Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Diphtheritis

1005

Diphtheritis (bei Haustieren).

fernen, um die Möglichkeit einer weitern Ansteckung abzuschneiden. Die Krankenzimmer müssen wohl gelüftet werden, die Fenster sollten womöglich gar nicht geschlossen werden, und die höchste Sorgfalt muß auf Lüftung und Reinigung aller Räume verwendet werden, in welchen ein Kranker mit D. gelegen hat.

Über die Behandlung der D. gehen die Ansichten weit auseinander. Die meisten Ärzte huldigen einer lokalen Behandlung der D., indem sie die häutigen Belagmassen von der Schleimhaut abkratzen und die Schleimhaut mit Ätzmitteln bepinseln oder mit dem Ätzstift eingreifend touchieren. Gewöhnlich wird der Höllenstein in Lösung oder Substanz als Ätzmittel benutzt; manche Ärzte geben der konzentrierten Salzsäure, der Chromsäure, dem Liquor ferri sesquichlorati oder andern Ätzmitteln den Vorzug. Viele erfahrene Ärzte halten dagegen eine solche örtliche Behandlung der D. für gänzlich nutzlos und sind nur bestrebt, auf das Allgemeinbefinden kräftigend einzuwirken. Solange wir indessen ein durchschlagendes Mittel nicht haben, scheint es geboten, örtlich die Ausbreitung der Pilze wenigstens nach Möglichkeit zu bekämpfen; möglichst frühzeitig lasse man mit einer angenehm sauer schmeckenden Zitronensäurelösung alle fünf Minuten gurgeln. Nur die dauernde Berührung der Säure gibt Aussicht auf Abschwächung der Diphtheritisorganismen, so daß man bei Kindern die Flüssigkeit, die ohne Schaden verschluckt werden darf, wenigstens 2-3 Tage lang in kurzen Pausen durch Zerstäubung in Mund und Nase an die kranken Flächen zu bringen hat. Daneben versuche man bei Beginn kalte Umschläge und Eispillen, später, wenn die Eiterung nicht mehr zu hindern ist, warme Breiumschläge um den Hals. Die Hauptaufgabe des Arztes bleibt, die Kräfte des Kranken durch China- und Eisenpräparate, durch Wein und kräftige Nahrung aufrecht zu erhalten. Jede schwächende Behandlung, zumal Blutentziehung, ist unter allen Umständen zu vermeiden, namentlich auch in dem Fall, wenn Krupp des Kehlkopfes zur D. hinzutritt, welcher übrigens für sich, am besten durch frühzeitige Tracheotomie, zu behandeln ist. Gegen die diphtheritischen Lähmungen hat man den galvanischen Strom, kalte Douchen, Seebäder etc. empfohlen. Da diese Lähmungen jedoch erfahrungsmäßig von selbst heilen können, so ist es schwer zu sagen, ob jener Behandlung ein erheblicher Einfluß beizumessen ist. Vgl. Seitz, D. und Krupp, geschichtlich dargestellt (Berl. 1877); Francotte, Die Diphtherie (deutsch, Leipz. 1885); Schottin, Die diphtheritische Allgemeinerkrankung (Berl. 1885).

Diphtherie bei Haustieren.

Diphtherie der Rinder (bösartiges Katarrhalfieber, akute Kopfkrankheit), durch spezifische Infektion in der Schleimhaut des Schlundkopfes, des Kehlkopfes, der Nasen- und Kieferhöhlen sowie in der Luftröhre und in den Bronchien entstehende exsudative Entzündung, wobei sich Fibrin in größern oder geringern Mengen abscheidet und die Schleimhaut in ihren obern Schichten brandig abstirbt. Mit dieser schweren Störung ist immer eine Blutvergiftung verbunden, durch welche Fieber, Pulsfrequenz, Appetitmangel und große Schwäche verursacht werden. Regelmäßig stellt sich entzündliche Infiltration der weichen Hirnhaut und infolgedessen starke Benommenheit des Bewußtseins, selbst förmliche Schlafsucht ein. Ebenso konstant ist die Trübung der Augen (Entzündung der Kornea und der Iris). Als Symptome sind außerdem schniebendes Atmen und Unvermögen zum Stehen zu beachten. Die D. kommt sporadisch oder in größerer Verbreitung innerhalb eines Viehbestandes vor. Auf andre Tiere oder auf den Menschen ist sie nicht übertragbar. Die Behandlung der ausgebildeten Krankheit ist nur selten von Erfolg. Am meisten hat sich die Applikation von Kalkwasser auf die kranken Schleimhäute des Kopfes und die Einatmung von Kalkdämpfen bewährt. In prophylaktischer Hinsicht ist die sofortige Trennung der kranken von den gesunden Rindern und die Desinfektion des Standorts der kranken Tiere erforderlich.

Diphtherie der Schafe, eine eigentümliche Infektionskrankheit, der vorwaltend die Lämmer unterworfen sind. Als Ursache ist das Betreiben einer Weide, die kurz zuvor mit Jauche gedüngt wurde, bekannt. Die D. kann aber auch im Stall durch spezifische Miasmen veranlaßt werden. 3-8 Tage nach der Infektion zeigen die Tiere Fieber, Mangel an Appetit, Rötung der Schleimhäute und Verfall der Kräfte, zuweilen Durchfall. Mit wenigen Ausnahmen gehen die erkrankten Lämmer stets zu Grunde. Die Sektion ergibt in der Rachenschleimhaut eine ausgebreitete Entzündung mit Ertötung des Epithels und flächenartige Modifikation der obern Schleimhautschicht, zuweilen auch das Vorhandensein tieferer Geschwüre. Die in den andern Organen des Körpers befindlichen Veränderungen haben einen symptomatischen Charakter und stehen mit der Blutvergiftung in ursachlichem Zusammenhang. Von einer Behandlung der kranken Tiere ist kein Erfolg zu erwarten. Es erübrigt daher nur, auf die Entfernung der Krankheitsursachen Bedacht zu nehmen und insbesondere die Lämmerherden nicht auf Weiden gelangen zu lassen, auf welchen kurz zuvor eine Düngung mit Fäkalstoffen, resp. mit Jauche stattgefunden hat.

Diphtherie des Geflügels. Bei Tauben, Hühnern, Pfauen und Puten, aber auch bei Gänsen und Enten kommt die D. vor, die sich als eine ansteckende Seuche charakterisiert und zuweilen mehrere Monate in einem Gehöft herrscht. Die D. besteht in einer kruppösen (faserstoffigen) Entzündung und oberflächlichen Modifikation der Schleimhäute, vorzugsweise der Maul- und Rachenhöhle und der Augen. Durch Resorption der Krankheitsprodukte vollzieht sich eine eigentümliche Blutvergiftung mit sekundärer Affektion der meisten innern Organe. Das an D. leidende Geflügel zeigt beschwerliches, von rasselnden und pfeifenden Geräuschen begleitetes Atmen; die Körpertemperatur steigt bis 42° und darüber; vermehrtes Durstgefühl und verminderte Futteraufnahme. Schwer erkrankte Tiere niesen und husten viel. Die Schleimhäute des Mauls und der Nase sind mit kruppösen Exsudaten bedeckt. Nicht selten kompliziert sich das Leiden mit Lungenentzündung und mit kruppöser Darmentzündung. Durchschnittlich erliegen 40 Proz. des Bestandes der Seuche. Zuweilen verläuft dieselbe günstiger. Bei Vernachlässigung der Behandlung kann der Verlust auf 80 Proz. steigen. Für das Heilverfahren ist die Vernichtung des Infektionsstoffes die Hauptsache. Der Kausalindikation wird entsprochen durch Einrichtung von Kontumazställen, durch schleunige Trennung der gesunden von den kranken Tieren, Vergraben oder Verbrennen der gestorbenen Tiere und sorgfältige Desinfektion der Ställe mit Karbolsäure. Bei den erkrankten Tieren ist die häufige Verabreichung einer 2proz. Alaunlösung oder Tannin in Wasser nützlich. Auch leistet ein Zusatz von Salzsäure zum Trinkwasser gute Dienste. Die faserstoffigen Belege in der Maul- und Nasenhöhle sind behutsam abzustreifen. In geeigneten Fällen ist die Bepinselung der kranken Schleimhäute mit Höllensteinlösung oder Jodtinktur zu versuchen.