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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dänemark

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Dänemark (Geschichte: neuere Zeit).

die erledigten Bistümer nur mit solchen Männern, welche der Reformation zugethan waren. Zu gleicher Zeit verbreitete sich die Reformation auch in Norwegen. Zwar wurden nach Friedrichs I. Tod von Lübeck unter seinem unternehmenden Bürgermeister Wullenweber in Verbindung mit andern Hansestädten und mit England Versuche gemacht, Christian II. wieder zurückzuführen und überhaupt die Macht Dänemarks zu beschränken, ein Kampf, in welchen auch die Gegensätze von Katholiken und Protestanten, von Adel und Geistlichkeit, Städten und Bauern hineingezogen wurden; doch endigte diese Grafenfehde, in welcher die schon im 14. und 15. Jahrh. schwer geschädigte Freiheit und Kraft des Bauernstandes vollends zu Grunde ging, damit, daß der älteste Sohn König Friedrichs, der Herzog Christian von Schleswig-Holstein, als Christian III. (1536-59) König von D. wurde. Mit seinem Sieg trat D. fortan an die Stelle der Hansa als Vormacht der Ostsee.

Christians wichtigstes Werk war die Durchführung der lutherischen Reformation auf dem Reichstag zu Kopenhagen (1536), welche für längere Zeit die Herrschaft des deutschen Geistes in Litteratur und Wissenschaft begründete. Da der Klerus infolge davon alle weltliche Macht verlor und die Städte auf die öffentlichen Angelegenheiten nie einen irgend bedeutendern Einfluß ausgeübt hatten, so blieb als freier, mächtiger Stand nur der Adel übrig, der sich jetzt mit der Krone durch das säkularisierte Kirchengut bereicherte. Die Reichstage, in denen alle Stände vertreten waren, hatten ihren politischen Einfluß an den Reichsrat verloren, welcher aus den höchsten Kronbeamten und andern vom König aus dem Adel zu wählenden Mitgliedern bestand. Da nun in der Wahlkapitulation Christians I. D. für ein "freies Wahlreich" erklärt worden war und das regierende Geschlecht keineswegs ein eigentliches Erbrecht auf den Thron hatte, vielmehr die Wahl eines neuen Königs durch weitere an den Reichsrat zu machende Zugeständnisse erkauft werden mußte, so wurde die Stellung der Krone dem Adel gegenüber immer schwächer, zumal da dem König infolge der Teilung der Herzogtümer Schleswig-Holstein unter ihn und die jüngern Brüder nur eine geringe Hausmacht zu Gebote stand. Ja, das Vorbild des schleswig-holsteinischen Adels, der in den Herzogtümern bedeutende Vorrechte genoß und seit der Thronbesteigung der Oldenburger zahlreich in D. eingewandert war, trieb auch den dänischen Adel zur Erweiterung seiner Macht an, wie denn überhaupt der Einfluß des deutschen Adels in D. bis zum 19. Jahrh. ein bedeutender war und der Schwerpunkt der Regierung fast ohne Unterbrechung bei ihm lag. Während aber mit dem Verlust wichtiger Kronrechte an den Adel das Königtum bald zum leeren Schattenbild herabsank, ward auch die Kraft des Reichs durch unglückliche Kriege mit Schweden erschüttert. Schon Christians III. Nachfolger Friedrich II. (1559-88) kriegte 1563-70 aus dynastischer Rivalität erfolglos gegen diese aufstrebende Macht. Sein Sohn Christian IV. (1588-1648), unter den dänischen Königen durch Regententugenden einer der hervorragendsten, begann, von brennendem Ehrgeiz nach Kriegsruhm getrieben, 1611 einen neuen Krieg mit Schweden und eroberte Kalmar und Öland, für deren Rückgabe Schweden im Frieden von Knäröd 1613: 1 Mill. Thlr. bezahlen mußte. Aber als er sich in die deutschen Angelegenheiten mischte und als Kreishauptmann von Niedersachsen an der Spitze der protestantischen Stände in Norddeutschland 1625 dem Kaiser und der katholischen Partei entgegentrat, erlitt er 1626 bei Lutter am Barenberg durch Tilly eine vollständige Niederlage, verlor Holstein, Schleswig und Jütland an die kaiserlichen Truppen und sah sich durch Wallensteins maritime Pläne sogar auf seinen Inseln bedroht. Zwar gewährte der Kaiser, dem es hauptsächlich auf die Unterdrückung der Protestanten in Deutschland ankam, D. gegen das Versprechen, sich nicht mehr zu deren gunsten einzumischen, und gegen den Verzicht auf die erworbenen niedersächsischen Stifter 1629 den Frieden von Lübeck, in dem es die verlornen Lande wiedererhielt. Doch mußte D. fortan den Vorrang in der Ostsee und in Norddeutschland dem siegreichen Schweden abtreten, dessen Erfolgen es vergeblich durch diplomatische Verhandlungen Einhalt zu thun versuchte. Christians zweideutige, ja feindselige Haltung veranlaßte endlich die Schweden, 1643 den Krieg zu erklären. Torstensson rückte in Holstein ein, schwedische und holländische Schiffe griffen die Flotte an, und D. mußte im Frieden von Brömsebro die Provinzen Jemtland und Herjedalen ^[richtig: Herjeådalen], die Inseln Gothland und Ösel an Schweden abtreten und diesem Befreiung vom Sundzoll zugestehen. Erfolgreicher war Christians Thätigkeit für die innern Angelegenheiten, Gesetzgebung und Finanzverwaltung, für Kirche und Schule, Handel und Schiffahrt, Ausdehnung und Befestigung des Kolonialbesitzes. Noch unglücklicher im Kriege gegen Schweden war sein Nachfolger Friedrich III. (1648-70), welcher in den Friedensschlüssen von Roeskilde (1658) und Kopenhagen (1660) die dänischen Besitzungen jenseit des Sundes, nämlich Schonen, Halland, Blekinge und Bohus, an Schweden abtreten und auf die Lehnshoheit über Schleswig Verzicht leisten mußte.

Dänemark als absolutes Königreich.

Dieses nationale Unglück dem äußern Feind gegenüber und der geringe Patriotismus, welchen der Adel dabei bewiesen, führten einen politischen Umschwung im Innern herbei. Da nämlich auf dem am 8. Sept. 1660 einberufenen Reichstag der Reichsrat und Adel in engherziger Selbstsucht nichts von ihren Vorrechten dem allgemeinen Besten opfern wollten, so verbanden sich die Geistlichkeit unter dem Bischof Svane und die Bürgerschaft unter dem Kopenhagener Bürgermeister Nansen und übertrugen dem König die volle erbliche Souveränität, es ihm zugleich anheimgebend, die Reichsverfassung endgültig festzustellen, worauf Friedrich 18. Okt. 1660 die Huldigung als erblicher und absoluter König empfing. Die neue Verfassung wurde festgesetzt durch das von Schuhmacher (Griffenfeldt) entworfene und vom König 14. Nov. 1665 vollzogene sogen. Königsgesetz, worin bestimmt wurde, daß der König lutherischer Konfession sein müsse, das Reich nicht teilen, das Königsgesetz nicht verletzen dürfe, im übrigen aber nur Gott für seine Handlungen Rechenschaft schuldig sei. Zur Erbfolge sollte sowohl die männliche als die weibliche Linie berechtigt sein. Der Reichsrat wurde abgeschafft. Nur seine soziale Bevorzugung blieb dem Adel; doch mußte er auch diese seit 1671 mit einem neugeschaffenen Hofadel teilen. Eine abhängige Beamtenhierarchie und eine zuverlässige Militärmacht waren fortan die Hauptstützen des Königtums. Friedrichs Nachfolger Christian V. (1670-99) benutzte die Macht, welche das Königtum erlangt hatte, zu umfassenden Reformen in der Gesetzgebung (dänisches Gesetzbuch von 1683) und Verwaltung sowohl in Norwegen als in D. Ein neuer Krieg gegen Schweden (1675-79) wurde meist glücklich geführt, endete aber infolge der Intervention Frankreichs erfolglos, indem D. seine Eroberungen herausgeben mußte.