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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Danzig

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Danzig (Geschichte der Stadt).

neun Amtsgerichte zu Berent, D., Dirschau, Karthaus, Neustadt, Putzig, Schöneck, Preuß.-Stargard und Zoppot), Lotsenamtes, Hauptzollamtes, einer Provinzialsteuerdirektion, von 3 Superintendenturen, einer Oberpostdirektion, von zwei Eisenbahnbetriebsämtern, mehrerer Konsuln etc. Die Garnison umfaßt die Stäbe der 2. Division, der 3. und 4. Infanterie- und 2. Kavallerie-Brigade, die Inf.-Reg. Nr. 4, 5 und 128, 3 Eskadrons Husaren Nr. 1, ein Feld- und ein Fußartillerie-Reg., ein Pionier-Bataillon, ein Landwehr-Bezirkskommando (Nr. 45). D. ist der Geburtsort von Hevel, Fahrenheit, Chodowiecki, Archenholz, Koppe, Johannes Falk, Johanna Schopenhauer, H. Döring u. a. In der Umgegend sind außer den schon erwähnten Punkten noch die Badeorte Brösen (2 km westlich von Neufahrwasser) und Zoppot (s. d.) und der Flecken Oliva (s. d.) mit dem Karlsberg zu nennen.

[Geschichte.] Die Stadt D., über deren Gründung Dunkel herrscht, stand schon zu Ende des 10. Jahrh. in Blüte und Ansehen und wurde damals die Hauptstadt von Oberpommern (Pommerellen). Adalbert, Bischof von Prag, predigte hier 997 das Christentum. Herzog Subislaw umgab D., damals Gidanie (ein Name, der auf die Goten zurückgeführt wird) genannt, 1185 mit Mauern. 1221 eroberte es König Waldemar II. von Dänemark, verlor es aber schon 1225 an Swantopolk III. von Pommern. Derselbe rief gegen die herandringenden Preußen, die D. 1225 erstürmten, die Hilfe der Deutschen Ordensritter an, die aber aus Helfern bald Unterdrücker wurden. Ähnlich erging es sodann seinem Sohn Mestwin II. mit den gegen seinen Bruder zu Hilfe gerufenen Brandenburgern, von denen er 1271 seine Hauptstadt zurückerobern mußte. Als derselbe 1295 ohne männliche Erben starb, fiel D. an Przemyslaw II. von Polen, nach dessen Tod (1296) sein Erbe Wladislaw Lokietek abermals den Deutschen Orden gegen Brandenburg zu Hilfe rief. Der Markgraf von Brandenburg wurde nun zwar geschlagen; der Deutsche Orden besetzte aber die Stadt und behielt sie, da die versprochene Entschädigung nicht aufzutreiben war, als Eigentum (1310); ja, der Polenkönig Kasimir III. mußte sie im Vertrag von Kalisch 1343 dem Hochmeister Ludolf förmlich zugestehen. Trotz aller dieser Kämpfe hatte D. an Wohlstand ungemein zugenommen und trat um 1350 dem Bunde der Hansa bei. Aus jener Zeit stammen viele bedeutende Bauten, namentlich die Anlage der Rechtstadt (1340), der Jungstadt (1380) und der Vorstadt (1393). Unter dem Hochmeister Konrad von Jungingen (1393-1407) erscheint D. zuerst kriegerisch thätig, indem es für den Schwedenkönig Albrecht Stockholm besetzte und durch seinen Kampf mit den seeräuberischen Vitalienbrüdern auch mit Margarete von Dänemark in einen Krieg verwickelt wurde. Als infolge der Niederlage Ulrichs von Jungingen bei Tannenberg (1410) die Macht des Deutschen Ordens sank, benutzte D. diesen Umstand, um sich vom Orden loszumachen; nach mannigfachen Streitigkeiten erfolgte die gänzliche Lossagung Danzigs von dem Orden und die Erwählung des Königs Kasimir IV. von Polen zum Schutzherrn (1454). D. wurde dadurch zu einem kleinen Freistaat; es durfte in Gemäßheit des ihm erteilten Privilegium Casimirianum seine Ämter selbst besetzen, erhielt die vollständige Gerichtsbarkeit (nach eignem Gesetzbuch, Danziger Willkür genannt), Befreiung von allen Zöllen und Abgaben und von der Rechnungslegung über seine Einkünfte, das Münzrecht, das Recht, eigne Besatzung zu halten, und völlig freie Entscheidung über Krieg, Bündnisse und Frieden. Die Oberhoheit des Königs von Polen repräsentierte ein Glied des Stadtrats, der Burggraf; die Stadt hielt in Warschau ihren Sekretär und stimmte auf Reichstagen und bei Königswahlen mit. Die vier Stadtteile wurden nun zu einem Ganzen vereinigt und dem rechtstädtischen Rat untergeordnet. Streitigkeiten mit dem König wegen Besetzung des Bistums Ermeland führten zu dem achtjährigen Pfaffenkrieg (1472-80), in welchem sich zwar Danzigs Macht, aber auch die polnische Antipathie gegen diese Stadt bewährte. Schon 1523 nahm D. die Reformation an, die jedoch nicht ohne heftige innere Kämpfe festen Fuß fassen konnte. Am verderblichsten für die Zukunft der Stadt war die Durchstechung der Großen Kampe, einer Flußinsel vor der Spaltung der Weichsel (in Weichsel und Nogat), seitens der Elbinger und Marienburger, wodurch die Tiefe des Fahrwassers im Verlauf eines Jahrs um die Hälfte vermindert wurde. Als 1575 Stephan Báthori zum König von Polen gewählt wurde, wollte ihn D. nicht anerkennen und erklärte sich für Kaiser Maximilian II., welcher der Stadt bedeutende Handelsvorteile zusichern ließ. Selbst nach des letztern Tod (1576) wollte D. dem König Stephan die Huldigung nur gegen bedeutende Zugeständnisse leisten. D. wurde daher belagert, verteidigte sich aber 1577 so entschlossen, daß der König mit einer Abbitte und der Zahlung von 200,000 Gulden sich begnügte. 1656 belagerten die Schweden die Stadt zu Wasser und zu Lande, wurden aber durch Hilfstruppen des Königs Johann Kasimir und durch eine holländische Flotte vertrieben, worauf die Holländer mit dem Großen Kurfürsten den Elbinger Vertrag 10. Sept. über die Neutralität Danzigs vereinbarten, den Schweden allerdings nicht anerkannte. 1734 wurde D., weil es den König Stanislaus Leszczynski aufgenommen hatte, von den Russen und Sachsen unter Münnich belagert und trotz tapferer Gegenwehr nach mehrmonatlicher Einschließung durch ein Bombardement 9. Juli zur Kapitulation genötigt. Bald darauf entstanden zwischen Magistrat und Bürgerschaft Streitigkeiten, die erst 1752 eine neue Gesetzgebung beilegte. Bei der ersten Teilung Polens 1772 behielt die Stadt zwar ihre Freiheit; aber da sie von preußischem Gebiet umschlossen, von starken Zöllen hart bedrückt war, so nahmen Handel, Kunstfleiß und Bevölkerung immer mehr ab.

Bei der zweiten Teilung Polens 1793 kam die Stadt an Preußen. Ihr tief gesunkener Wohlstand begann seitdem schnell wieder aufzublühen. Das Jahr 1806 wurde aber für D. wieder sehr verderblich. Schon vor der Kriegserklärung wurde der Hafen von den Schweden blockiert und von England auf die preußischen Schiffe Embargo gelegt. Nach den Schlachten bei Jena und Auerstädt wurden in D. die Rüstungen zum Widerstand mit Eifer betrieben, die 21,700 Mann starke Besatzung genügend verproviantiert, die Niederung unter Wasser gesetzt und die Vorstädte zum Teil demoliert. Schon Anfang März rückten die Franzosen unter Marschall Lefebvre vor die Stadt; trotz tapferer Verteidigung durch den Gouverneur Kalckreuth setzten sich die Belagerer 1. April auf dem Zigankaberg fest und nahmen in der Nacht vom 12. auf den 13. April auch die Kalkschanze an der Weichsel. Sie wurde ihnen zwar wieder entrissen, aber die Danziger sahen sich genötigt, dieses höchst wichtige Werk selbst zu zerstören. In der Nacht vom 23. auf den 24. begann das Bombardement der Stadt, das, nachdem Lefebvre am 25. vergeblich zur Übergabe auf-^[folgende Seite]