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Defizit - Deform.
Defĭzit (lat., "es fehlt", als Hauptwort: "das Fehlende"), besonders gebräuchlich bei dem Staatsfinanzwesen, in welchem es den Unterschied zwischen der Einnahme und der Ausgabe bezeichnet, um dessen Betrag die erstere zu gering ist. Zu unterscheiden sind budgetmäßiges und wirkliches D. Ersteres ist dasjenige, welches schon im Voranschlag des Staatshaushalts erscheint. Letzteres ist das Ergebnis thatsächlich erfolgter Einnahmen und Ausgaben. Im weitern Sinn spricht man von einem D., wenn die laufenden Gesamtausgaben durch die laufenden Gesamteinnahmen nicht gedeckt werden. Ein eigentliches D. ist dann vorhanden, wenn die ordentlichen Einnahmen nicht zureichen, um die ordentlichen Ausgaben zu decken, oder wenn die außerordentlichen Ausgaben nicht innerhalb derjenigen Zeit gedeckt werden, in welcher sie wirken. Das D. bedeutet demnach, daß diejenigen, welchen die Ausgaben zu gute kamen, dieselben nicht voll zu tragen haben. Auch bei geordneter Finanzverwaltung sind Defizits nicht immer zu vermeiden, da sowohl die Einnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben, als auch die Ausgaben die Ansätze des Voranschlags übersteigen können (Mißwachs, Krieg, überhaupt unvorhergesehene Umstände). Chronische Defizits sind die Folge schlechter Finanzverwaltung, welche nur die Gegenwart im Auge hat und der Zukunft sorglos Lasten auf Lasten zuschiebt. Treue Begleiterinnen derselben sind die Unwirtschaftlichkeit und auch leicht die Korruption. Die Mittel zur Deckung eines Defizits und zur Vermeidung desselben sind: Minderung der Ausgaben, Erhöhung der Einnahmen oder beides zugleich. In den zivilisierten Ländern kommt, da die Ausgaben mit steigender Kultur sich erhöhen, im wesentlichen nur das zweite Mittel in Betracht. Da die Benutzung der gewöhnlichen außerordentlichen Deckungsmittel für die Zukunft entweder die Einnahmen schmälert (Verkauf von Staatsgütern), oder die Ausgaben erhöht (Verzinsung und Tilgung der Schuld), so können drohende chronische Defizits im allgemeinen zuletzt nur durch Erhöhung der Einnahmen aus Steuern beglichen werden. D. (Kassendefizit) heißt auch die Summe, welche an dem Status einer Kasse zufolge des durch die Bücher gegebenen Ausweises fehlt (s. Defekt), sowie der durch die kaufmännische Bilanz sich herausstellende Verlust (Unterbilanz).
Deflagrātor (Hares Spirale, Kalorimotor, lat.), ein veralteter galvanischer Apparat, welcher aus einer sehr großen Kupferplatte besteht, die mit einer gleich großen Zinkplatte in der Weise spiralförmig zusammengerollt ist, daß sich die beiden durch Tuchstreifen voneinander getrennten Metalle nicht berühren. Das Plattenpaar, in verdünnte Schwefelsäure gesenkt, bildet ein galvanisches Element (s. Galvanische Batterie), welches wegen seines geringen innern Widerstandes in einem kurzen und deswegen wenig Widerstand darbietenden Schließungsdraht einen starken Strom und dem entsprechend starke Erwärmung hervorbringt.
Deflektieren (lat.), ablenken; Deflektor, abgestutzter Kegel von Blech, auf Schornsteine zu setzen, zur Verhütung des Rauchens.
Defloration (lat.), das Abblühen, Schwächung einer Jungfrau; daher Deflorationsgelder, die Entschädigung, welche der Schwängerer (Deflorator) der Geschwängerten (Deflorata) für die geraubte Jungfrauschaft in manchen Ländern geben muß.
Deflorieren (lat.), der Blüte berauben; daher eine Jungfrau entehren, schwächen.
Defluieren (lat.), abfließen, ablaufen.
Defoe (spr. difoh), Daniel, engl. Politiker und Schriftsteller, geb. 1661 zu London als Sohn eines Fleischers Foe, wie dieser ein eifriger Dissenter. Er widmete sich zunächst dem Handel, griff aber schon früh durch Schriften in die religiösen Umtriebe ein, welche die Regierung der letzten Stuarts kennzeichnen. Dadurch verdächtig, entzog er sich seinen Gegnern durch Reisen auf dem Kontinent. Seit seiner Rückkehr nannte er sich D. Von neuem warf er sich in den Parteikampf, aber selbst die Dissenters wollten von seinen Vorschlägen nichts wissen. Erst die Landung Wilhelms von Oranien verschaffte ihm Anerkennung. Sein "Essay on projects" (1697), volkswirtschaftlichen Inhalts, lenkte die Aufmerksamkeit des Königs auf ihn. Diesem wie seinem ganzen Haus treu ergeben, wehrte D. die auf Wilhelm als einen Fremden gemachten Angriffe durch das satirische Gedicht "The trueborn Englishman" (1701) glänzend ab, indem er nachwies, daß die Engländer selbst ein Mischvolk seien und dieser Eigenschaft manchen Vorzug verdanken. Als nach Wilhelms Tode die Verfolgung der Dissenters sich erneute, stimmte er ironisch in das Treiben der Hochkirchler ein durch "The shortest way with the Dissenters" (1702); bald aber wurde der Verfasser der beißenden Satire erkannt und zu Pranger und Gefängnis verurteilt. Der öffentliche Schimpf gestaltete sich indessen zu einem Triumph, die Haft wurde verkürzt. Bei den Verhandlungen über die Union Englands und Schottlands bediente sich die Regierung seiner als Unterhändler, und er löste seine Aufgabe mit Glück und Geschick. Ungefähr gleichzeitig mit dem Tode der Königin Anna zog er sich vom politischen Leben zurück. Er starb 1731 zu London in dürftigen Verhältnissen. Unsterblich machte ihn "The life and strange surprising adventures of Robinson Crusoe of York" (1719; übersetzt von Altmüller, Hildburgh. 1869). Das Werk, von Rousseau als erziehende Jugendschrift ersten Ranges gerühmt, verlegt seinen Schwerpunkt in die Entwickelung eines Charakters, der alles eigner Kraft verdankt. In alle europäischen und viele außereuropäische Sprachen wurde es übersetzt und zahlreich bis ins 19. Jahrh. nachgeahmt (s. Robinson). Ähnliche Abenteurergeschichten Defoes, die ihre Entstehung dem beispiellosen Erfolg des "Robinson" verdanken, z. B. "Captain Singleton", sind längst vergessen. Vollständige Ausgaben seiner Werke erschienen London 1840-43, 3 Bde. (mit Biographie von Hazlitt), und Oxford 1840 bis 1841, 20 Bde. (mit Biographie von W. Scott; neue Ausg. 1857, 7 Bde.), in 1 Band, mit Biographie von Chalmers, 1869. Spezielle Lebensbeschreibungen haben geliefert W. Wilson (Lond. 1830, 3 Bde.), Lee (das. 1869, 3 Bde.), Minto (das. 1879).
Defoliation (lat.), Entblätterung, Laubfall.
Deform (lat.), mißgestaltet; deformieren, verunstalten; Deformationen (Verunstaltungen), in der Botanik diejenigen Mißbildungen von Pflanzen, welche nicht auf gewissen Veränderungen der morphologischen Gesetze beruhen, wie z. B. die Chloranthie, der Abortus, die Pelorien etc., sondern durch ein ganz unregelmäßiges Wachstum gewisser Teile zu stande kommen. Es gehören dahin z. B. die Verbänderungen der Stengel, die abnorme Bildung des Blumenkohls, die Kräuselung und ähnliche Erscheinungen der Blätter (vgl. die einzelnen Artikel). Deformitäten, Mißgestaltungen des lebenden Körpers, finden sich sowohl im Tier- als im Pflanzenreich. Die der Tiere und Menschen sind teils angeboren, teils erworben; jene sind die sogen. Mißbildungen (s. d.), diese entstehen entweder infolge von Krankheiten, z. B.