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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankfurt am Main

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Frankfurt am Main (Geschichte).

Spaziergänge in der Umgebung: in den bedeutenden, sehr gut verwalteten Stadtwald (am Pfingstdienstag im dortigen Forsthaus das Frankfurter Volsfest ^[richtig: Volksfest], sogen. Wäldchestag), nach Bergen, Bockenheim, Hausen, Rödelheim, Niederwald, woselbst auch die Pferderennen stattfinden. Der Rudersport steht zu F. in hoher Blüte. Der Taunusklub veranstaltet regelmäßige Exkursionen in die benachbarten Gebirge.

[Geschichte.] Die Stelle, wo heute die Altstadt liegt, war eine sumpfige, von zahlreichen Flußarmen durchzogene Niederung und ist deshalb später bebaut worden als die Hochebene oberhalb derselben. Die Römerstraßen von Mainz nach Heddernheim (Novus vicus), der Saalburg (Arctaunum), Friedberg und den Grenzbefestigungen am Odenwald und Spessart umgingen diese Niederung, welche, wie noch jetzt zahlreiche Flurnamen beweisen, auf beiden Seiten des Flusses mit Wald bedeckt war. F. wird erst 793 urkundlich genannt, kommt aber schon 794 als namhafter Ort vor. Karl d. Gr. baute sich an der "Frankenfurt" einen Königshof, welcher an der Stelle der jetzigen St. Leonhardskirche stand, und hielt 794 hier eine Kirchenversammlung, auf welcher der Adoptianismus verdammt und der Bilderdienst verworfen wurde. Ludwig der Fromme wählte F. zum Wohnsitz, erweiterte die Pfalz, ließ an der Stelle des spätern Saalhofs einen noch größern Palast erbauen und umgab die Stadt 838 mit Mauern und Gräben. Nach dem Vertrag von Verdun (843) wurde F. die Hauptstadt des ostfränkischen Reichs oder Deutschlands. Das häufige Verweilen der Kaiser und Könige in F., die wiederholt hier gehaltenen Reichstage und Kirchenversammlungen, die Errichtung eines geistlichen Stifts und die zahlreichen Schenkungen an die dortige Kirche förderten das städtische Gemeinwesen ungemein. Auch als die deutschen Kaiser keine beständige Residenz mehr hatten, blieb F. doch kaiserliches Kammergut und Hauptort von Ostfranken. Nachdem Kaiser Friedrich I. 1152 hier gewählt worden, wurde die Stadt herkömmlich Wahlstadt der deutschen Könige. Im J. 1245 wurde F. unmittelbare Reichsstadt, und 1250 wurde die Burggrafschaft daselbst in das Reichsschultheißenamt verwandelt. Der Frankfurter Schöppenstuhl war der Oberhof (Obergericht) für die ganze Wetterau und die angrenzende Gegend. Anfangs gehörten die meisten Einkünfte der Stadt dem Reich; erst später, besonders unter Heinrich IV. und Friedrich II., wurden diese Einkünfte und sogar die Verwaltung selbst verpfändet oder verkauft. Die Gewalt in der Stadt lag zuerst in den Händen des Vogts und des Schultheißen. Schon früher wählten sich jedoch die Bürger eigne Bürgermeister mit Beisitzern, denen die Polizeiverwaltung und niedere Gerichtsbarkeit oblag, und da diese die Gunst des Kaisers genossen, ward die Würde der Vögte endlich zur Zeit des Interregnums (1257) ganz beseitigt. Kaiser Ludwig der Bayer, dem die Bürger, obgleich Friedrich von Österreich schon Sachsenhausen besetzt hatte, die Thore der Stadt öffneten, gab derselben 1329 die Erlaubnis, alle ihre verpfändeten Einkünfte, Ämter und Rechte einzulösen und bis zur Wiederauslösung von seiten des Reichs zu behalten. Dazu verbot er die Erbauung neuer Schlösser am Main und die Anlegung neuer Zölle in einem Umkreis von zehn Stunden, gewährte der Stadt das Recht, Bündnisse zu schließen, und erweiterte sie 1333. Auch in F. wurden die städtischen Ämter allmählich ein Erbteil einzelner hervorragender alter Geschlechter, was zu vielen Streitigkeiten mit den Zünften den Anlaß bot. Kaiser Karl IV. teilte endlich den Rat in die drei (je aus 14 Mitgliedern bestehenden) Bänke der Schöffen, der Gemeinde und der Zünfte. Durch die Goldene Bulle wurde F. 1356 beständige Wahlstadt der deutschen Kaiser, mit der Verpflichtung, den Wahlakt zu schirmen; 16 Jahre später brachte die Stadt das Schultheißenamt an sich. Vorzügliche Verdienste um seine Vaterstadt erwarb sich Jakob Knoblauch, welcher bei Kaiser Ludwig und Karl IV. die wichtigsten Privilegien, z. B. die, jährlich neben der seit 1240 bestehenden Herbstmesse eine Ostermesse zu halten, und das Münzrecht für F. erwirkte. Er löste auch die kaiserliche Pfalz ein und stellte sie wieder her. Sein Schwiegersohn Siegfried von Marburg vereitelte dann einen Versuch des Landvogts Ulrich III. von Hanau, der Stadt das Schultheißenamt zu entreißen und vor ihren Thoren einen Zoll zu errichten. Als Mitglied des Rheinisch-Schwäbischen Städtebundes schickte F. öfters seine Söldner aus, um die Burgen der Raubritter und Wegelagerer brechen zu helfen, wobei der Stadt Niederlagen nicht erspart blieben. Kaiser Maximilians I. ewiger Landfriede gab ihr die Ruhe wieder. Seitdem blühten Künste und Gewerbe auf, die Wissenschaften wurden gepflegt, und die Erfindung der Buchdruckerkunst förderte auch hier Bildung und Intelligenz.

Die Reformation, die in F. 1530 Eingang fand, befreite die Stadt endlich von dem übermäßigen klerikalen Druck, der auf ihr gelastet hatte. Nach einigem Zögern trat F. 1536 auch dem Schmalkaldischen Bund bei, öffnete jedoch im Dezember 1546 nach dem unglücklichen Feldzug der Verbündeten an der Donau den Kaiserlichen seine Thore. In den Jahren 1531-46 wurden in F. mehrere Konvente der protestantischen Fürsten abgehalten, wie auch 1558 hier auf einem Reichstag der Frankfurter Rezeß (s. d.) geschlossen ward. Als Kaiser Matthias 1612 die städtischen Privilegien bestätigte, kam es zu erheblichen Ruhestörungen, indem sich ein Teil der Bürgerschaft unter Leitung von Vinzenz Fettmilch gegen den Rat erhob und der Pöbel eine Judenverfolgung begann. Der Kaiser beauftragte Mainz und Hessen-Darmstadt mit der Herstellung der Ordnung, was jedoch erst 1616 gelang, wo der Bürgervertrag errichtet und das Zunftwesen aufgehoben wurde. Die Juden erlangten vom Kaiser ein Mandatum poenale restitutorium, zogen unter Militärbedeckung wieder in die Stadt ein und machten den Tag der Rückkehr (20. Adar) zu einem jährlichen Festtag, der den Namen Purim Vinz führt. Im Dreißigjährigen Krieg wußte F. stets die Neutralität zu behaupten, hatte aber dennoch viel, zumal durch die Pest, zu leiden. Im Westfälischen Frieden wurde es als Reichsstadt bestätigt und gelangte bald zu neuem Wohlstand. Im J. 1681 fand hier ein Kongreß der deutschen Fürsten statt, um der französischen Willkür entgegenzutreten; doch kam es infolge von Rangstreitigkeiten unter den Gesandten zu keinem Resultat. Als sich die Bürger wegen der drückenden Abgaben und des willkürlichen Regiments an den Kaiser wendeten, gab dieser der städtischen Verfassung, namentlich durch Einsetzung des Bürgerausschusses, eine zeitgemäße Änderung. Während des Siebenjährigen Kriegs wurde F. von den Franzosen, welche seit 1757 öfters Truppen hatten durchmarschieren lassen, am 2. Jan. 1759 besetzt und behielt trotz vieler Proteste die französische Besatzung bis zum Schluß des Kriegs. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. ließen sich in F. viele um ihres Glaubens willen vertriebene niederländische Familien nieder, welche den Unternehmungsgeist und die Gewerb-^[folgende Seite]