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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Diätarius; Diäten

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Diätarius - Diäten.

gen D. gehören alle säuerlichen und süßlichen Pflanzenfrüchte, welche reich an Wasser, Zucker, Pflanzensäuren und deren Salzen sind, auch getrocknetes Obst und Weißbrot, als Getränk Wasser und überhaupt indifferente schleimige, auch angesäuerte Flüssigkeiten (Limonade). Zur restaurierenden oder roborierenden D. gehören alle Fleischsorten, doch waltet unter diesen ein wesentlicher Unterschied ob. Das sogen. weiße Fleisch, welches von jungen Tieren, von Geflügel, Fischen und Kaltblütern herrührt, ist weniger reizend, aber im ganzen auch weniger nahrhaft als das rote Fleisch der Ochsen, des Wildbrets, auch der gemästeten Vogelarten: Gänse und Enten, der Rebhühner, Kramtsvögel etc. Zur roborierenden D. gehören ferner: Eier, Milch, Brot, Schokolade, Fleischbrühe, Wein und gutes, kräftiges Bier. Besonders sind es die süßen Weine und unter ihnen der Ungarwein, welche mit großem Erfolg bei Schwächezuständen in Anwendung gebracht werden. Die roborierende D. eignet sich vorzüglich für geschwächte, blutarme und in der Ernährung heruntergekommene Leute. Vgl. v. Lauer, Gesundheit, Krankheit, Tod (Berl. 1865); Ideler, Allgemeine Diätetik für Gebildete (das. 1855); Wiel, Diätetisches Kochbuch (5. Aufl., Freiburg 1881); Derselbe, Tisch für Magenkranke (6. Aufl., Karlsbad 1884); Uffelmann, Tisch für Fieberkranke (das. 1882); Biermann, Tisch für Lungenkranke (das. 1882); Eyselein, Tisch für Nervenkranke (das. 1883).

Diätarius, s. Diäten.

Diäten (eigentlich Diëten, v. lat. dies "Tag", Tagegelder), die tagweise Vergütung, welche man bei besonderm Dienstaufwand beanspruchen kann. So erhalten Beamte, Anwalte, Ärzte etc. bei Verrichtungen außerhalb des Wohnorts nicht nur Vergütung der Reisekosten (Transportkosten), sondern auch zur Entschädigung für den außerdem erwachsenden besondern Aufwand D., wie denn solche auch den Mitgliedern parlamentarischer Körperschaften bezahlt werden; daher Diät, s. v. w. Sitzungsperiode einer Ständeversammlung. Werden Beamte im Vorbereitungsdienst ohne festen Gehalt beschäftigt und lediglich mit D. remuneriert, so bezeichnet man einen solchen zeitweise Angestellten als Diätar oder Diätarius. In Bezug auf den Rang und die amtliche Stellung der Staatsbeamten werden verschiedene Diätenklassen unterschieden, indem die höhern Beamten höhere, die niedern geringere Diätensätze zu beanspruchen haben, welche gesetzlich normiert sind. Für die Beamten des Deutschen Reichs sind die Tagegelder durch Verordnungen vom 21. Juni 1875 (Reichsgesetzblatt, S. 249) und 19. Nov. 1879 (Reichsgesetzblatt, S. 313) mit Ausführungsbekanntmachung vom 9. April 1881 (Zentralblatt für das Deutsche Reich, S. 136) bestimmt. Auf Beamte der Reichseisenbahnverwaltung und der Postverwaltung sind diese Vorschriften ausgedehnt nach Maßgabe der Verordnungen vom 5. Juli 1875 (Reichsgesetzblatt, S. 253) und vom 29. Juni 1877 (Reichsgesetzblatt, S. 545), auf Militär- und Marinebeamte nach Maßgabe der Verordnung vom 20. Mai 1880 (Reichsgesetzblatt, S. 113), während für die gesandtschaftlichen und Konsularbeamten die Verordnungen vom 23. April 1879 (Reichsgesetzblatt, S. 127) und 7. Febr. 1881 (Reichsgesetzblatt, S. 27) maßgebend sind. Für die Reichsbeamten gilt der Grundsatz des preußischen Beamtenrechts (Gesetze vom 24. März 1873 und 28. Juni 1875), wonach D. erst bei einer Entfernung von mindestens 2 km vom Wohnort des Beamten gezahlt werden.

Viel erörtert und viel bestritten ist die Frage, ob den Mitgliedern der Volksvertretung während der Legislaturperiode D. zu zahlen seien oder nicht, namentlich seitdem man für den Norddeutschen Bund und in der Folge auch für das Deutsche Reich, entgegen der bisherigen deutschen Gewohnheit, gleichzeitig mit der Proklamierung des allgemeinen Stimmrechts das Prinzip der Diätenlosigkeit der Reichstagsabgeordneten adoptierte. Für die Nichtzahlung von D. wird auf der einen Seite der Umstand geltend gemacht, daß die Stellung der Abgeordneten, welche keine D. beziehen und ihren Beruf als Volksvertreter also lediglich als ein Ehrenamt ausüben, eine würdigere und angesehenere sei als im umgekehrten Fall, in welchem zudem manch unlauteres Mitglied durch die Verwilligung von D. in das Parlament gezogen werden könnte. So nennt John Stuart Mill die D. "ein immerwährendes Zugpflaster, auf die übelsten Seiten der menschlichen Natur gelegt". Schwächer ist der weiter für die Nichtzahlung von D. geltend gemachte Grund, daß die Sessionen der Ständeversammlungen von kürzerer Dauer sein möchten, und daß der Geschäftsgang in den parlamentarischen Verhandlungen ein rascherer sein werde, wenn die Abgeordneten lediglich auf ihre eignen Mittel angewiesen sind, als wenn sie D. beziehen. Die verbündeten deutschen Regierungen halten an der Diätenlosigkeit namentlich um deswillen fest, weil sie darin ein Korrektiv und Gegengewicht gegenüber dem allgemeinen Wahlrecht erblicken. Man nimmt nämlich gewöhnlich an, daß die Wahlen konservativer ausfallen, wenn die diätenlosen Abgeordneten aus der besitzenden Klasse genommen werden, deren Angehörige konservativer zu sein pflegen als diejenigen, welche nichts zu verlieren haben und ebendeshalb dem Radikalismus geneigter sind. Mit dieser Annahme steht indessen das Anwachsen der sozialdemokratischen Partei im Reichstag nicht im Einklang. Man hat sich auch wohl auf das Beispiel Englands berufen, woselbst seit der zweiten Revolution die Mitglieder des Parlaments keine D. beziehen; doch ist dieser Vergleich bei der wesentlichen Verschiedenheit der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Englands gegenüber den unsrigen nicht allenthalben zutreffend. Auf der andern Seite macht man für die Verwilligung von D. geltend, daß der Zutritt zur Volksvertretung nicht bloß dem Reichen offen stehen soll, und daß Begabung und Wohlhabenheit nicht immer Hand in Hand gehen, wie Dahlmann sagte, "daß nur die D. dem Volk verbürgen, daß seine Wahlkammer dem bürgerlichen Verdienst auch ohne das Geleit des Reichtums offen stehe". Man erinnert auch daran, daß möglichst alle Berufsstände im Parlament vertreten sein sollen, und man weist darauf hin, wie im deutschen Reichstag namentlich der Stand der Großgrundbesitzer allzu reichlich vertreten sei, insbesondere gegenüber den Angehörigen des Kleingewerbes und dem Stande der kleinen Landwirte. Gleichwohl halten die verbündeten Regierungen an dem § 32 der Reichsverfassung fest: "Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen". Bei der Beratung der norddeutschen Bundesverfassung im konstituierenden Reichstag war diese Bestimmung ursprünglich verworfen worden; sie fand aber in der dritten Lesung eine ansehnliche Majorität, nachdem die Regierungen von derselben das Zustandekommen der Verfassung wesentlich mit abhängig gemacht hatten. Seitdem ist der Antrag auf Verwilligung von D. im Reichstag oft gestellt worden. 1868 und 1869 wurden diesbezügliche Anträge des Abgeordneten Waldeck abgelehnt, und 1870 ging der Reichstag über einen solchen An-^[folgende Seite]