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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dampfgeschütz; Dampfgummi; Dampfhammer; Dampfheizung; Dämpfigkeit der Pferde; Dampfjacke; Dampfkanone; Dampfkessel

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Dampfgeschütz - Dampfkessel.

Dampfgeschütz. Die Verwandtschaft der Expansionskraft des verbrennenden Schießpulvers mit derjenigen eingeschlossener Wasserdämpfe hat bald nach Erfindung der Dampfmaschinen zu dem Versuch geführt, Wasserdämpfe zum Forttreiben von Geschossen aus Flinten- und Kanonenläufen zu verwenden. 1745 (?) soll bereits eine Dampfkanone in London existiert haben. 1805 unternahm James Watt derartige Versuche, General Chasseloup machte weitere Vorschläge, Girard baute 1814 mehrere sechsläufige Dampfbatterien zur Verteidigung von Paris, welche angeblich 900 Schüsse in der Minute abgeben konnten und 1815 hinter den Wällen placiert wurden, ohne indes praktische Verwendung zu finden. 1823 nahm der amerikanische Ingenieur Perkins Girards Idee wieder auf und konstruierte eine Dampfflinte und ein vierpfündige Kugeln schießendes D., welches 1835 in London, wo der Erfinder es ausstellte, großes Aufsehen erregte. In neuerer Zeit hat Bessemer eine Dampfschießmaschine vorgeschlagen, aus der er in einer Minute mehrere Tausend Gewehrkugeln mit 380 m Geschwindigkeit feuern wollte. Bis jetzt waren alle derartige Versuche ohne Erfolg, weil es der Technik noch nicht gelang, Dampf von hoher Spannung (von mindestens 100 Atmosphären) in genügender Menge zu entwickeln und zuzuleiten.

Dampfgummi, s. Dextrin.

Dampfhammer, s. Hammer.

Dampfheizung, s. Heizung.

Dämpfigkeit der Pferde (Dampf, Hartschlägigkeit [hart, niedersächs. "Herz"], Herzschlag, Herzschlägigkeit, Herz- oder Heuschlechtigkeit, Engbrüstigkeit, Asthma), jede dauernde, fieberlose Atembeschwerde der Pferde, die sich dadurch äußert, daß das Atmen bei Anstrengungen, beim Laufen oder schweren Ziehen, übermäßig beschleunigt wird und sich nach der Anstrengung nur sehr langsam wieder beruhigt. Die D. wird durch chronische Lungenfehler (Lungendämpfigkeit), durch Herzfehler (Herzdämpfigkeit) oder durch Lähmungen der Muskeln und Verengerung in den obern Luftwegen (Hartschnaufigkeit, Kehlkopfspfeifen, s. d.) bedingt. Jede von diesen verschiedenen Arten der D. wird von besondern Symptomen begleitet. Beim Kehlkopfspfeifen bildet sich im Moment der Inspiration ein pfeifendes Geräusch. Pferde, die an Lungendämpfigkeit leiden, zeigen nach der Bewegung zuweilen Ausfluß von wässerigem Schleim aus der Nase (feuchter Dampf); in andern Fällen fehlt dieser Ausfluß (trockner Dampf). Im ausgeruhten Zustand atmen die dämpfigen Pferde gewöhnlich nicht beschleunigt. Bei der Lungendämpfigkeit besteht oft ein matter und dumpfer, zuweilen auch ein scharfer Husten. Als Ursache der Lungen- und Herzdämpfigkeit ist am meisten die anstrengende Arbeitsleistung der Pferde anzusehen. Daneben wirkt die Fütterung großer Quantitäten Heu, besonders von verdorbenem (verschimmeltem) Heu, nachteilig. Dem Kehlkopfspfeifen liegt in vielen Fällen eine erbliche Anlage zu Grunde, welche sich häufig bei der Zucht des englischen Vollblut-Rennpferdes geltend macht. Die D. ist in der Regel unheilbar und gilt, da sie den Wert der Pferde erheblich beeinträchtigt, in allen europäischen Staaten als Gewährsmangel (s. d.).

Dampfjacke, s. v. w. Dampfmantel.

Dampfkanone, s. v. w. Dampfgeschütz.

Dampfkessel (hierzu Tafeln "Dampfkessel I u. II"), Apparate, in welchen Wasserdampf zum Betrieb von Dampfmaschinen oder zum Heizen, Sieden und Abdampfen erzeugt wird, sollen bei gehöriger Explosionssicherheit die größtmögliche Dampfmenge mit möglichst wenig Brennmaterial erzeugen, Bedingungen, deren Erfüllung von zweckmäßigem Material, Form und Dimensionen sowie verschiedenen Hilfsapparaten abhängig ist. Das gebräuchlichste Material der D., gewalztes Eisenblech, wird nur ausnahmsweise (Feuerbuchsen) durch das dauerhaftere, aber erheblich teurere Kupfer- oder neuerdings versuchsweise durch das wegen größerer Festigkeit zwar dünner anzuwendende (Brennmaterialersparnis), aber dennoch kostspieligere und stellenweise ungleich harte Stahlblech ersetzt. Das starke, die Wärmeleitung verringernde Wandungen voraussetzende Gußeisen darf wegen seiner Sprödigkeit nur zu kleinen Kesseln und Kesselteilen verwendet werden. Die einzelnen Blechplatten werden durch Nietung (neuerdings auch zuweilen Schweißung) verbunden. Obgleich die Wärmeausnutzung möglichst dünne Wandungen wünschenswert macht, so muß ihre Dicke doch so groß sein, daß sie dem zuweilen sehr bedeutenden Dampfdruck (bis 10 Atmosphären) mit Sicherheit Widerstand leisten. Die Stärke der Wände ist bei gegebenem Material abhängig von Form und Dimensionen des Kessels sowie von der Höhe des Dampfdrucks.

Zu jedem D. gehört eine Feuerungsanlage, bestehend aus Feuerraum (Herd) und den Feuer- oder Rauchkanälen, in welchen die Feuergase um den Kessel herumziehen, um dann in den Schornstein oder die Esse zu gelangen. (Nur in den Fällen, wo man die abziehenden Verbrennungsgase eines Ofens, z. B. des Puddelofens, zur Dampfkesselfeuerung benutzt, ist ein besonderer Feuerraum am Kessel nicht vorhanden.) Die Feuerungsanlage eines Dampfkessels muß so beschaffen sein, daß eine möglichst vollkommene Verbrennung des Brennmaterials (Holz, Kohle, Torf, Stroh oder Gas) herbeigeführt wird; es muß daher dafür gesorgt sein, daß die nötige Luftmenge in den Feuerraum einströmt, um das Brennmaterial möglichst vollständig in die Endprodukte der Verbrennung, d. h. in Kohlensäure und Wasserdampf, überzuführen. Durchschnittlich sind für 1 kg Holz oder Torf 10 kg = 7,7 cbm, für 1 kg Braunkohle 12 kg = 9,2 cbm, für 1 kg Steinkohle 22 kg = 17,0 cbm und für 1 kg Holzkohle oder Koks 24 kg = 18,5 cbm Luft erforderlich. Über die zweckmäßigen Formen und Details der Dampfkesselfeuerungen s. Feuerungsanlagen. Ebenso wichtig wie die Erzeugung einer möglichst großen Wärmemenge aus dem Brennmaterial ist auch die möglichst vollkommene Abgabe dieser Wärme an das im D. vorhandene Wasser, welche nur durch eine gehörig große Heizfläche zu erreichen ist. Heizfläche heißt der von den Feuergasen bestrichene Teil der Kesseloberfläche, und zwar unterscheidet man dabei die direkte Heizfläche, d. h. diejenige, welche die Umgebung des Feuerraums bildet und von der strahlenden Wärme des Feuers getroffen wird, von der indirekten Heizfläche, welche ihre Wärme nur durch die Berührung mit den Feuergasen erhält (1 qm der ersten wirkt auf die Wasserverdampfung ca. dreimal so stark als 1 qm der letztern). Es können bei Anwendung mittelguter Steinkohle pro QMeter Heizfläche 15-20 kg Wasser stündlich verdampft werden, jedoch ist es für die Wärmeausnutzung besser, pro QMeter eine geringere stündliche Verdampfung anzunehmen (etwa nur 10-15 kg pro QMeter Heizfläche), also die Heizfläche des Kessels etwas größer zu machen, als für die erforderliche Dampfmenge unumgänglich nötig ist. Speziell bei Dampfkesseln für Dampfmaschinen rechnet man durchschnittlich pro Pferdekraft 1,5 qm Heizfläche. Nach der Größe der Heizfläche bemißt man die