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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Georg

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Georg (Großbritannien, Hannover).

14) G. IV. August Friedrich, König von Großbritannien, Irland und Hannover, Sohn und Nachfolger des vorigen, geb. 12. Aug. 1762, erhielt bei den glücklichsten Anlagen eine treffliche Erziehung, ward 1783 für majorenn erklärt und schloß sich den mit der Politik seines Vaters unzufriedenen Whigs an, deren Führer damals Burke, Fox u. a. waren. Bald aber gab er sich gänzlich unedlen Leidenschaften hin. Spieler, Verschwender und Wüstling, vermählte er sich überdies heimlich mit der schönen Katholikin Fitzherbert. Kaum hatte ihm das Parlament zur Bezahlung seiner (gegen ½ Mill. Pfd. Sterl. betragenden) Schulden die Summe von 160,000 Pfd. Sterl. bewilligt, so überließ sich G. sofort wieder den tollsten Ausschweifungen und verscherzte dadurch den letzten Rest der Achtung bei dem Volk. Dies zeigte sich besonders 1789 bei der Verhandlung der Regentschaftsfrage, wobei Pitt für die Einschränkung der Königsgewalt, Fox für den Kronprinzen focht. Erst 1794 entschloß sich G. unter der Bedingung, daß man seine Schuldenlast von 682,000 Pfd. Sterl. bezahle und die Apanage vermehre, zur Trennung von der Fitzherbert und heiratete 8. April 1795 seine Kousine, die Prinzessin Karoline von Braunschweig. Diese Ehe war jedoch eine so unglückliche, daß sich die Gatten schon 1796, nach der Geburt der Prinzessin Charlotte, wieder trennten. Während seine Brüder hohe Militärstellen bekleideten, war G. Oberst geblieben, und als er 1805, bei der beabsichtigten Landung Napoleons, eine seinem Rang angemessene Stellung in der Armee forderte, erhielt er vom König und den Ministern öffentlich eine abschlägige Antwort. Zwar mußte man ihm als dem Thronfolger im Januar 1811, als sich seines Vaters Krankheit als unheilbar erwies, die Regentschaft übertragen; jedoch fand sich das Parlament veranlaßt, seine Macht bedeutend zu beschränken. Im Gegensatz zu seiner frühern Verbindung mit der Opposition ließ er jetzt als Regent die Tories ungestört schalten. Franz I. und Alexander I. ernannten ihn zu ihrem Feldmarschall; doch blieb er in der bewegten Zeit von 1813 bis 1814 in England, sich vornehmlich mit den kostspieligsten Bauten beschäftigend. Bei dem Besuch, welchen ihm die fremden Monarchen nach dem Pariser Frieden abstatteten, entfaltete er einen nie gesehenen Glanz. Auf dem Wiener Kongreß forderte er als Regent von Hannover zwar die Einführung einer ständischen oder konstitutionellen Verfassung in denjenigen deutschen Staaten, wo eine solche bis dahin fehlte, ließ aber selbst als Vormund über die braunschweigischen Prinzen und Länder hier wie in Hannover nur die alten Feudalstände wieder ins Leben treten. Den Beitritt zur Heiligen Allianz verweigerte er als mit der englischen Verfassung unverträglich. Sein ganzes Regiment aber erzeugte in England immer größern Mißmut, der sich in Tumulten und Meutereien Luft machte. Als G. 1817 zur Eröffnung des Parlaments fuhr, wurde er im Park von St. James von einer wütenden Volksmenge angegriffen und eine Windbüchse auf ihn abgeschossen. Auch der Ehescheidungsprozeß, welchen er gegen seine Gemahlin einleitete, und die in demselben geführten Verhandlungen mußten die Achtung vor seinem Charakter noch mehr vernichten. Nach dem Tod seines Vaters ward er 29. Jan. 1820 zum König ausgerufen und 19. Juli 1821 mit großer Pracht gekrönt. Er berief nun, um die allgemeine Unzufriedenheit zu beschwichtigen, Canning, Robinson und Huskisson ins Kabinett, welche namentlich kommerzielle Reformen herbeiführten. Nach Cannings Tod hatte die Berufung Wellingtons an die Spitze des Ministeriums zwar die Emanzipation der Katholiken, aber zugleich eine bedeutende Reaktion in der auswärtigen Politik zur Folge. Dem Königreich Hannover erteilte G. durch das Patent vom 7. Dez. 1819 eine neue, den Anforderungen der Zeit in keiner Weise genügende Landesverfassung; die vormundschaftliche Regierung über Braunschweig legte er 1823 bei der Mündigkeitserklärung des Herzogs Karl nieder. Seit einigen Jahren leidend, starb er 24. Juni 1830 in Windsor. Ihm folgte sein zweiter Bruder als Wilhelm IV. auf dem Thron. Georgs einzige Tochter, Charlotte, vermählte sich 1816 mit dem Prinzen Leopold von Sachsen-Koburg, nachmaligem König von Belgien, starb aber schon 6. Nov. 1817. Vgl. Wallace, Memoirs of the life and reign of George IV. (Lond. 1832, 3 Bde.); Croly, Personal history of George IV. (das. 1846, 2 Bde.); "Journal of the reigns of Kings George IV. and William IV." (hrsg. von Greville, 4. Aufl., das. 1875), und über das Verhältnis des Königs zu seiner Gemahlin: Charlotte Bury, Diary illustrative of the times of George IV. (mit Briefen der Königin, 2. Aufl., das. 1844, 4 Bde.); Herzog von Buckingham, Memoirs of the court of George IV. (das. 1859, 2 Bde.); Fitzgerald, The life of George IV. (das. 1881, 2 Bde.); Mac Carthy, History of the four Georges (das. 1884 ff., 4 Bde.).

[Hannover.] 15) G. V. Friedrich Alexander Karl Ernst August, König von Hannover, Sohn des Königs Ernst August aus dessen Ehe mit der Prinzessin Friederike von Mecklenburg-Strelitz, geb. 27. Mai 1819 zu Berlin, kam 1837 mit dem Vater, welcher nach des kinderlosen Königs Wilhelm IV. von England Tod König von Hannover wurde, nach Deutschland. Schon früh entwickelte sich bei dem Prinzen ein Augenübel, welches auch durch eine 1840 von dem berühmten Dieffenbach unternommene Operation nicht beseitigt werden konnte, vielmehr ihn der Sehkraft beider Augen allmählich gänzlich beraubte. Daher ordnete sein Vater durch Patent vom 3. Juli 1842 an, daß die von dem Thronfolger zu vollziehende Unterzeichnung von Regierungsakten in Gegenwart von zwei Ministern und zwei aus zwölf zu diesem Geschäft eidlich verpflichteten, vom König ernannten Personen geschehen solle, welche eidlich durch Unterschrift zu bezeugen haben, daß die Urkunde dem König vorgelesen und daraufhin von ihm eigenhändig unterzeichnet worden sei. Mit dieser Formalität führte der Prinz, welcher unter Leitung seiner Mutter streng legitimistische Grundsätze und eine politisch und kirchlich reaktionäre Richtung angenommen hatte, die Regierung schon während einer längern Abwesenheit seines Vaters in England 1843; doch hat er seine Blindheit stets verheimlicht und auf Paraden, in Galerien etc. so gethan, als ob er wirklich sähe. Nach dem Tod seines Vaters, 18. Nov. 1851, trat er die Regierung des Königreichs Hannover als G. V. durch ein Patent an, worin er die unverbrüchliche Festhaltung der Landesverfassung gelobte. Schon unter dem Ministerium Scheele gaben sich die feudalen Neigungen des Königs kund, indes wollte dieser Minister eine Verfassungsänderung doch nicht ohne Beistimmung der Kammern vornehmen. Diese aber widerstrebten, und der König, welcher von einer Einmischung des Bundestags zu gunsten der alten Stände eine Verkürzung seiner mit ängstlicher Eifersucht gewahrten Souveränität besorgte und derselben zuvorkommen wollte, hob 1. Aug. 1855 die Verfassung von 1848 ganz auf. Im Januar 1857 wurde auch eine Ständeversammlung zusammengebracht,