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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dänemark

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Dänemark (Geschichte: neuere Zeit).

Dagegen gelang es dem König, durch Vertrag mit den näher berechtigten Erben die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst, wo die regierende Linie 1667 ausgestorben war, an sein Haus zu bringen. Friedrich IV. (1699-1730) erleichterte die Lage der Bauern und hob 1702 die Leibeigenschaft auf. Doch blieb die Haftbarkeit der Bauern an der Scholle bestehen, und die neueingerichtete Landmiliz beruhte wesentlich auf dieser Grundlage. Handel und Industrie wurden befördert, die Post in staatliche Verwaltung genommen, der Volksunterricht auf dem flachen Land begründet. Die Finanzen wurden in gute Ordnung gebracht. Am Nordischen Krieg als Gegner Karls XII. von Schweden sich beteiligend, kämpfte Friedrich unglücklich und mußte im Frieden zu Travendal (1700) alle frühern Verträge bestätigen und die Souveränität des Herzogs von Holstein-Gottorp ausdrücklich anerkennen. Nach Karls Niederlage nahm er den Kampf wieder auf und brach in Schonen ein, erlitt aber 1710 eine vollständige Niederlage bei Helsingborg, worauf der Krieg unentschieden fortdauerte und erst durch den Frieden zu Frederiksborg 1720 beendet wurde, in dem D. gegen Herausgabe seiner pommerschen Eroberungen den gottorpschen Anteil an Schleswig, den Sundzoll und 600,000 Thlr. von Schweden erhielt. Als 1742 der Sohn des hierdurch verkürzten Herzogs von Holstein-Gottorp als Peter III. Kaiser von Rußland wurde, entstanden wegen des gottorpschen Anteils längere Verwickelungen, die erst 1773 dadurch beseitigt wurden, daß derselbe gegen Oldenburg und Delmenhorst ausgetauscht wurde.

Christian VI. (1730-46) und in noch höherm Grad sein trefflicher Sohn Friedrich V. (1746-66) erwarben sich, unterstützt von den ausgezeichneten Ministern Schulin und dem ältern Bernstorff, Verdienste um die Ausbildung der Gesetzgebung, verbesserten das Unterrichtswesen und bemühten sich, den dänischen Handel durch Handelsverträge und durch Anlegung von Bankinstituten zu fördern. Zahlreiche fremde Gelehrte, Dichter und Künstler wurden nach D. berufen, um das geistige Leben zu heben. Am Hof und in Adelskreisen sprach man nur deutsch und französisch. In der auswärtigen Politik bemühte sich die Regierung, durch strenge Neutralität während der Kriege unter den Nachbarstaaten D. die Segnungen des Friedens zu erhalten. So hatte der königliche Absolutismus ein Jahrhundert lang mit weiser Selbstbeschränkung zum Nutzen des Landes gewirkt, und auch Christian VII. (1766-1808) schien seine Macht in demselben Sinn gebrauchen zu wollen, solange er Bernstorff als Minister zur Seite hatte (1750 bis 1770). Bald aber verfiel der König in eine Geisteskrankheit, und der allmächtige Einfluß, den seit 1770 der Günstling des Königspaars, Struensee, erlangte und den er benutzte, um zwar zahlreiche Reformen im Sinn der Aufklärung einzuführen, die Justiz zu verbessern, Monopole, Zünfte, Innungen aufzuheben und den Beamtenstand von unwürdigen Elementen zu reinigen, was aber alles in gewaltthätiger; übereilter Weise und unter ausschließlichem Gebrauch der deutschen Sprache geschah, rief bald eine Reaktion des nationalen Dänentums und des orthodoxen Luthertums hervor, die sich mit einer Palastintrige der Königin-Mutter gegen die Königin Karoline Mathilde, Struensees Freundin, 1772 zu dessen Sturz verbanden. Der neue oberste Minister, Guldberg, beseitigte die deutschen Beamten und die liberalen Reformen, setzte durch eine Indigenatsordnung fest, daß nur Inländer zu Ämtern und Ehrenstellen befördert werden dürften, und begünstigte ausschließlich die dänische Sprache und Litteratur. Allerdings trat 1784, als der Kronprinz Friedrich an Stelle des blödsinnigen Königs die Zügel der Regierung ergriff und den jüngern Bernstorff an die Spitze der Geschäfte berief, wieder eine Wendung ein. Bernstorff führte in allen Zweigen der Staatsverwaltung heilsame Reformen ein, in denen er sich die großartigen Ideen der französischen Revolution, aber in gemäßigter Weise, zum Muster nahm, und begünstigte ihre Erfolge durch eine vorsichtige und friedfertige auswärtige Politik. Während der Kriege unter den großen Seemächten entwickelte sich die dänisch-norwegische Handelsflotte zu ungemeiner Blüte. Ferner hob Bernstorff in den Herzogtümern die Leibeigenschaft auf (1804), beseitigte auch in D. die letzten Reste derselben (1788) und erließ Vorschriften über die Regelung und Ablösung der Frondienste.

Weniger glücklich war die auswärtige Politik der Regierung nach Bernstorffs Tod (1797). Als die Briten 1799 und 1800 dänische Fregatten wegnahmen, trat D. 16. Dez. 1800 der von Rußland gegen britische Übergriffe gestifteten bewaffneten Neutralität bei. England sah darin eine Kriegserklärung und sandte eine Flotte unter Parker und Nelson in die Ostsee, welche 2. April 1801 vor Kopenhagen die dänische Flotte schlug und die Stadt selbst bombardierte. Als der russische Kaiser Alexander I. kurz darauf eine Konvention mit England abschloß, wurde D. allein zu einem höchst nachteiligen Frieden mit England genötigt, der seinen Handel gänzlich lahmlegte. Die Erbitterung hierüber hielt die dänische Regierung ab, den bei der Unmöglichkeit, die Neutralität zu bewahren, allein richtigen Weg einzuschlagen und ein enges Schutz- und Trutzbündnis mit England zu schließen. Der gedrückte Stande der Finanzen, die vermehrte Staatsschuld und die Notwendigkeit, die Flotte möglichst wiederherzustellen, geboten Ruhe, daher D. 1805 an dem neuen Kriege gegen Frankreich keinen Teil nahm. Dennoch sandte England aus Furcht, Napoleon möchte jetzt, wo er über so viele Küstenländer Europas gebot, auf seinen alten Plan einer Landung in England zurückkommen und dazu die dänische Flotte benutzen, eine Flotte von 18 Linienschiffen, 7 Fregatten und 25,000 Mann Landungstruppen 1807 ins Kattegat und verlangte Dänemarks Allianz mit England, die Auslieferung der dänischen Flotte als Unterpfand und die Übergabe von Kronenborg. Als der Kronprinz diese Forderungen zurückwies, bombardierten die Engländer drei Tage lang Kopenhagen und führten die dänische Flotte weg und zwar jetzt nicht als Unterpfand, sondern als Beute. Der Kronprinz verband sich hierauf mit Frankreich, erklärte den Krieg an England und, wegen des zweideutigen Benehmens beim letzten Angriff der Engländer, auch an Schweden. Die Folge war der Verlust der dänischen Kolonien; Island und Helgoland wurden von den Engländern genommen und bloß ein Angriff Schwedens auf Norwegen glücklich zurückgeschlagen. Danach blieb D. aufs engste an die Interessen Napoleons I. geknüpft, und auch nach dem Feldzug von 1812 bestand das dänisch-französische Bündnis fort. Die Folge hiervon war, daß sich Friedrich VI. (1808-39) nach der Schlacht bei Leipzig durch die Okkupation Jütlands genötigt sah, 14. Jan. 1814 den Frieden zu Kiel zu schließen, in welchem D. Norwegen gegen Schwedisch-Pommern an Schweden, Helgoland an England abtrat, Trankebar aber nebst den übrigen Kolonien zurückerhielt, außerdem ein Heer von 10,000 Dänen zum Kriege gegen Frankreich unter des Kronprinzen von Schweden