Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gipsabguß; Gipsbeton; Gipsen; Gipskalk; Gipskraut; Gipslinsen; Gipsmarmor; Gipsverband; Gipsy; Giraffe

358

Gipsabguß - Giraffe.

kann ihn als Baumaterial selbst bei -5° bis -10° verarbeiten. Auf Grund dieser Thatsachen hat man in neuerer Zeit den G. als Baumaterial wieder empfohlen, und eine Art Gipsbeton wurde seit mehreren Jahren unter dem Namen Annalith mit dem günstigsten Erfolg vielfach zu bedeutenden Bauten verwendet. Der Annalith besteht aus einer Mischung von scharf gebranntem, langsam bindendem Osteroder G. mit reinem, scharfem Sand oder Grand und größern erdfreien Steinen (Flußkieseln, Abfällen von Bruchsteinen, Backsteinschrotten etc.). Er wird in eigentümlich zusammengesetzte Formen gegossen, in denen er bald die Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Wetterbeständigkeit der alten Gipsmauerwerke erlangt. Bisweilen formt man auch aus G. zunächst Quadern, die dann wie gewöhnlich benutzt werden. Fermin hat aus den Brocken alter Mauern, die er in einen Kasten schüttete, und deren Zwischenräume er mit gutem dünnen G. ausgoß, große Bausteine gefertigt, die in wenigen Tagen zum Vermauern brauchbar waren. Das Hôtel de Plâtres (Rue Grenelle) in Paris, aus derartigen Quadern gebaut, war nach 80 Jahren ohne Borsten, Risse und Senkung. In den Jahren 1858 und 1859 wurden am Harz verschiedene Gebäude in Gipsquadern ausgeführt, die sich sehr gut bewährt haben; auch hat man dort hohle Quadern angefertigt, indem man Kernstücke in die Formen setzte. Gewölbe, Treppen und Plafonds wurden mit großem Vorteil aus Annalith hergestellt; ebenso hat man Dampfmaschinenschornsteine, Anschlagsäulen, Dampftrockenöfen u. dgl. aus Annalith gebaut, und alle Erfahrungen sprechen dafür, daß diese Bauweise eine bedeutende Zukunft haben wird, zumal wir in Deutschland ausgedehnte Gipslager besitzen, welche den Bedarf auf lange Zeit zu decken im stande sind. Über die Benutzung des Gipses zu Zement s. d.

Der G. und seine große Verwendbarkeit waren schon den Alten bekannt. Herodot erzählt von den Äthiopiern, daß sie ihre getrockneten Leichname durchaus übergipsten und schön anmalten. Der Mörtel der großen Cheops-Pyramide besteht zu 83 Proz. aus G.; auch Vitruv und Plinius sprechen von der Benutzung des Gipses zu Bauzwecken, und letzterer erzählt, daß Lysistratos aus Sikyon zuerst einen Gipsabguß von einem menschlichen Gesicht genommen und in die Form Wachs gegossen habe. Mit Gipsspat bestreute man bei den circensischen Spielen den Boden, und auf ähnliche Weise benutzte später der gläubige Sinn des Volkes den farblosen, durchsichtigen Gipsspat als Symbol der Reinheit und Keuschheit und schmückte mit demselben die Statuen der Maria (Marienglas). Die großen Tafeln des spanischen Gipsspats dienten den Alten als Glastafeln. Später geriet die Kunst, in G. zu arbeiten, in Vergessenheit und soll zuerst von Margaritone um 1300 in Italien wieder erfunden worden sein. Vervollkommt ward sie namentlich durch den Maler Nani zu Zeit Raffaels, wie die vielen herrlichen Stuckarbeiten im Vatikan beweisen. In Deutschland wurde der G. in der Mitte des 17. Jahrh. zu gewöhnlichen Arbeiten vielfach benutzt; die Aufnahme der Stuckarbeiten datiert aber hier und in Frankreich erst von dem Anfang des 18. Jahrh., worauf sie dann, namentlich in der Rokokozeit, eine großartige Rolle spielte. Vgl. Heusinger v. Waldegg, Der Gipsbrenner, Gipsgießer und Gipsbaumeister (Leipz. 1867); Hüttmann, Der Gipser (3. Aufl., Weim. 1886); Gottgetreu, Physische und chemische Beschaffenheit der Baumaterialien, Bd. 2 (3. Aufl., Berl. 1881).

Gipsabguß, s. Abguß und Gips, S. 356 f.

Gipsbeton, s. Gips, S. 358.

Gipsen, s. Gips, S. 355, und Dünger, S. 222.

Gipskalk, s. Gips, S. 355.

Gipskraut, s. v. w. Gypsophila.

Gipslinsen, die linsenförmigen, meist als Zwillinge vorkommenden Gipskristalle im Süßwassergips des Pariser Beckens; s. Gips, S. 354.

Gipsmarmor, s. v. w. Stuck.

Gipsverband, ein fester, starrer Verband, welcher in der Neuzeit ausgedehnte Anwendung gefunden hat und überall da benutzt werden kann, wo ein Glied längere Zeit hindurch in fast absoluter Unbeweglichkeit erhalten werden soll. Von der größten Bedeutung ist der G. in der Kriegschirurgie, wenn es gilt, Verwundete mit zerschossenen Knochen und verletzten Gelenken auf weite Strecken zu transportieren. Das kranke Glied wird dann für die Dauer des Transports in einen G. gelegt, um dem Verwundeten die Qualen und Schmerzen zu ersparen, welche sonst durch die mit jeder Art des Transports verbundenen Erschütterungen des Körpers hervorgerufen werden. Beim Anlegen eines Gipsverbands verfährt man in folgender Weise: Zuerst wird das kranke Glied gereinigt und mit einer Binde aus dünnem Flanell oder aus weichem Baumwollstoff in der Ausdehnung des künftigen Gipsverbands kunstgerecht eingewickelt. Hierauf werden Gazebinden, welche vorher mit Gipsmehl imprägniert worden sind, in lauwarmes Wasser getaucht und in regelmäßigen Touren um das mit der Flanellbinde versehene Glied geführt. Gleichzeitig muß ein dünner Gipsbrei angerührt werden, welchen man mit der Hand über die gegipsten Gazebinden streicht, bis der Verband eine genügende, gleichmäßige Dicke und ein glattes, regelmäßiges Aussehen angenommen hat. Der Gips erstarrt nach etwa ¼ Stunde und bleibt je nach dem individuellen Bedürfnis mehrere Tage oder Wochen lang liegen. Befindet sich im Bereich des Gipsverbands eine Wunde, so wird an der Stelle der letztern nach Vollendung des Verbands eine Öffnung, sogen. Fenster, in die starre Hülle eingeschnitten, um die Wunde genügend übersehen und verbinden zu können. Zur Entfernung des Gipsverbands bedient man sich einer starken Schere, sogen. Gipsschere. Vgl. Verband.

Gipsy (spr. dsch-, entsprechend dem neugriech. Gyptis, türk. Kibdi, eigentlich "Ägypter"), der englische Name für Zigeuner.

Giraffe (Camelopardalis Schreb., Kamelparder), Säugetiergattung aus der Ordnung der Huftiere, repräsentiert allein die Familie der Abschüssigen (Devexa) und enthält nur die eine Art C. Giraffa Schreb. Dies ist ein höchst auffallend gebautes Tier, 2,2 m lang, mit 1,1 m langem Schwanz, am Widerrist 3, bis zum Scheitel aber 6 m hoch, da die Vorderbeine und der Hals sehr lang sind; der Rumpf ist dick und sehr kurz, der Rücken abschüssig, der Kopf sehr zierlich gebaut, mit mittellangen Ohren, großen Augen und zwei auf der Nase zwischen Stirn- und Scheitelbein stehenden, dem Rosenstock der Hirsche entsprechenden Knochenzapfen, welche sich bei beiden Geschlechtern finden, stets von der Haut überzogen bleiben und nicht abgeworfen werden. Vor ihnen liegt auf dem Nasenrücken eine dritte knöcherne Erhöhung. Die Beine sind zart mit zierlichem Huf und nackter Schwiele an den Beugegelenken, der lange Schwanz besitzt eine Endquaste. Die G. ist fast sandgelb, auf dem Rücken dunkler, auf der Unterseite weißlich, mit dicht stehenden, ziemlich großen, eckigen, dunkler oder heller rostbraunen Flecken, zwischen welchen der helle Grund nur netzartig hervortritt; der Haarkamm auf