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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Diatessăron; Diätētik; Diathēke; Diathermān; Diathēse; Diatít; Diatomeen

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Diatessaron - Diatomeen.

trag des Abgeordneten Schulze-Delitzsch zur Tagesordnung über. In der Folgezeit wurde jedoch der Schulzesche Antrag wiederholt vom Reichstag angenommen, aber stets vom Bundesrat abgelehnt. Auch 1884 wurde der von der deutschfreisinnigen Partei eingebrachte Antrag auf Verwilligung von D. und Reisekostenentschädigung im Reichstag zwar mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der Konservativen und eines Teils der Nationalliberalen angenommen, vom Bundesrat aber abgelehnt, nachdem der Fürst-Reichskanzler erklärt hatte, daß er die D. nur gegen entsprechende Abänderungen des Wahlsystems zugestehen würde. Übrigens ist das Prinzip der Diätenlosigkeit schon einmal durchbrochen worden, als den Mitgliedern der sogen. Reichsjustizkommission, welche zur Vorberatung der Justizgesetze konstituiert war, eine Entschädigung durch Reichsgesetz verwilligt ward. Auch die seit 1874 getroffene Einrichtung, wonach den Reichsboten während der Session sowie acht Tage vor Beginn und acht Tage nach Schluß derselben freie Fahrt auf den deutschen Eisenbahnen eingeräumt ward, läßt sich mit dem Wortlaut jener Verfassungsbestimmung nur so vereinigen, daß man durch die jeweilige Feststellung des Etats und durch die Aufnahme einer entsprechenden Etatsposition eine Abänderung des § 32 der Verfassung als vereinbart zwischen den gesetzgebenden Faktoren des Reichs annimmt. Übrigens ist 1884 eine Beschränkung der Freikarten insofern eingetreten, als dieselben nur für die Fahrt vom Wohnort des Abgeordneten nach Berlin gegeben werden und damit für die in Berlin wohnhaften Abgeordneten insbesondere ganz in Wegfall gekommen sind.

Zu der deutschen Diätenfrage ist endlich infolge verschiedener Ausführungen des Fürsten Bismarck noch ein weiterer Streitpunkt neuerdings hinzugekommen. Man nahm nämlich früher allgemein an, daß es trotz jener Verfassungsbestimmung dem Reichstagsabgeordneten unbenommen sei, von Privatpersonen, namentlich von den Parteigenossen, Vergütungen für die ihm durch sein Mandat erwachsenden Unkosten anzunehmen (sogen. Privat-, Parteidiäten). Die frühere deutsche Fortschrittspartei hatte zu diesem Behuf einen Diätenfonds gebildet, aus welchem einzelne Abgeordnete solche Entschädigungen erhielten. Der Fürst-Reichskanzler hat dies jedoch wiederholt als unzulässig bezeichnet. Man hat auch dagegen geltend gemacht, daß ein solcher Abgeordneter leicht in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis der Parteileitung gegenüber kommen könne. Jedenfalls kann nach jener Bestimmung der Reichsverfassung weder aus der Reichskasse noch aus einer andern öffentlichen Kasse, Staats- oder Kommunalkasse, die Zahlung von D. an die Reichstagsmitglieder erfolgen, da eine solche Ausgabe als ungesetzlich beanstandet werden müßte. Wenn ferner, wie dies in Württemberg in Ansehung der Staatsbeamten der Fall, jemand die Annahme von Geschenken untersagt ist, so würde er auch als Reichstagsabgeordneter solche Zuwendung von Privatdiäten nicht annehmen dürfen. Was aber im übrigen die Annahme von Privatdiäten anbetrifft, so hat die Verfassung keinerlei Nachteile mit derselben verbunden; sie hat sie weder mit Strafe noch mit Verlust des Mandats bedroht, so daß es völlig an einer Bestimmung fehlt, auf die man solche Folgen gründen könnte. Übrigens hat man in England die Entgegennahme derartiger Zuwendungen seitens einzelner Parlamentarier nicht beanstandet.

Was die deutschen Einzellandtage anbetrifft, so erhalten die Mitglieder der Ersten Kammer (Herrenhaus) in Preußen keine D.; dasselbe gilt für die Mitglieder der Kammer der Reichsräte in Bayern. In Sachsen bezieht sich die Diätenlosigkeit nur auf diejenigen Mitglieder der Ersten Kammer, welche vermöge erblichen Rechts oder als Abgeordnete der Kapitel und der Universität erscheinen. In Württemberg erhalten die standesherrlichen, die erblichen und die nicht in Stuttgart wohnenden lebenslänglichen Mitglieder der Ersten Kammer nur dann D., wenn sie darauf Anspruch machen, während in Hessen sich der Diätenbezug auf diejenigen Mitglieder beschränkt, welche nicht durch die Geburt berufen sind, und deren Wohnsitz weiter als eine halbe Stunde vom Orte der Versammlung entfernt ist. Die Mitglieder der Zweiten Kammern und der Landtage mit Einkammersystem erhalten in allen deutschen Staaten D. Eine Verschiedenheit besteht hier nur rücksichtlich der am Orte der Versammlung wohnhaften Abgeordneten. Letztere erhalten in einigen Staaten (Braunschweig, Oldenburg, Meiningen und Altenburg) niedrigere, in Bayern, Sachsen, Baden und Hessen gar keine D., während in den übrigen Staaten ein solcher Unterschied nicht besteht. Eigentümlich ist endlich die Vorschrift der preußischen Verfassung (Art. 85), welche auch in den Verfassungsurkunden einiger Kleinstaaten wiederkehrt, daß ein Verzicht auf die D. unzulässig ist. Während aber die D. der Abgeordneten in den deutschen Staaten sich in mäßigen Grenzen halten, wie sie denn z. B. in Preußen (Gesetze vom 30. März 1873 und 24. Juni 1876) 15 Mk. pro Tag betragen, ist der Diätenbezug in manchen außerdeutschen Staaten ein so hoher, daß, entgegen der deutschen Auffassung, die Stellung des Abgeordneten zu einer lukrativen Einnahmequelle wird. In Frankreich erhält der Deputierte nach dem Gesetz vom 30. Nov. 1875: 9000 Frank jährlich. Während des Kaiserreichs stellten sich die Einkünfte noch höher. In den Vereinigten Staaten erhält der Abgeordnete 5000 Doll. für die Legislaturperiode, der Sprecher des Repräsentantenhauses bezieht 8000 Doll. Abgesehen von England, werden in allen außerdeutschen Staaten mit Repräsentativverfassung D. gezahlt. Auch die Mitglieder der Provinziallandtage, Kreistage u. dgl. beziehen D. Schöffen und Geschworne erhalten keine D., sondern nur Vergütung der Reisekosten. Vgl. außer den Hand- und Lehrbüchern des Staatsrechts Milner, Zur Diätenfrage (Tübing. 1874); Dippe, Bestimmungen über Tagegelder etc. in Preußen und dem Deutschen Reich (Berl. 1880).

Diatessăron (griech.), bei den Griechen und im Mittelalter Name der reinen Quarte; auch Titel einer Schrift des Tatian, s. Evangelienharmonie.

Diätētik (griech.), Gesundheitslehre, s. Diät; Diätetiker, Gesundheitslehrer, Freund einer geordneten, mäßigen Lebensweise; diätētisch, der D. gemäß, gesundheitsmäßig.

Diathēke (griech.), Bund, s. v. w. Testament (Altes und Neues).

Diathermān (griech., "für Wärmestrahlen durchlässig"), Bezeichnung, die in Beziehung auf die Wärmestrahlen dasselbe ausdrückt, was durchsichtig (diaphan) in Beziehung auf die Lichtstrahlen besagt. Daher Diathermanität oder Diathermansie, die Wärmedurchlässigkeit eines Körpers; s. Wärmestrahlung.

Diathēse (griech.), fehlerhafte Anlage (s. d.).

Diatít, ein Kitt aus gleichen Teilen Gummilack und fein verteilter Kieselsäure (Infusorienmehl).

Diatomeen, Familie der Algen aus der Ordnung der Konjugaten; s. Algen, S. 343.