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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Delta

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Delta.

Delta (griech.), Bezeichnung der nur wenig über den Meeresspiegel sich erhebenden Landstrecken und Inseln, welche man oft an den Mündungen der Ströme findet, deren Arme sich zwischen ihnen hinziehen, um sich ins Meer (Meeresdelta) oder in einen See (Binnendelta) zu ergießen. Sie entstehen durch den von dem Fluß mitgeführten, hier abgelagerten Schlamm und Sand und werden mit dem Namen D. bezeichnet, weil sie mitunter eine dreieckige, also der Form des griechischen Buchstaben D. (Δ) ähnliche, Gestalt haben; die Basis des Dreiecks ist dem Meer zugekehrt, die Spitze dem Land. Im weitern, rein genetischen Sinn werden alle Neubildungen von Festland an den Mündungen der Flüsse in das Meer oder in einen Binnensee ohne Rücksicht auf ihre Form als Deltas bezeichnet. Es lassen sich im Hinblick hierauf die Flüsse teilen in solche, welche zur Bildung von Festland nichts beitragen, und in landaufbauende. Erstere münden entweder ohne Erweiterung des Rinnsals (z. B. Duero, Guadiana) oder mit trichterförmiger Erweiterung (Ästuarium; Elbe, Weser, Themse). Die landaufbauenden Flüsse besitzen entweder einfache Mündungen (Ebro, Arno) oder geteilte, und in letzterm Fall lassen sich wieder solche ohne Erweiterung des Rinnsals (Po, Rhein, Donau) oder mit erweiterten Mündungskanälen (Ganges, Brahmaputra) unterscheiden. Die Ursachen der Deltabildung suchte man bislang fast allgemein in dem Mangel an Ebbe und Flut in den betreffenden Meeresteilen, wobei man besondern Reichtum der Flußläufe an transportiertem Material, langsamen Abfall des Meeresgrundes, Trägheit der Bewegung im Unterlauf des Flusses als die Deltabildung unterstützende Faktoren betrachtete. Neuerdings hat Rud. Credner den Satz aufgestellt, daß das Auftreten von Deltas regelmäßig zusammenfällt mit der Existenz säkularer Hebungen der benachbarten Küstenstriche, während sie überall fehlen, wo die Küste in einer langsamen Bewegung nach abwärts begriffen ist, und daß sich diese Erscheinung in den Binnenseen wiederholt insofern, als nur die in Seen mit sinkendem Wasserspiegel einmündenden Flüsse Deltas bilden, während die letztern fehlen, wenn sich der Wasserspiegel des Sees hebt. Ausnahmen von dieser Regel erkennt er nicht an, sondern sucht sie durch lokale Verhältnisse zu erklären. So sei das in ein Senkungsgebiet fallende Nildelta überhaupt ein prähistorisches, das nur an Stellen noch Zuwachs zeige, wo künstlich angelegte Kanäle und Dämme Ablagerungen des Schlammes hervorrufen. Die für die Pogegend behauptete Senkung existiere überhaupt nicht, sondern reduziere sich auf ein Zusammensickern der Erdmassen infolge des Ausfaulens zahlreich eingeschlossener vegetabilischer Reste. Abgesehen von der Hypothese, deren Richtigkeit von mehreren Seiten bezweifelt worden ist, enthält Credners Arbeit eine sehr verdienstvolle Kritik der für Größe, Wachstum etc. der Deltas angegebenen Zahlen, die wir deshalb dieser Arbeit entnehmen. Credner zählt überhaupt 143 größere deltabildende Flüsse, welche sich auf die Erdteile, zugleich mit der Unterscheidung als Meeresdelta oder als Binnendelta, wie folgt verteilen:

Meeresdeltas Binnendeltas Summa

Europa 38 16 54

Asien 42 14 56

Amerika 15 2 17

Afrika 11 1 12

Australien und Polynesien 4 - 4

Legt man behufs einer Vergleichung zwischen der Anzahl deltafreier und derjenigen deltabildender Ströme die von Klöden angenommene Zahl selbständiger Flüsse zu Grunde, so sind unter 171 Strömen 26 hinsichtlich ihrer nähern Mündungsverhältnisse unbekannt; unter dem Rest (145) gibt es 70 deltabildende und 75 deltafreie Ströme.

Gruppiert man ferner die Flüsse nach ihrer Stromlänge, so resultiert folgende Tabelle:

Stromlänge in Meilen

über 200 200-100 100-50 unter 50

Flüsse mit Deltamündungen 26 22 8 14

Flüsse mit offenen Mündungen 13 13 21 28

Zieht man die vier Kolumnen in zwei zusammen: Ströme über und unter 100 Meilen Stromlänge, so überwiegen in der ersten Abteilung die Flüsse mit Deltas fast um das Doppelte (48 gegen 26), während sich das Verhältnis bei den kleinern Flüssen fast genau umkehrt (22 gegen 49). Über die Flächenausdehnung der Deltas gibt folgende Tabelle Aufschluß:

Name des Deltaflusses Flächeninhalt Hektar Länge Kilom. Breite Kilom.

Ganges und Brahmaputra 8259435 354 321,8

Mississippi 3185933 320 300

Nil 2219400 170,6 -

Donau 258795 74,2 74,2

Rhône 75000 - -

Aude 20000 - -

Niger - 148,4 326,5

Memel - 51,9 46,3

Wolga - 448 -

Ural - - 53,3

Als zuverlässige Zahlen für die Mächtigkeiten der Ablagerungen lassen sich angeben: Für das Nildelta im Mittel 10 m Mächtigkeit, mitunter 14-15 m, für den Rhein bis über 60 m, Rhône bis über 100 m, Po etwa 120 m, an einzelnen Stellen bis zu 172,5 m. Für die Mächtigkeit der Deltabildung des Mississippi lassen sich 9-16 m in der Gegend von New Orleans annehmen; seewärts vermehrt sich die Mächtigkeit schnell und bedeutend. Am Ganges wurden im Durchschnitt 18 m gemessen.

Am unzuverlässigsten sind die Angaben über den jährlichen Zuwachs der Deltabildungen. So schwanken die Angaben für das Mississippidelta beispielsweise zwischen 80 und 495 m jährlichen Zuwachses. Was von einigermaßen zuverlässigen Zahlen in der Litteratur niedergelegt ist, enthält die folgende Tabelle:

Jährliches Wachstum

Delta des Terek 495 Meter

Delta des Po 70 Meter

Delta des Rhône (Mittelmeer) 58 Meter

Delta des Euphrat und Tigris 54 Meter

Delta des Hoangho 30 Meter

Delta des Peiho 24 Meter

Delta der Donau 12 Meter

Delta des Arno 6 Meter

Delta der Donau (Sulina) 4 Meter

Delta des Nils 4 Meter

Delta des Rhône (Genfer See) 3 Meter

Delta des Tiber (Ostia-Arm) 3 Meter

Delta des Hérault 2 Meter

Delta des Saigon 2 Meter

Delta der Traun (Hallstätter See) 1 Meter

Delta des Tiber (Fiumicino) 1 Meter

Als Beispiel des kartographischen Bildes einer Deltabildung geben wir in der Abbildung die Pomündung. Ehedem mündete der Po bei Ravenna, das, wie Venedig in Lagunen gelegen, bis zum Mittel-^[folgende Seite]