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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ernährung

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Ernährung (die Nährstoffe des Tierkörpers).

hielt, 49 Tage bei völligem Wohlsein ohne Gewichtsverlust verbrachte. Allerdings waren sehr große Fleischmengen (mehr als 4 Proz. des ganzen Körpergewichts) hierzu erforderlich.

Die wichtigsten eiweißhaltigen Nahrungsmittel liefert uns das Tierreich (Fleisch, Milch, Käse, Eier), weniger eiweißhaltig sind die Vegetabilien (Bohnen, Erbsen, Linsen und Getreide enthalten noch die größten Mengen von Eiweiß). Zwischen animalischer und vegetabilischer Kost besteht überhaupt der bemerkenswerte Unterschied, daß in ersterer die Eiweißkörper, in letzterer die Kohlehydrate das Übergewicht haben, ein Verhältnis, welches selbst dann noch schroff ausgesprochen ist, wenn den animalischen Nahrungsmitteln die eiweißreichsten Vegetabilien gegenüberstehen. So besitzen z. B. nach Hofmann 100 Gewichtsteile Trockensubstanz der nachfolgenden Nahrungsmittel folgende Zusammensetzung:

Nahrungsmittel Eiweiß Fett Kohlehydrate Salze

Mageres Ochsenfleisch 89,4 5,5 - 5,1

Erbsenmehl 27,3 0,8 68,9 3,0

Weizenmehl 16,6 0,9 81,9 0,6

Den Eiweißkörpern nahestehen die leimgebenden Substanzen oder Albuminoide, wozu vor allen Dingen Bindegewebe, Sehnen und Sehnenhäute, Knorpel und Knochen zählen. Über den Wert dieser Substanzen für die E. sind die Ansichten weit auseinander gegangen, bis endgültig festgestellt wurde, daß der Leim innerhalb beschränkter Grenzen den Eiweißverbrauch des Organismus zu verringern vermag, daß er also eiweißersparend wirkt. Von Leim jedoch vermag der Organismus selbst bei genügender Zufuhr stickstofffreier Nährstoffe nicht zu existieren; stets ist vielmehr die Verabreichung namhafter Mengen von Eiweiß erforderlich.

2) Die Fette sind nächst den Eiweißkörpern die wertvollsten Nährstoffe. Liebig hatte sich vorgestellt, daß sie, wie auch die Kohlehydrate, nicht zur Arbeitsleistung, sondern lediglich zur Wärmeentwickelung dienen könnten; die neuere Physiologie hat aber nachgewiesen, daß diese Annahme irrig ist, da auf Kosten dieser Nährstoffe recht wesentlich die Körperarbeit verrichtet wird. Wir besitzen keine Kenntnis von grundsätzlichen Differenzen in der Nährwirkung zwischen Fetten und Kohlehydraten und nehmen an, daß 100 g Fett im allgemeinen das Gleiche leisten wie 175 g Stärkemehl. Die Fette werden im Organismus, soweit sie nicht als Körperfett zum Ansatz gelangen, zu Kohlensäure und Wasser verbrannt, und diese Verbrennung dient keineswegs allein der Wärmebildung, sondern auch der Leistung mechanischer Arbeit. Den Fetten kommt außerdem bis zu einem gewissen Grad ein sparender Einfluß auf den Eiweißzerfall im Organismus zu, indem bei gleichzeitiger Zufuhr einer genügenden Menge von Fett ein etwas geringeres Quantum von Eiweiß im Körper zerstört wird als sonst. Das angesetzte Fett dient dem Körper hauptsächlich als Reservenährstoff. Ein mäßiger Fettreichtum macht den Körper leistungs- und zugleich widerstandsfähiger gegen die Einflüsse des Hungers. Ein sehr magerer Körper erleidet den Hungertod weit früher als ein mäßig fetthaltiger. In kalten Klimaten und bei ungewöhnlichen Körperanstrengungen auch in gemäßigten Zonen verträgt der Körper ganz ungewöhnlich große Fettmengen. Die Annahme, daß Fette schwer resorbierbar seien, ist irrig.

3) Die Kohlehydrate wirken ganz ähnlich wie die Fette und werden, soweit sie nicht im Körper der Fettbildung dienstbar gemacht werden, wie diese Nährstoffe zu Kohlensäure und Wasser verbrannt. Sie sind die billigsten Nährstoffe und sind namentlich bei den ärmern Ständen vielfach reichlicher in der Kost vertreten, als zweckmäßig scheint. Da die Fette nicht nur leichtverdaulich, sondern auch in ihrer Nährwirkung den Kohlehydraten weit überlegen sind, große Mengen der letztern aber oftmals durch abnorme Gärungen schädlich wirken, so ist das Bestreben der bessern Stände, nicht übergroße Mengen von Kohlehydraten aufzunehmen, sondern lieber ein gewisses Quantum von leichtverdaulichen Fetten zu verzehren, physiologisch vollkommen gerechtfertigt. Die wichtige Frage, ob Fette aus Kohlehydraten hervorgehen können, ist, nachdem sie zunächst besonders von Liebig, Lawes u. Gilbert und Boussingault bejaht wurde, auf Grund der Versuche von Pettenkofer und Voit, die ein Hervorgehen von Fett aus Eiweißkörpern nachwiesen, bestritten worden. Denn da in den Fütterungsversuchen, aus denen man auf ein Hervorgehen von Fett aus Kohlehydraten geschlossen hat, neben den Kohlehydraten stets ein großes, weiter gar nicht in Betracht gezogenes Quantum Eiweiß verfüttert worden war, so wurde jetzt hervorgehoben, daß diese Versuche auch ausnahmslos als Belege für eine Fettbildung aus Eiweiß dienen könnten. Man lehrte jetzt mit Voit, daß Fett nicht aus Kohlehydraten, wohl aber aus Eiweißkörpern hervorgehen könne, daß die Kohlehydrate die Fettbildung nur insofern begünstigten, daß sie als sehr leicht oxydierbare Substanzen bei ihrer Verbrennung ein Quantum Sauerstoff an sich rissen, welches bei ihrer Abwesenheit zur Oxydation des im Körper schwerer verbrennbaren, aus zersetztem Eiweiß hervorgegangenen Fettes dienen würde. In der Neuzeit haben aber besonders Henneberg und Soxhlet unwiderlegliche Beweise dafür gebracht, daß die Kohlehydrate an der Fettbildung im Organismus beteiligt sind.

4) Von anorganischen Substanzen sind Wasser und gewisse Salze ganz unentbehrliche Nährstoffe. Bei völliger Entziehung des Wassers geht der Organismus fast ebenso schnell zu Grunde wie bei Abschneidung der ganzen Nahrung. Das aufgenommene Wasser hat für die Ernährungsvorgänge die höchste Bedeutung, und die Annahme, daß es schon bald nach seiner Aufnahme durch die Nieren ausgeschieden werde, ist völlig irrig. Nüchternen Hunden, deren stündlich gebildete Harnmenge genau bekannt war, spritzte man ein abgemessenes Quantum Wasser in den Magen und bestimmte nunmehr die unter der Einwirkung dieses Wassers gebildete Harnmenge. Hierbei fand man die Ausscheidung in der ersten Stunde nach der Einverleibung sehr unbedeutend, erst in der zweiten bis sechsten Stunde wurde sie erheblicher. Das Wasser spielt im Organismus eine ungemein wichtige Rolle. Durch seinen Gehalt an Salzen, speziell an Kochsalz, bewahrt es den Geweben des Körpers ihre normale physikalische Konsistenz; verringert man den Salzgehalt, so quellen die Gewebe und gehen zu Grunde. Nur durch seine Gegenwart in den Verdauungssäften wird die Aufnahme der Nahrung, deren Verdauung und Transport zu den Organen möglich. Weiter dient es zur Aufnahme der in den Organen gebildeten Zersetzungsprodukte, die es behufs ihrer Entfernung aus dem Körper besondern Exkretionsorganen zuführt. Endlich wird ein Teil des Wassers den Zwecken der Wärmeregulierung dienstbar gemacht, indem es durch seine Verdunstung von der äußern Haut und den Lungen aus zur Entfernung von überschüssiger Körperwärme dient. Große Wasseraufnahme vermehrt den Eiweiß-^[folgende Seite]