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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Griechenland

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Griechenland (Alt-G.: Geschichte bis 371 v. Chr.).

gesetzt; spartanische Besatzungen unter einem Harmosten sicherten die Herrschaft derselben. Aber Lysandros, der mit der Ausführung dieser Maßregel betraut war, verfuhr dabei höchst gewaltthätig; die Roheit und niedrige Bildung der Harmosten verletzten auch die Bestgesinnten. An Stelle der freien Selbstregierung aller Gemeinden, welche Sparta bei Beginn des Kampfes gegen Athen versprochen hatte, herrschte ein willkürlicher Terrorismus. Die Mittelstaaten, deren eifriger Beistand Sparta zum Sieg verholfen, sahen sich vom Anteil an der Siegesbeute und der Neuordnung der Dinge in Hellas gänzlich ausgeschlossen. und während Sparta eine ausschließliche Herrschaft beanspruchte, lähmte es seine Kraft durch den Zwiespalt, der bald zwischen Lysandros und den Ephoren ausbrach. Die Städte Kleinasiens gab es den Persern preis, und als es sich nach dem unglücklichen Ausgang des Zugs des jüngern Kyros gegen seinen Bruder, König Artaxerxes II. (401), um die ionischen Städte vor der Unterwerfung durch Tissaphernes zu schützen, zum Kriege gegen die Perser entschloß, führte es denselben drei Jahre (400-397) lang ohne Energie und mit geringem Erfolg. König Agesilaos, der 396 den Oberbefehl in Kleinasien erhielt, schien mehr Thatkraft zu entwickeln und Aussicht auf Erreichung seines Ziels zu haben. Aber ehe er die Freiheit der griechischen Städte sichern konnte, wurde er 394 auf einen andern Kriegsschauplatz abberufen.

In G. war es inzwischen zu einer Schilderhebung gegen Spartas Gewaltherrschaft gekommen. Lysandros hatte Theben mit Krieg überzogen, weil es die opuntischen Lokrer in einem Streit mit den Phokern unterstützt hatte, war aber bei Haliartos 395 besiegt und getötet worden. Dieser Erfolg ermutigte Theben, Korinth, Argos und Athen, das 403 die Herrschaft der Dreißig abgeschüttelt und seine alte Verfassung wiederhergestellt hatte, einen Bund zur Befreiung von Sparta zu schließen, dem sich die meisten Staaten Mittel- und Nordgriechenlands anschlossen (Korinthischer Krieg, 395-387). Ihre Stellung auf dem Peloponnes behaupteten die Spartaner allerdings durch den Sieg bei Nemea, und auch in Mittelgriechenland bewährte der aus Asien zurückkehrende Agesilaos das spartanische Übergewicht im Landkrieg in der Schlacht bei Koroneia (394); aber ihre mühsam errungene Seeherrschaft ging durch die Niederlage, welche Pharnabazos und der Athener Konon mit der persischen Flotte der spartanischen bei Knidos beibrachten, mit Einem Schlag verloren. Alle Seestaaten fielen von ihnen ab; Konon brachte 393 die Kykladen zur Unterwerfung, besetzte Kythera und stellte in Athen die langen Mauern wieder her. Ein neuer attischer Seebund bildete sich, während der Landkrieg um Korinth in blutigen Gefechten ohne Entscheidung sich jahrelang hinzog. Endlich gelang es dem Spartaner Antalkidas, den Perserkönig auf die Seite der Spartaner zu bringen, und dieser gebot 387 auf dem Friedenskongreß zu Sardes den griechischen Staaten die Bedingungen des Friedens (Antalkidischer Friede): das Festland von Kleinasien und die Inseln Klazomenä und Cypern sollten den Persern gehören, alle übrigen Hellenenstädte autonom sein, nur Lemnos, Imbros und Skyros den Athenern verbleiben. So endete der Krieg, der die Kräfte der Griechen wiederum aufrieb, mit der Schmach der Preisgebung der asiatischen Kolonien und der Zerbröckelung Griechenlands in eine Menge kleiner Gemeinwesen, die im Innern von Parteiungen zerfleischt wurden, untereinander in ewigen Fehden lagen. Sparta machte sich aber diese Zersplitterung zu nutze, um seine eigne Hegemonie fester zu begründen und als eng geschlossener Militärstaat eine schiedsrichterliche, gebietende Stellung zu behaupten. Nachdem es schon früher Elis gezwungen, seine Periökenstädte freizugeben, vernichtete es 385 die Selbständigkeit Mantineias, unterdrückte 380 in Phlius die demokratische Verfassung und setzte eine Oligarchie unter dem Schutz einer spartanischen Besatzung ein; endlich nötigte es Olynth 380 zur Auflösung des blühenden Chalkidischen Bundes und bemächtigte sich 382 im Bund mit den Oligarchen durch einen verräterischen Handstreich der Kadmeia, der Burg Thebens.

Spartas Fall und die Hegemonie Thebens.

Diese That, von Phöbidas eigenmächtig unternommen, aber von den spartanischen Behörden gutgeheißen, brachte Sparta auf den Höhepunkt seiner Macht, die es unbekümmert um den tiefen Haß von ganz Hellas rücksichtslos handhabte, war aber zugleich der Anlaß zu seinem erschütternden Fall. Die nach Athen geflüchteten thebanischen Demokraten, an ihrer Spitze der jugendlich ungestüme Pelopidas, überfielen 379 Theben, ermordeten die oligarchischen Machthaber und stellten die alte Verfassung wieder her; die spartanische Besatzung der Kadmeia wurde zum Abzug genötigt. Ein Angriff des Spartaners Sphodrias auf den Piräeus veranlaßte Athen, mit dem befreiten Theben ein Bündnis zu schließen. Die Thebaner rüsteten unter Leitung des Pelopidas und des Epameinondas rasch ein stattliches Heer, welches die Einfälle der Spartaner in Böotien abwehrte und die Hegemonie Thebens über die böotischen Städte wiederherstellte. Die Athener stifteten einen neuen Seebund, der in kurzem 70 Mitglieder zählte, und erfochten mit ihrer Flotte unter Chabrias 376 über die Spartaner bei Naxos einen glänzenden Seesieg; eine zweite spartanische Flotte wurde 375 von Timotheos, Konons Sohn, bei Leukas vernichtet. Die Spartaner, durch diese und andre Unglücksfälle gebeugt, boten zum Frieden die Hand, und 371 versammelten sich die Gesandten der griechischen Staaten, um über denselben zu verhandeln. Er kam zu stande auf der Grundlage des Antalkidischen Friedens; Sparta und Athen verständigten sich darüber, daß der Peloponnesische Bund und der neue Seebund bestehen bleiben sollten; Theben aber wurde vom Frieden ausgeschlossen, weil es die böotischen Städte, die es eben erobert, nicht freigeben wollte. Den scheinbar unvermeidlichen Untergang seiner Vaterstadt wehrte Epameinondas durch seine Entschlossenheit und Kriegskunst ab. Er besiegte 371 bei Leuktra das Spartanerheer unter Kleombrotos durch die berühmte schräge Schlachtordnung. Jetzt schlossen sich die Völker Mittelgriechenlands meist an Böotien an und leisteten Heeresfolge, und die Thebaner, geleitet von so hervorragenden Männern wie Epameinondas und Pelopidas, konnten hoffen, die Vorherrschaft über Hellas auf den äolischen Stamm zu übertragen. Mit Klugheit und Energie griffen sie in die Verhältnisse des Peloponnes ein, um die Macht Spartas an ihrer Wurzel zu treffen. Sie schützten das neugebildete Gemeinwesen Gesamtarkadien mit der Hauptstadt Megalopolis gegen den Angriff des Agesilaos, fielen sogar in Lakonien ein und stellten die Selbständigkeit Messeniens wieder her; am Fuß des Bergs Ithome wuchs rasch die neue Stadt Messene empor, scharenweise strömten die vertriebenen Messenier in ihre wieder befreite Heimat. Aber trotz dieser Erfolge war Theben nicht fähig, die Hegemonie über das ganze