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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Handel).

land, Mitteleuropa und Italien; Jute (Konsum 2,2 Mill. Doppelzentner) aus Indien; Seide (Konsum 18,600 Doppelzentner) aus Frankreich und Italien. Dazu kommen noch Landeswolle (½ Mill. Doppel Zentner) und irischer Flachs (¼ Mill. Doppelzentner).

Die Verarbeitung der Metalle, einschließlich des Maschinenbaues, steht wohl der Textilindustrie nach, wenn wir nur die Anzahl der Arbeiter betrachten, ist derselben aber jedenfalls ebenbürtig, wenn wir bedenken, daß ihr Rohmaterial größtenteils im Land selbst erzeugt wird. Die Waren dieser Art umfassen alle Gattungen, von Eisenbahnschienen bis zu den feinsten Stahl- und Juwelierarbeiten. Namentlich aber ist es der Maschinenbau, der Englands Namen in alle Weltteile trägt. Eng verbunden mit diesen Industriezweigen ist der Schiffbau, denn bei 587,877 Ton. haltenden Schiffen, die 1884 gebaut wurden, war Holz nur durch 19,569 T. vertreten. Die Töpfereien von Staffordshire können in ihren Erzeugnissen mit der ganzen Welt konkurrieren, und auch die Glasindustrie ist von großer Wichtigkeit. Von hervorragender Bedeutung sind ferner: die chemischen Fabriken, die Papiermühlen, die Gerbereien, die Sattlerwerkstätten und Stiefelfabriken, die Fabrikation von Hüten jeder Art und von Handschuhen, die Brauereien und Tabaksfabriken.

Handel.

Die Geschichte kennt kein Volk, dessen Handel sich auch im entferntesten mit der Blüte und der Ausbreitung des britischen Handelsverkehrs messen könnte. Der britische Handel ist im eigentlichen Sinn des Wortes ein Welthandel: er umfaßt alle Meere und Länder. Die Ursachen, welche besonders zu seinem Gedeihen beigetragen, sind teils natürliche, teils moralische und politische, teils zufällige äußere. Die hauptsächlichsten natürlichen Ursachen sind: die unvergleichliche Lage Großbritanniens, die es, wenigstens zu Lande, gegen jeden fremden Einfall sichert, seine zahlreichen und geräumigen Häfen, die Fruchtbarkeit seines Bodens, seine Schätze an Kohlen und Eisen, endlich die Energie und der Unternehmungsgeist seiner Bewohner. Unter die moralischen und politischen Ursachen gehören: die Unabhängigkeit seiner Regierung, die Gerechtigkeit seiner Gesetze, der Personen und Eigentum zugestandene Schutz, die Unterstützung, die man den nützlichen Erfindungen aller Art gewährt, die Sorgfalt der Regierung für Handel und Gewerbe, die Sicherheit, deren die Handelsmarine unter dem Schutz einer gefürchteten Kriegsflotte genießt, die in allen Teilen der Welt gegründeten Kolonien, welche stets eine lebhafte Verbindung mit dem Mutterland aufrecht erhalten, die anerkannte Rechtschaffenheit der Kaufleute, die religiöse Duldsamkeit. Unter die zufälligen und äußern Ursachen kann man rechnen: die Kriege, die Europa so lange Zeit hindurch verwüsteten, den Handel des Kontinents unterbrachen und hemmten und teilweise von G. abhängig machten, ferner die Befreiung des spanischen Amerika unter Umständen, die den größten Teil seines Handels England in die Hände spielten. So ist es gekommen, daß der britische Handel in seinem gegenwärtigen Zustand als eins der erstaunenswürdigsten Wunder der Zivilisation dasteht.

Schon während der Regierung Elisabeths breitete sich der englische Handel beinahe in allen jenen Richtungen über die Erde aus, durch welche er später so mächtig geworden ist. Als Hawkins 1562 an die Küste von Guinea kam, trieben schon längst Engländer nach Afrika Handel. Stephens war der erste Engländer, der um das Kap nach Indien segelte (1582); darauf folgten die Fahrten Drakes und Cavendish'. Auch zu einem Handelsversuch nach Ostindien wurden die Briten durch die glücklichen Unternehmungen der Holländer angereizt. Es bildete sich eine Gesellschaft von Kaufleuten für den indischen Handel, die 31. Dez. 1600 von der Königin Elisabeth einen Freibrief erhielt und den Grund zu dem spätern großartigen Verkehr mit Ostindien legte. Zur Beförderung des Handels wirkte ohne Zweifel die Marineassekuranz, welche Elisabeth kurze Zeit vor ihrem Tod (1601) einrichtete. Elisabeths Nachfolger Jakob I. widmete der Flotte eine vorzügliche Aufmerksamkeit und bewirkte, daß die Engländer fortwährend in weiten Seefahrten thätig blieben. Noch wohlthätiger wirkte Cromwell auf Englands Seewesen und Schiffahrt, indem er 1651 durch die Navigationsakte (s. d.) die fremde Schiffahrt im englischen Handel, ferner den Verkehr Englands mit Asien, Afrika und Amerika auf englische Schiffe und in derselben Absicht die Ausfuhr der englischen Kolonien auf England beschränkte und dadurch den Handel der Holländer sehr beeinträchtigte. In Westindien erweiterte England seine Besitzungen auf Kosten der Spanier, und durch die Eroberung von Jamaica (1655) gewann es eine seiner wichtigsten Kolonien. Fortwährend waren die Engländer in weiten Unternehmungen zur See thätig. So bildete sich die Hudsonbaikompanie (s. d.), welche 1699 ihr Privilegium erhielt, nachdem zuvor (1667) Neubelgien erworben worden war. Von günstigem Einfluß auf die englische Industrie war die Einwanderung der 1685 aus Frankreich vertriebenen Hugenotten, durch welche die Woll- und Leinweberei sowie die Metall-, Glas- und Papierfabrikation gehoben und verbessert wurden und die Ausfuhr der englischen Fabrikate nach dem europäischen Kontinent zunahm. Mit Portugal hatte England schon 1642 einen vorteilhaften Handelsvertrag abgeschlossen, dem 1703 der von Methuen unterhandelte folgte. Sehr wichtig war auch der Assientovertrag von 1713, der aber nach dem Aachener Frieden aufgehoben wurde. Der Verkehr mit den nordamerikanischen Kolonien wurde durch Einfuhrprämien gehoben. Sehr vorteilhaft wirkte ein Handelsvertrag (1735) mit Rußland, durch welchen die Engländer bei der Ausfuhr russischer Produkte den russischen Unterthanen gleichgestellt und ihnen die Einfuhr ihrer Waren gegen einen Zoll von 3 Proz. zugestanden wurde. Der Handelsverkehr mit dem Ausland hatte durch die Einrichtung der Nationalbank 1697 und durch das seitdem sehr vermehrte Papiergeld ein zweckmäßiges und notwendiges Hilfsmittel erhalten. Georgs II. Regierung zeichnet sich durch zwei Kriege aus, welche auf die Entwickelung des britischen Handels großen Einfluß übten: der eine, gegen Spanien geführt (1739-48), der andre, mit dem Siebenjährigen Krieg zusammenfallende, gegen Frankreich, der G. die Freiheit des britischen Handels in den amerikanischen Meeren und dazu den Gewinn von Kanada, Dominica, St. Vincent, Grenada und Tobago brachte, die Frankreich abtrat. Durch die Losreißung der Vereinigten Staaten Nordamerikas (1776) verlor G. zwar einen bedeutenden Besitz; aber durch den Vertrag von 1794, nach welchem die Abgaben der Schiffe sowie die Besteuerung der gegenseitig eingeführten Produkte beider Länder gleich sein sollten, außerdem aber die Briten den nordamerikanischen Schiffen ihre westindischen Häfen und auch Ostindien öffneten, ward eins der nachteiligsten Verhältnisse vorteilhaft ausgeglichen.

Der britische Handel war zwar längst bedeutend, aber das schnelle und erstaunenswürdige Wachstum