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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dänemark

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Dänemark (Geschichte: 19. Jahrhundert).

Oberbefehl zu stellen versprach. Auf dem Wiener Kongreß, dem König Friedrich VI. persönlich beiwohnte, erhielt D. für Schwedisch-Pommern von Preußen Lauenburg nebst 1 Mill. Thlr.; dieses neue Herzogtum wurde in den wesentlichsten Beziehungen mit Holstein vereinigt und so in den Deutschen Bund aufgenommen.

Vom Wiener Kongreß bis zum Londoner Protokoll.

Das Ergebnis der dänischen Politik während der Revolutionskriege, namentlich der Verlust des vier Jahrhunderte mit D. verbundenen Norwegen, wurde vom dänischen Volk bitter und schmerzlich empfunden; denn dasselbe sah sich jetzt unter den Staaten Europas zu einer bedeutungslosen Macht dritten Ranges herabgedrückt. Um so stärker machte sich nun die nationale Reaktion gegen das Ausland, namentlich gegen das Deutschtum, bemerkbar, welche durch Struensees schroffes Vorgehen geweckt und durch die kriegerischen Ereignisse der letzten Jahrzehnte gesteigert worden war. Während bisher Hof und Adel mehr deutsch als dänisch gewesen waren und das eigentliche D. weniger für das Hauptland als für einen Annex der deutschen Herzogtümer hatte gelten können, suchten die Dänen nun durch eine entschiedene Hervorkehrung ihrer Nationalität, durch die Schöpfung einer nationalen Kunst und Litteratur und durch innere Reformen die Verluste gutzumachen, welche D. an äußerer Macht erlitten hatte. Durch die Kriegslasten, die langjährige Handelsstockung und schlechte Finanzwirtschaft war der öffentliche wie der Privatwohlstand untergraben. Die Staatsschuld war in den Jahren 1800-14 von 28 auf 100 Mill. Thlr., die Zettelschuld (unfundiertes Papiergeld) auf 142 Mill. gestiegen. Durch eintretenden partiellen Staatsbankrott ward das Papiergeld völlig entwertet. Die Regierung belegte zwar alles Grundeigentum mit einer Abgabe von 6 Proz. des Wertes, doch ward dadurch der finanziellen Bedrängnis nicht abgeholfen, und Ende 1816 belief sich die Staatsschuld noch auf 116½ Mill. Reichsbankthaler. Zwar gelang es selbst Möstings weiser Verwaltung nicht völlig, die Ausgaben mit den Einnahmen in ein angemessenes Verhältnis zu bringen; doch konnte man wenigstens allmählich die Zinsen für die Staatsschuld regelmäßig zahlen, der Kredit hob sich wieder, und eine neue Flotte wurde hergestellt. Neue Häfen wurden zu Frederikshavn und Helsingör angelegt und auch sonst viel für den Handel, die innere Verwaltung des Staats, besonders für die Justiz, gethan. Das Unterrichtswesen ward verbessert, jedes wissenschaftliche Bestreben begünstigt. Zu gleicher Zeit wurde das Verlangen nach einer konstitutionellen Verfassung laut, namentlich nach der französischen Julirevolution 1830. Indessen alles, was nach längern Verhandlungen zuletzt erreicht wurde, waren die Gesetze vom 28. Mai 1831 und vom 15. Mai 1834, in welchen die ständischen Verhältnisse reguliert wurden. Die Inseln, Jütland, Schleswig, Holstein nebst Lauenburg erhielten Provinzialstände nach dem Muster der preußischen, jede Provinz für sich, und der König versprach, die Entwürfe allgemeiner Gesetze, welche Personen- und Eigentumsrechte, Kommunalangelegenheiten und Lasten beträfen, den Ständen zur Beratung vorlegen und Anträge und Beschwerden von ihnen annehmen zu wollen. Die Stände für die Inseln versammelten sich in Roeskilde, die für Jütland in Viborg, die für Holstein in Itzehoe, die für Schleswig in Schleswig. Zugleich erfolgte eine Trennung der Justiz von der Administration, jedoch nur in den höhern Instanzen. Schleswig und Holstein erhielten eine besondere Provinzialregierung.

Alle diese Anordnungen wurden von dem Volk mit geringer Teilnahme aufgenommen; der intelligentere Teil erkannte wohl, daß in denselben für die höhere Entwickelung der bürgerlichen und politischen Freiheit keine Garantie gegeben war. Jedoch betrachtete man sie als eine Abschlagszahlung und nahm in den Ständeversammlungen erwünschten Anlaß, um die vielfachen Mißstände in Regierung und Verwaltung, besonders auf finanziellem Gebiet, aufzudecken. Als nach Friedrichs VI. Tod (3. Dez. 1839) sein Vetter Christian VIII. (1839-48) den Thron bestieg, wurde die Opposition des liberalen Teils der Bevölkerung heftiger. Man hegte große Erwartungen von diesem König, der eine nicht unbedeutende politische Laufbahn durchgemacht hatte, ein Mann von Geist und Einsicht war und bereits vielfach Beweise seiner liberalen Gesinnung an den Tag gelegt hatte. Diese Hoffnungen wurden jedoch bald durch einen "offenen Brief" des Königs an alle seine Länder, der zwar Verbesserungen in der Verwaltung versprach, doch die Verfassung durchaus nicht berührte, enttäuscht. Die durch die Unzufriedenheit hierüber gesteigerte liberale Agitation vereinigte sich nun besonders in den gebildeten Kreisen der Hauptstadt mit den nationalen Bestrebungen. Besuche der schwedischen Studenten in Kopenhagen, der dänischen und norwegischen in Stockholm und Upsala schienen eine Verbindung der drei Völker anbahnen zu wollen und belebten die Ideen des Skandinavismus von neuem. Man sprach schon von der Wiederherstellung der Kalmarischen Union für den nicht unwahrscheinlichen Fall des Aussterbens des Königshauses. Einstweilen war die Partei der Nationalliberalen (oder Eiderdänen) namentlich bemüht, Schleswig, das man für ein dänisches Land ansah, und dessen vertragsmäßige Unteilbarkeit von Holstein man nicht anerkennen wollte, enger mit D. zu verbinden.

Eine ähnliche Bewegung, nur mit entgegengesetztem Ziel, bereitete sich in den Herzogtümern vor. Auch hier wünschte man eine Erweiterung der ständischen Rechte. Dann aber wurde man sich hier ebenfalls der nationalen Zusammengehörigkeit mit Deutschland bewußt und begann, den Zusammenhang mit D. als eine Fremdherrschaft anzusehen. Besonders das Bündnis Dänemarks mit dem Unterdrücker des deutschen Volkes, Napoleon I., hatte in Schleswig-Holstein den nationalen Gegensatz geschärft. Während die Dänen Schleswig danisieren wollten, suchten die Schleswig-Holsteiner in Schleswig die deutsche Sprache zur alleinigen für die höhere Verwaltung, die Justiz und den höhern Unterricht zu machen. Auch hier hoffte man endlich für den Fall des Aussterbens der dänischen Königsfamilie im Mannesstamm auf die völlige Trennung von D. Zwischen diesen entgegengesetzten Bestrebungen, welche sich immer heftiger bekämpften, standen das Königtum und die höhere Büreaukratie, in welcher der dänisch gesinnte schleswig-holsteinische Adel zahlreich vertreten war. Diese wünschten vor allem die Erhaltung des dänischen Gesamtstaats, und ihre Aufgabe wäre es also gewesen, durch schonende Mäßigung und durch ausgleichende Gerechtigkeit die streitenden Parteien zu versöhnen, die nationalen Gegensätze zu mildern und die D. und den Herzogtümern gemeinsamen Interessen zu betonen und zu pflegen. Namentlich würde eine rechtzeitige Befriedigung der liberalen Wünsche wesentlich dazu beigetragen haben. Dies versäumte Christian VIII. Ja, er rief durch den "offenen Brief" vom 8. Juli 1846, in dem er die dänische weibliche Erbfolge auch für die Herzogtümer