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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Grauäsche; Graubraunstein; Graubünden

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Grauäsche - Graubünden.

Grauäsche, s. Meeräsche.

Graubraunstein, s. v. w. Pyrolusit oder Manganit.

Graubünden (Bünden, rätorom. ils Grischuns, ital. le Grigioni), Kanton der Schweiz, den Südosten derselben umfassend, grenzt östlich an Tirol, südlich an die Lombardei, westlich an Tessin und Uri, nördlich an Glarus, St. Gallen, Liechtenstein und Vorarlberg und hat ein Areal von 7185 qkm (130,5 QM.), ist somit der größte Kanton. G. ist ein Gebirgsland im strengsten Sinn des Wortes, ohne Ebenen, mit schmalen Thalflächen und dem ausgeprägten Charakter der Massenerhebung (s. Graubündner Alpen). Die Höhen bewegen sich auf einer Skala von 4052 m (Piz Bernina) bis 503 m (Mayenfeld-Fläsch), selbst bis 269 m (unterhalb Roveredo), den beiden tiefsten Thalausgängen. Die höchste ständige Wohnung hat der Bernhardinpaß (2063 m), dessen mittlere Jahrestemperatur +0,7° C. beträgt. Die Thäler, soweit sie zum Rheingebiet gehören, bilden hauptsächlich das Gebiet des Vorderrheins (Bündner Oberland) und des Hinterrheins (s. d.); unterhalb des Zusammenflusses beider Rheine, dem Churer Rheinthal und der sogen. "Herrschaft" (der bis 1798 von G. beherrschten Thalstufe von Mayenfeld-Malans-Jenins-Fläsch) zu, öffnen sich nur noch Schanvic und Prätigau. Die Flüsse dieser beiden Thäler sind die Plessur und die Lanquart. Das Pogebiet ist durch vier Thäler repräsentiert: Misox und Calanca, Bergell und Puschlav (die Ram, der Bach des Münsterthals, geht der Etsch und damit ebenfalls dem Adriatischen Meer zu), das Donaugebiet durch das vom Inn durchflossene Engadin und dessen Nebenthäler. Die Pozuflüsse heißen Moesa und Calancasca, Maira und Poschiavino. Die Hauptpforte der Nordseite bildet das Thal des Rheins, durch welches die Eisenbahn, eine Strecke der "Vereinigten Schweizerbahnen", bis nach Chur eindringt; die übrigen Zugänge sind, die durch Befestigungen geschützte Luciensteig (714 m) ausgenommen, bloße Gebirgspfade, wie das Schweizerthor (2170 m) und andre den Rätikon vom Montavon her überschreitende Pässe, der Kunkels 1351 m), der Segnas (2626 m), der Panixer Paß (2410 m) und der Kreuzlipaß (2350 m), die sämtlich nach den drei nördlichen Nachbarkantonen führen. Die Hauptpforte nach Uri, auf der Westseite, bildet die fahrbare Oberalp (2052 m), während nach S., Tessin und Italien zu, verschiedene fahrbare und unfahrbare Übergänge benutzt werden: Lukmanier (s. d.), La Greina (2360 m), nicht chaussiert, der Bernhardin (s. Bernardino) und Splügen (s. d.), Maloja (s. d.) und Bernina (s. d.), von Bergpfaden der wilde Muretto (2557 m) und das Wormser Joch (2512 m). Die natürliche Pforte nach O. bildet der Inn, dessen finstere Ausgangsschlucht bei Finstermünz auf dem Umweg über Nauders umgangen wird; eine kleine Straße führt über den Ofenpaß (2155 m) in das Münsterthal und damit in das Etschgebiet. Der Verkehr zwischen den einzelnen Thälern des Landes selbst benutzt eine Menge einsamerer Bergpfade; die Strela (2377 m), die Scaletta (2619 m), der Septimer (2311 m) u. a. dienen auch der Touristenwelt, während Lenzer Heide und Julier die fahrbare Verbindung mit Oberengadin, Laret und Flüela diejenige mit Davos und Unterengadin vermitteln. Wie G. in neuerer Zeit außerordentliche Anstrengungen machte, um den Verheerungen seiner Flüsse und Wildbäche Einhalt zu thun, so hat es auch in Straßenbauten Erstaunliches geleistet. Die ältern Paßrouten des Splügen und Bernhardin, denen sich Julier und Maloja anschlossen, standen wesentlich im Dienste des internationalen Transits; dagegen war es die Aufgabe einer Reihe jüngerer Bauten, die einzelnen Thäler unter sich in fahrbare Verbindung zu bringen. Zu diesem Zweck wurden vier Paßstraßen (Bernina, Albula, Flüela, Ofenpaß) und vier Thalstraßen (Unterengadin, Puschlav, Landwasser und Schyn) erbaut, letztere durch Schluchten, welche bisher unfahrbar gewesen waren. Vgl. Planta, Die Bündner Alpenstraßen (St. Gallen 1868), und J. J. ^[Johann Jakob] Egli, Die neuen Schweizer Alpenstraßen ("Gäa" 1876, S. 277 ff.).

Die Zahl der Einwohner beträgt nur (1880) 94,991, also 13 auf 1 qkm. Von den vier schweizerischen Nationalitäten weist G. drei auf. Das deutsche Element, jetzt 43,664 Köpfe stark, ist ins Rheinthal eingedrungen und hat das romanische zurückgedrängt; ein langsamer, aber stiller Kampf wird seine Herrschaft mehr und mehr befestigen. Noch bewohnen die Rätoromanen (37,794) den größten Teil des Oberlandes, verschiedene Gegenden im Hinterrheingebiet sowie das Engadin und Münsterthal, im Gebiet beider Rheine jedoch vielfach mit Deutschen gemischt. Die italienische Nationalität (12,976) hat hauptsächlich die vier Thäler des Pogebiets inne. 1880 waren neben 53,168 Protestanten 41,711 Katholiken und 38 Israeliten. Im Bündnerland begegnet man der sonst seltenen Erscheinung protestantischer Romanen: die Rätoromanen im Engadin (Tarasp ausgenommen), in Schams und Ferrera und die Italiener des Bergell gehören fast ausschließlich der reformierten Konfession an, ebenso die Mehrzahl der Rätoromanen des Münsterthals (Münster ausgenommen) sowie endlich mehr als ein Viertel der Italiener des Puschlav. Sonst überwiegen die Reformierten noch bei der deutschen Bevölkerung, während in den meisten romanischen Ortschaften das katholische Bekenntnis vorherrscht. Die graubündnerischen Katholiken stehen unter dem Bistum Chur. G. hat noch ein Mannskloster (in Disentis) und 3 Frauenklöster (Kazis, Poschiavo und Münster), zusammen mit einem Immobiliarvermögen von 1 Mill. Frank. So verschieden nun auch die Bevölkerung all der zahlreichen Thäler ist, so läßt sich doch folgendes von ihr sagen: Der Bündner ist durchschnittlich von ausgeprägter Physiognomie, dunkelhaarig, intelligent, gutartig, zäh, gewandt, nicht besonders thätig, leichte Erwerbsart bevorzugend, genügsam und sparsam, mit Hartnäckigkeit alter Gewohnheit und heimischer Sitte ergeben. Mit der Härte des Klimas, den Verheerungen der Gewässer und dem Mangel kultivierbaren Bodens steht er in einem schweren, ewigen Kampf. Der staatliche Zusammenhang ist locker und die Selbstherrlichkeit der Gemeinden und Thäler nur wenig beschränkt. Darum dringen auch die nötigen und von der Regierung angestrebten Verbesserungen im Schul-, Justiz- und Verwaltungswesen nur langsam durch. Doch wird im Schulwesen nach Maßgabe der finanziellen und geographischen Schwierigkeiten Anerkennenswertes geleistet, soweit dies die Primärschule und die auf höhere Studien vorbereitende Mittelschule betrifft. Es bestehen eine paritätische Kantonschule und ein Priesterseminar in Chur sowie verschiedene Privatinstitute. Dagegen fehlen noch die Sekundärschulen. Bei Chur bestehen zwei (private) Rettungsanstalten für beide Geschlechter (in Foral seit 1836 und in Plankis seit 1845), in Realta eine staatliche Zwangsarbeitsanstalt (seit 1856). Die Kantonsbibliothek in Chur zählt 18,000 Bände.

Die Erwerbsquellen bestehen wesentlich in Rohproduktion. Die Bündner, voraus die Engadiner, wan-^[folgende Seite]