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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Darlehnskassen; Darlehnskassenvereine, ländliche

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Darlehnskassen - Darlehnskassenvereine.

sonen: Unmündige, Wahn- und Blödsinnige, gerichtlich erklärte Verschwender, ein D. gültig nicht geben können, ebensowenig wie jemand fremde Sachen ohne Einwilligung des Eigentümers zum D. geben kann. Durch die Annahme eines Darlehens entsteht für den Empfänger die Verbindlichkeit der Rückzahlung; daher kann nur derjenige ein D. aufnehmen, welcher sich rechtsgültig verbindlich machen kann. Demnach können unter Vormundschaft stehende Personen: Unmündige, Wahnsinnige etc., ohne Zustimmung des Vormundes und ebenso Ehefrauen ohne Zustimmung des Ehemanns in rechtsverbindlicher Weise kein D. aufnehmen. Das römische Recht beschränkt infolge des Macedonianischen Senatsbeschlusses (senatus consultum Macedonianum) überdies die Darlehnsfähigkeit des in väterlicher Gewalt Stehenden. Veranlassung dazu hatte ein Vatermord gegeben, den ein gewisser Macedo infolge des Andringens seiner Gläubiger verübte. Die Forderung desjenigen, der einem Hauskind ein D. gibt, wird durch die Einrede aus diesem Senatsbeschluß (exceptio senatus consulti Macedoniani) beseitigt. Das preußische Landrecht hat außerdem noch die Darlehnsfähigkeit der königlichen Prinzen, der Offiziere und der königlichen Schauspieler weitern Beschränkungen unterworfen. Der Darlehnsschuldner hat die Verbindlichkeit, eine gleiche Quantität und Qualität zurückzugeben; daher gehört die Zahlung der Zinsen nicht zum Wesen des Darlehnskontrakts, vielmehr müssen Zinsen stets besonders verabredet worden sein. Nur rücksichtlich der Verzugszinsen erleidet dies eine Ausnahme, indem der säumige Schuldner vom Fälligkeitstermin an Verzugszinsen und zwar landesübliche Zinsen zu bezahlen hat. Das deutsche Handelsgesetzbuch (Art. 287) hat für Handelsgeschäfte die Höhe der Verzugszinsen auf 6 Proz. normiert. Dem Wesen des Darlehnsvertrags widerspricht die Verabredung, etwas andres zurückzugeben, als was geliehen worden ist, da es in einem solchen Fall gar kein D. wäre. Nur in Bezug auf ein Gelddarlehen findet dies insofern nicht Anwendung, als es hier bei der Rückzahlung im allgemeinen nur auf eine dem Wert nach gleiche Summe ankommt, weshalb auch das D., wenn nicht etwas Besonderes ausgemacht ist, nicht in den empfangenen Münzsorten zurückgezahlt zu werden braucht. Umgekehrt kann aber auch der Schuldner nicht in jeder beliebigen Münzsorte Rückzahlung leisten; es ist z. B. der Gläubiger nicht verpflichtet, das D. in lauter kleinen oder Scheidemünzen anzunehmen. Nach dem unterm 24. Jan. 1857 zwischen fast allen deutschen Staaten, Österreich mit inbegriffen, abgeschlossenen Münzvertrag ist kein Gläubiger verbunden, eine Zahlung in Scheidemünze anzunehmen, soweit die zu zahlende Summe nicht den Wert der kleinsten groben Münze, d. h. nicht unter 5 Silbergroschen (50 Pf.) oder ¼ Gulden, beträgt. Die Rückzahlung eines Darlehens ist an die festgesetzte Zeit gebunden. Ist keine Rückzahlungszeit ausgemacht, so ist das D. zu jeder Zeit fällig und kann sofort gefordert werden; so nach gemeinem Recht und auch nach dem königlich sächsischen Zivilgesetzbuch, § 1077. Dagegen setzt das preußische allgemeine Landrecht, I, 11, § 761 f., bei Darlehen von über 150 Mk. eine vierteljährige, bei geringern Beträgen eine Aufkündigungsfrist von vier Wochen fest. Dem Darlehnsgeber steht die Klage auf Rückzahlung des Darlehens (actio mutui s. condictio certi ex mutuo) zu, und es geht dieselbe aktiv wie passiv auf die Erben über. Besondere Vorschriften enthielten frühere Gesetze über den Beweis eines Darlehens durch ein schriftliches Schuldbekenntnis des Darlehnsempfängers. Nach römischem Recht insbesondere bewies ein solches Schulddokument mit voller Wirksamkeit erst nach zwei Jahren, von der Ausstellung an gerechnet. Für Deutschland ward dies jedoch durch das deutsche Handelsgesetzbuch und durch das Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung beseitigt. Nur bei Schuldurkunden, welche zum Eintrag ins Grundbuch bestimmt sind, besteht jene Beschränkung in manchen Staaten, z. B. in Württemberg, aber nicht in Preußen, noch fort. Von dem Darlehnskontrakt unterscheidet sich der Leihkontrakt (commodatum) dadurch, daß jemand (commodans) dem andern (commodatarius) eine nicht vertretbare Sache zu einem bestimmten Gebrauch, jedoch ohne Vergütung und unter der Bedingung übergibt, daß er nach gemachtem Gebrauch die Sache wieder zurückgebe. Hier wird also der Empfänger nicht Eigentümer. Vgl. Heimbach, Die Lehre von dem Creditum (Leipz. 1849); Storch, Der heutige Darlehnsvertrag (Berl. 1878); Huschke, Die Lehre des römischen Rechts vom D. (Stuttg. 1882).

Darlehnskassen heißen die in Deutschland mehrfach zu dem Zweck geschaffenen Kreditanstalten, einem augenblicklichen Notstand durch Gewährung von Darlehen auf kurze Zeit (3-6 Monate) zu mäßigem Zins und gegen Hinterlegung von Sicherheiten abzuhelfen. Sie unterscheiden sich von Volksbanken, von den Raiffeisenschen D. und ähnlichen Instituten dadurch, daß sie nur vorübergehend Dienste leisten, keinen geschäftsmäßigen Charakter tragen und aus letzterm Grund auch nur vom Staat ins Leben gerufen wurden. Solche D. wurden 1848 in Berlin und in größern Provinzialstädten Preußens zur "Beförderung des Handels und des Gewerbebetriebs" errichtet und der Preußischen Bank in Verwaltung gegeben. Die nötigen Mittel wurden durch Ausgabe eines Papiergeldes, Darlehnskassenscheine genannt, beschafft, welches keinen Zwangsumlauf hatte und den Betrag von 10 Mill. Thlr. nicht überschreiten sollte. 1852 wurden diese D. wieder geschlossen. Auch 1866 wurden in Preußen und andern deutschen Ländern, dann 1867 aus Veranlassung des ostpreußischen Notstandes, ferner 1870 bei Ausbruch des französischen Kriegs im Gebiet des Norddeutschen Bundes solche Kreditanstalten hergestellt. 1866 sollten in Preußen bis zu 25 Mill. Thlr., 1870 bis zu 30 Mill. Thlr. an Darlehnskassenscheinen ausgegeben werden dürfen. Eine ähnliche Einrichtung bestand auch zur Zeit der Handelskrisis in Hamburg. Unzweifelhaft können die D. in Notzeiten gute Dienste leisten, wenn nur die zur Verhütung von Mißbrauch nötige Vorsicht bei Gewährung von Kredit geübt und die Ausgabe des Papiergeldes innerhalb mäßiger Grenzen gehalten wird.

Darlehnskassenvereine, ländliche (Raiffeisensche Darlehnskassen oder Darlehnsvereine), sind landwirtschaftliche Kreditgenossenschaften, welche zur Befriedigung des Kreditbedürfnisses kleiner und mittlerer Landwirte, insbesondere zur Vermittelung des Personal- (und Mobiliar-) Kredits, dienen. Man nennt die Hauptart derselben nach ihrem Begründer Raiffeisen (Bürgermeister früher in Flammersfeld, später in Heddesdorf bei Neuwied) auch Raiffeisensche Darlehnskassen. Die D. entstanden zuerst in der preußischen Rheinprovinz (seit 1862, insbesondere seit 1868) und verbreiteten sich von dort auch in andern Teilen Deutschlands, vorzugsweise im westlichen und südlichen Deutschland. Die D. beruhen, wie alle genossenschaftlichen Kreditvereine, auf dem Prinzip der Solidarhaft, nehmen Kredit und geben gegen genügende