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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

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Griechenland (Alt-G.: Geschichte).

den Ioniern von Leinenzeug, je nach der Jahreszeit dünner oder dichter gewebt. Weiß wurde zwar viel getragen, war aber doch nicht so vorherrschend, wie man oft annimmt. Die Frauentracht war zwar schmuckreicher, läßt sich jedoch in der Hauptsache auf jene beiden ursprünglichen Arten von Kleidungsstücken zurückführen. Auf dem Haupte trug man nur im Krieg, auf Reisen etc. eine Bedeckung; auch der Fußbekleidung (meist Sandalen mit Leder-, zum Teil auch Korksohlen) bediente man sich nur auf der Straße; Haar und Bart ließ man in früherer Zeit lang wachsen (s. Tafel "Kostüme I" und die Abbildungen bei den betreffenden Artikeln). Die Wohnungen der Heroenzeit und selbst noch die späterer Epochen waren einfach (s. untenstehenden Plan). Durch die Hausthür, welche meist einen kleinen Vorraum (Propyläon) hatte, gelangte man in die Hausflur, auf deren beiden Seiten sich Werk- und Geschäftsräume befanden, und von da in den offenen, auf drei Seiten mit Säulen umgebenen Hof, in dessen Mitte der Altar des Zeus, des Schutzpatrons des Hauswesens, stand. Die aus den Längsseiten des Hofs befindlichen Gemächer dienten zu Speise- und Schlafzimmern, Vorratskammern, auch zum Aufenthalt für die Sklaven etc.; an der säulenlosen vierten Seite, der Hausflur gegenüber, lag der Saal (die sogen. Prostas), der Versammlungsort der Familie bei den gemeinsamen Mahlzeiten und bei Opfern, an den sich auf der einen Seite das eheliche Schlafgemach, auf der andern der Amphithalamos, wahrscheinlich das Schlafzimmer der Töchter, anschlossen. Eine Thür in der Hinterwand des Saals führte in die Arbeitsräume der Mägde. Das Dach war meist platt; ihr Licht erhielten die Zimmer durch die nach dem Hofe führenden Thüren. Hatte das Haus einen Oberstock, so befanden sich in diesem zumeist die Gemächer für die Frauen und Kinder. Die Frauen beschäftigten sich mit Spinnen und Weben sowie mit der Verfertigung und Reinigung der Kleidungsstücke; Mahlen, Backen, Kochen und Wassertragen überließen sie den Sklavinnen. Bei zunehmendem Verkehr mit dem Ausland und namentlich mit dem Orient lockerten sich natürlich die Sitten, selbst der Spartaner; ihre gemeinsamen, frugalen Mahlzeiten wurden üppiger, ihre einfache Tracht reicher, die Frauen zügelloser, die Häuser und Geräte kostbarer und prunkvoller. Die alte Gewohnheit der Hellenen, alle Pracht und allen Schmuck auf die Tempel und sonstigen öffentlichen Gebäude zu verwenden und die Privathäuser klein und bescheiden anzulegen, hörte in der makedonischen Zeit auf. Nun scheuten sich auch Privatleute nicht, Gebäude zu errichten, die selbst die öffentlichen an Eleganz u. Pracht weit hinter sich ließen. Dieselben hatten mit dem Haus der ältern Zeit nur den oft doppelt vorhandenen Hof als Hauptbestandteil, nach welchem sich die einzelnen Zimmer öffneten, gemeinsam.

[Litteratur.] Zur Landes- und Volkskunde Altgriechenlands vgl. Bursian, Geographie von G. (Leipz. 1862-72, 2 Bde.); Neumann u. Partsch, Physikalische Geographie von G., mit besonderer Rücksicht auf das Altertum (Bresl. 1885); Curtius, Peloponnesos (Gotha 1851-52, 2 Bde.); Wagner, Hellas (6. Aufl. Leipz. 1885, 2 Bde.); Hermann, Lehrbuch der griechischen Antiquitäten (neu bearbeitet von Blümner u. a., Freiburg 1882 ff., 4 Bde.); Derselbe, Kulturgeschichte der Griechen und Römer (Götting. 1857-58, 2 Bde.), Wachsmuth, Hellenische Altertumskunde (2. Aufl. Halle 1843-46, 2 Bde.); Jacobs, Hellas (Berl. 1852); Schömann, Griechische Altertümer (3. Aufl., das. 1871-73, 2 Bde.); Gilbert, Griechische Staatsaltertümer (Leipz. 1881-85, 2 Bde.); "G., geographisch, geschichtlich und kulturhistorisch", Bd. 1-4 (Separatausgabe aus Ersch u. Grubers Encyklopädie, das. 1870); Becker, Charikles, Bilder altgriechischer Sitte (neu bearbeitet von Göll, Berl. 1878); Guhl u. Koner, Das Leben der Griechen und Römer (5. Aufl., das. 1882); J. ^[Jakob] v. Falke, Hellas und Rom. Eine Kulturgeschichte des klassischen Altertums (Stuttg. 1879); Köchly und Rüstow, Geschichte des griechischen Kriegswesens (Aarau 1852); Seyffert, Lexikon der klassischen Altertumskunde (Leipz. 1882, populär).

Geschichte Altgriechenlands.

Der Schauplatz der griechischen Geschichte im Altertum beschränkt sich nicht auf die Landschaften und Inseln, welche das heutige Königreich G. bilden. Außer Epirus und Thessalien umfaßt er die Inseln und Küsten des Ägeischen Meers auch im Norden und Osten. Gleiches Klima und die bequeme Verkehrsstraße des Meers verbinden diese durch bedeutende Küstenentwickelung und reiche Mannigfaltigkeit der Bodenform und Produkte ausgezeichneten Gebiete; der Einwirkung der Bewohner aufeinander wie der fremder Kultureinflüsse waren die Wege geebnet. Die Verschmelzung der in viele Stämme zersplitterten Bevölkerung zu Einem Kulturvolk war durch diese geographischen Verhältnisse wesentlich erleichtert, weniger die Herstellung eines einheitlichen politischen Gemeinwesens, obwohl diese auch keineswegs ausgeschlossen war.

Die ältesten Bewohner dieser gesegneten Lande gehören dem großen arischen oder indogermanischen Völkerstamm an und zwar dem südeuropäischen Zweig desselben, der, aus den Kelten, Griechen und Italikern bestehend, sich später als der nordeuropäische vom Urvolk lostrennte und, nach Westen wandernd, Kleinasien und das südliche und westliche Europa bevölkerte. Nach der frühzeitigen Loslösung der Kelten haben die Gräko-Italiker eine Zeitlang als ein Volk fortbestanden, bis die Italiker die Apenninhalb-^[folgende Seite]

^[Abb.: Plan eines altgriechischen Hauses.]