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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Franziskaner

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Franziskaner.

sonderung und feierliche Gelübde, veranlaßte Franz zur Stiftung der Laienbrüderschaft der sogen. Tertiarier (s. d.), an welchen zugleich für die Minoriten eine breite Grundlage und mächtige Stütze im bürgerlichen Leben gewonnen ward.

Trotz der Abneigung des Ordensstifters gegen die Kunst haben die F. einen großen Einfluß auf die Entwickelung der italienischen Kunst geübt, weil sie derselben umfangreiche Aufgaben stellten. Wo sich der Orden der F. verbreitete, wurden Kirchen und Klöster gebaut, die sich meist an den Typus der Mutterkirchen und -Klöster in Assisi anschlossen und mit Fresken und Altarbildern geschmückt wurden, für welche die legendarische Geschichte des Franz die Motive bot. In San Francesco in Assisi hat die italienische Freskomalerei durch Giotto und seine Schüler den ersten Aufschwung genommen, und seitdem zogen die F. gleich den Dominikanern die Kunst in ihren Dienst, um den Ruhm ihres Stifters allerorten zu verbreiten. Das Leben und die Wunderthaten des Franz wurden in zusammenhängenden Cyklen dargestellt, welche eine Reihe typisch gewordener Momente umfassen. Einer derselben, die Stigmatisation, d. h. die mystische Übertragung der Wundmale Christi auf Franz, blieb bis in das 18. Jahrh. Gegenstand künstlerischer Darstellung. Vgl. Thode, Franz von Assisi und die Kunst der Renaissance in Italien (Berl. 1885).

Papst Honorius III. erteilte dem Orden unter andern Privilegien auch das des Portiuncula-Ablasses (s. d.) und sanktionierte endlich förmlich 1223 eine neue, von Franz ihm vorgelegte kürzere Regel; zugleich erteilte er den Minoriten das Recht, überall zu predigen und Beichte zu hören (1223). Nachdem Franz 1224 auch die Klarissinnen (s. d.) konstituiert, begab er sich abermals in die Einsamkeit, sah hier in einer Verzückung einen gekreuzigten Seraph, und dieser drückte ihm unter brennendem Schmerz Jesu Wundmale ein, woher er den Namen des seraphischen Vaters, sein Orden den der seraphischen Brüder erhielt. Benedikt XI. gestattete den Minoriten ein eignes Fest der Wundmale des heil. Franziskus (Festum stigmatis S. Francisci), und Paul V. verpflichtete sämtliche katholische Geistliche zur Feier desselben. Franz starb 4. Okt. 1226 auf dem Erdboden in seiner Lieblingskirche (Portiuncula) und ward 1228 von Gregor IX. heilig gesprochen. Seine Biographen stellten sein Leben bis ins einzelnste als ein Nachbild des Lebens Jesu dar; ja, sie behaupteten zuweilen, letzteres sei durch ersteres namhaft übertroffen worden. Als General fungierte jahrelang unter vielen Wechselfällen Elias von Cortona, welcher sofort wieder mit seinen Änderungsversuchen hervortrat. Diesem gegenüber stellten sich an die Spitze derjenigen F., welche die von Franz herrührende Strenge verteidigten, der Geistesverwandte des Stifters, Antonius von Padua (s. d.), ein herzerschütternder Fastenprediger, und Cäsarius von Speier, der 1239 die Absetzung des Elias bei Gregor IX. durchsetzte. In der Bulle Exiit erklärte Papst Nikolaus III., daß den Franziskanern nicht der Besitz irdischer Güter, wohl aber der Nießbrauch gestattet sei; Besitzer aller Ordensgüter der F. sei der Papst. Auch der 1287 zum General erwählte Matteo di Aquas Spartas veranlaßte als Neuerer im Geiste des Elias wieder große Wirren. Einer der angesehensten Führer der strengern F., Peter Joh. de Oliva, der in seiner "Postilla super Apocalypsin" die römische Kirche als die babylonische Hure bezeichnete, entging, mehrmals verklagt, während seines Lebens dem päpstlichen Anathema, das ihn erst nach seinem Tod (1297) traf. Die Opposition der F. setzte im Geist Olivas Ubertino de Casale fort, welcher in seinem "Arbor vitae crucifixae" 1305 das Papsttum als das in der Apokalypse 13 geweissagte siebenköpfige Tier der Lästerung darstellte. Die Anhänger der strengen Richtung wurden Spiritualen genannt. Am weitesten gingen unter diesen in ihrer Opposition gegen das Papsttum die Fratricellen, welche sich der bischöflichen Jurisdiktion nicht fügen wollten, sich als im Besitz des Heiligen Geistes Stehende und als Sündlose betrachteten, die weder der Sakramente noch der Buße bedürfen. Sie fanden sich in Italien, besonders aber in Frankreich, wo sie die F. der mildern Richtung aus Narbonne und Béziers vertrieben; 1318-52 wurden sie von der Inquisition verfolgt. Von neuem loderte die Flamme der Zwietracht auf, als Johann XXII. 1322 die Unterscheidung Nikolaus' III. zwischen Besitz und Nießbrauch für eine fingierte und, durch die Dominikaner veranlaßt, 1323 die Behauptung der F., daß Christus und die Apostel nichts Eignes besessen hätten, für eine Ketzerei erklärte. Auch verzichtete er auf sein angebliches Eigentumsrecht an den Ordensgütern. Hiergegen legte der Ordensprokurator Bonagratia von Bergamo 1323 Appellation ein, die er mit einjähriger Haft büßen mußte. An der Spitze der strengen Partei stand damals der Ordensgeneral Michael von Cesena, der von Johann XXII. in Avignon gefangen gehalten wurde, 1328 entfloh und sich mit seinen Genossen Bonagratia und Occam (s. d.) zu dem Kaiser Ludwig dem Bayern begab, worauf der Papst die Flüchtlinge mit Amtsentsetzung und Kirchenbann bestrafte. Jetzt appellierte der Ordensgeneral vom Papst an die Kirche und erklärte die Päpste Johann XXII. und Benedikt XII. für Häretiker (1338). Er hat sich bis zu seinem Tode der Kirche nicht unterworfen; das Bekenntnis seiner Reue, welches er auf seinem Totenbett abgelegt haben soll, ist unecht. Vgl. Gudenatz, Michael von Cesena (1876). Aus den Kreisen der Spiritualen entsprang auch der Orden der Cölestiner-Eremiten, denen Papst Cölestin V. die Erlaubnis erteilt hatte, eine selbständige, von dem Franziskanerorden, dem sie ursprünglich angehörten, getrennte Gemeinschaft zu bilden. Durch die über sie seit 1302 ergehenden Verfolgungen wurden sie Gegner der Kirche; es scheint, daß sie den Grundstock der Fratricellen bildeten. Eine aus der strengen Richtung hervorgegangene Franziskanerkongregaton sind die Clareniner (Clareni fratres), welche, öffentliche Opposition vermeidend, bis 1566 ihre Selbständigkeit behaupteten. Zu diesen neuen Spiritualen gehörte auch die 1368 durch den Minoriten Paolucci di Foligno gestiftete Kongregation der Observanten (Familienbrüder), welche die Regel verschärfte. Sie selbst nannte sich nach einer den Gebirgsbauern entlehnten Tracht Soccolanti (Sandalenträger).

Auch in andern Ländern hatten sich inzwischen, doch überall unter heftigen Kämpfen, neue, zur ursprünglichen Strenge zurückkehrende Kongregationen gebildet, daher sich das Konzil zu Kostnitz veranlaßt fand, 13. Mai 1415 kanonisch festzusetzen, "daß fortan alle einzelnen Zweige des Ordens den zwei großen Kongregationen der Konventualen und Observanten einverleibt sein und keine andern Abteilungen künftig mehr geduldet werden sollten". Konventualen hatte man schon früher die Minoriten, welche die Milderungen der Regel festhielten, genannt; mit dem Namen der Observanten faßte man