinigten.
Cremōna, Luigi, Mathematiker, geb. 7. Dez. 1830 zu Pavia, kämpfte im italienischen Unabhängigkeitskrieg 1848-49, studierte dann Mathematik in Pavia, wurde Lehrer in Cremona, Mailand, dozierte an der Universität zu Bologna und am technischen Institut in Mailand und wurde 1873 als Professor der höhern Mathematik und Direktor des Polytechnikums nach Rom berufen, auch zum Senator ernannt. Er schrieb: "Le figure reciproche nella statica grafica" (3. Aufl., Mail. 1879), "Elementi di geometria projettiva" (Turin 1873), "Elementi di calcolo grafico" (das. 1874; deutsch von Curtze, Leipz. 1875) und gab mit Beltrami "Collectanea mathematica" (Mail. 1881) heraus.
Cremor tartări (lat., "Weinsteinrahm"), s. v. w. gereinigter Weinstein; s. Weinstein.
Cremutius Cordus, röm. Historiker, im 1. Jahrh. n. Chr., bekannt durch die furchtlose Freimütigkeit, mit welcher er das Ende der Republik und die Gründung der Monarchie beschrieb. Da er darin den Brutus gelobt und Cassius den letzten Römer genannt hatte, so wurde er von zwei Klienten Sejans im Senat angeklagt und starb freiwillig den Hungertod (25 n. Chr.). Seine Schriften wurden von Staats wegen verbrannt, doch durch seine Tochter Marcia gerettet. Caligula gestattete wieder, sie zu lesen. Auf unsre Zeit sind sie nicht gelangt. Vgl. Rathlef, De Cremutio Cordo (Dorp. 1861).
Cren, Volksstamm, s. Botokuden.
^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]