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Griechenland (Alt-G.: Geschichte bis 404 v. Chr.).
Spitze Nikias stand, hatte den Wühlereien der radikalen Volksredner gegenüber eine schwierige Stellung. Ein rascher und entschiedener Sieg Athens war nun nicht mehr möglich. Ganz G. wurde allmählich durch den sich mehr und mehr ausbreitenden Krieg in Mitleidenschaft gezogen. Das Hellenenvolk spaltete sich in zwei Parteien, eine lakedämonische und eine attische, und diese Spaltung ging immer tiefer in Gemeinde und Familie. Aller Gemeinsinn, alle Achtung vor Religion und Sitte gingen verloren, die alten Tugenden der Besonnenheit und Mäßigung wurden jetzt verhöhnt; alles galt für erlaubt, was die Parteiinteressen förderte. Der Krieg wirkte um so verderblicher, da er zu keiner Entscheidung führte, keine Partei sich fähig zeigte, den Gegner völlig zu überwältigen. Der Abfall Mytilenes vom Seebund ward 427 von den Athenern grausam bestraft, und 424 wurden auf Sphakteria 120 Spartiaten gefangen genommen. Dagegen büßte Platää sein Bündnis mit Athen durch seinen gänzlichen Untergang (427), und der Versuch der Athener, Böotien zu erobern, endete mit ihrer Niederlage bei Delion. Nach dem Tode des Spartaners Brasidas und des Atheners Kleon, welche die Fortsetzung des Kriegs besonders betrieben, in der Schlacht bei Amphipolis (422) kam 421 zwischen Athen und Sparta der sogen. Friede des Nikias zu stande, der auf 50 Jahre abgeschlossen wurde und Athen im Besitz seiner Seeherrschaft anerkannte, dem aber Theben und Korinth nicht beitraten. Die Unterwerfung Athens hatten die Peloponnesier nicht erreicht, der Dualismus der beiden Großmächte, das Unglück Griechenlands, blieb bestehen, und der zehnjährige Krieg endete so ohne andres Ergebnis als die Schwächung und Verwilderung des Volkes und die Verbitterung der Parteien.
Obwohl Sparta und Athen auch ein 50jähriges Bündnis schlossen, so war die Versöhnung doch von keiner Seite aufrichtig gemeint. Dort bereute man, die Bundesgenossen im Stiche gelassen zu haben; hier entstand bald wegen der zögernden Ausführung des Friedens eine gereizte Stimmung. Der hochbegabte, aber ehrgeizige und leidenschaftliche Alkibiades trat gegen die gemäßigte Politik des Nikias auf. Als sein Unternehmen, durch ein Bündnis mit Argos und Arkadien die Herrschaft der Spartaner im Peloponnes zu stürzen, durch die Niederlage der Verbündeten bei Mantineia (418) gescheitert war, lenkte er die Eroberungslust des aufgeregten unruhigen Volkes auf einen andern Schauplatz. Die unbesiegte Seemacht Athens sollte im westlichen Mittelmeer ein neues Feld für ihre Erfolge finden, Sizilien unter athenische Botmäßigkeit gebracht und dort unerschöpfliche Hilfsquellen für den Staat und die Bürger eröffnet werden. Frühere leichte Erfolge kleinerer Expeditionen (427 und 425) verblendeten die Athener über die Ausführbarkeit des Unternehmens; ein Taumel ergriff das Volk, man träumte von einem Zuge gegen Karthago; Libyen und Italien galten als sichere Erwerbungen, und die Herrschaft Athens mußte sich über das ganze Mittelmeer erstrecken. Alle Warnungen der Vernünftigen waren vergeblich. 415 setzte Alkibiades den Beschluß durch, daß eine Expedition (sizilische Expedition), so groß, wie nur eine ausgerüstet worden war, nach Sizilien geschickt werde. Dieselbe endete 413 mit dem völligen Untergang des athenischen Heers (60,000 Mann) und wurde in ihren weitern Folgen für Athen und G. in höchstem Grad verhängnisvoll, ja der Krieg war damit entschieden. Die Kraft Athens war erschöpft und damit seine Autorität bei den Bundesgenossen, welche auf der Furcht vor seiner Streitmacht beruhte, erschüttert. Dabei war das Gemeinwesen durch den Hermokopidenprozeß (s. d.) im Innern zerspalten; geheime Gesellschaften untergruben durch gewissenlose Angebereien und blutige Verfolgungssucht das öffentliche Vertrauen und den Frieden der Bürgerschaft; der einzige Mann, der Athen aus der furchtbaren Lage hätte retten können, Alkibiades, war in das Lager der Feinde getrieben worden, wo er diese aus gewissenloser Rachsucht zum neuen verderblichen Kampf gegen sein Vaterland aufhetzte, um seine Zurückberufung zu erzwingen und sein Ziel, die Herrschaft über den Staat, zu erreichen.
Die Spartaner begannen 413 auf des Alkibiades Rat von neuem den Krieg, indem sie Dekeleia in Attika besetzten und die Athener auch während des Winters zwangen, sich innerhalb der Stadtmauern zu halten, ferner mit persischer Hilfe eine Flotte ausrüsteten, mit der sie die mächtigsten Staaten des Seebundes zum Abfall bewogen. Die Siege des 410 zurückberufenen Alkibiades waren vorübergehende Lichtblicke. Das athenische Volk, an sich selbst verzweifelnd und von verräterischen, selbstsüchtigen Parteimännern betrogen, beschleunigte durch selbstmörderische Fehler den Untergang seiner Macht; wegen des Mißgeschicks seines Unterfeldherrn Antiochos bei Notion (407) wurde Alkibiades abgesetzt und zum zweitenmal in die Verbannung getrieben; die Feldherren, welche bei den Arginusen einen glänzenden Seesieg erfochten, wurden zum Tod verurteilt, weil sie des Sturms wegen die Leichen nicht gesammelt hatten. 405 vernichtete Lysandros bei Ägospotamoi am Hellespont die letzte athenische Flotte von 160 Schiffen und ließ die 3000 Gefangenen sämtlich hinrichten. Erst nachdem der spartanische Feldherr die Städte des athenischen Seebundes unter die Botmäßigkeit Spartas gebracht hatte, erschienen die Feinde vor Athen, das sie zu Lande und zu Wasser blockierten. Die Hinterlist des Lysandros und die Verräterei der Oligarchen, namentlich des Theramenes, welche das Unglück und die Schmach ihres Vaterlandes zur Begründung ihrer Herrschaft ausbeuteten, verhinderten die Athener, frühere Verschuldung durch eine heldenmütige Verteidigung zu sühnen; durch Hunger bezwungen, mußten sie im Frühjahr 404 die demütigenden Friedensbedingungen annehmen, welche ein Dekret der Ephoren ihnen auferlegte: Niederreißung der Hafen- und Verbindungsmauern, Auslieferung der Flotte, Verzicht auf jede Herrschaft außerhalb Attikas, Anschluß an den Peloponnesischen Bund mit der Pflicht der Heeresfolge. Und damit noch nicht genug: im Sommer wurde mit Hilfe des Lysandros von den Oligarchen die alte Verfassung gestürzt und die Staatsverwaltung 30 Männern (den 30 Tyrannen) übergeben, zu deren Schutz 700 Spartaner die Akropolis besetzten.
Gewaltherrschaft Spartas.
So sank weniger durch die Macht der äußern Feinde als durch eigne Schuld, durch die innern Parteiungen, durch die Verachtung der Tugenden der Väter, welche Athen groß gemacht hatten, der einzige griechische Staat in den Staub, welcher im stande gewesen wäre, Hellas politisch zu einigen. Sparta ging aus dem Vernichtungskampf als Sieger hervor, ganz G. hatte sich seiner Führerschaft untergeordnet. Aber es war nicht mehr fähig, die Herrschaft zu behaupten; auch der Lykurgische Staat war entartet und entkräftet. Seiner alten Politik getreu, hatte Sparta in allen den Athenern entrissenen Staaten die Volksherrschaft aufgelöst und Oligarchien (Dekarchien) ein-^[folgende Seite]