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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (Geschichte: Eduard I., Eduard II.).

April 1264), worin sich besonders Prinz Eduard, Heinrichs Sohn, auszeichnete, wurden die Barone geschlagen; aber in der Schlacht bei Lewes (14. Mai 1264) errang Leicester einen vollständigen Sieg, und König Heinrich und sein Bruder Richard von Cornwall wurden gefangen genommen; zwei Tage darauf ergaben sich auch die beiden Prinzen Heinrich und Eduard. Während nun Leicester, in dessen Händen der König ein willenloses Werkzeug war, die Regierungsgewalt kräftig handhabte, bot die Königin Eleonore in Frankreich und den Niederlanden alles auf, um ihren Gemahl zu befreien. Leicester mochte empfinden, daß er, um sich zu behaupten, nicht nur der Unterstützung seitens der Barone, sondern auch der Mitwirkung des ganzen Volkes bedürfe; so faßte er einen Beschluß, der für die Entwickelung des englischen Parlamentarismus von der entscheidendsten Bedeutung geworden ist und seinem Namen ein bleibendes Andenken sichert. Noch im Dezember berief er ein Parlament, zu dem nicht nur die Barone gehören, sondern auch aus jeder Grafschaft zwei Ritter, aus einer Anzahl von Städten und Flecken je zwei Bürger gewählt werden sollten. Der 20. Januar 1265, an welchem dies neue Parlament zusammentrat, ist mit Recht als der Geburtstag des englischen Unterhauses bezeichnet worden. Diese Neuerung ist von bleibendem Bestand gewesen, wenn auch Leicester seinen Einfluß zu behaupten nicht vermochte. Ein Bruch zwischen ihm und seinem bisherigen Anhänger, dem Grafen Gilbert von Gloucester, bereitete ihm den Untergang: Gloucester verband sich mit dem aus der Gefangenschaft entflohenen Prinzen Eduard, der Aufstand griff reißend um sich, und Eduard erkämpfte bei Evesham (4. Aug. 1265), wo Leicester fiel, die Freiheit seines Vaters.

Jetzt glaubte Gloucester die Rolle Leicesters spielen zu können und wendete sich besonders an die Londoner; doch rückte Eduard rasch heran, und der König berief zur Herstellung des Friedens ein Parlament, auf welchem er die Magna Charta von neuem anerkannte, während von den Provisionen von Oxford allerdings nicht mehr die Rede sein durfte. 1270 unternahm Prinz Eduard eine Kreuzfahrt; noch vor seiner Rückkehr (16. Nov. 1272) starb Heinrich III. Sein Sohn Eduard (IV. oder, als der erste dieses Namens aus dem Haus Anjou, I., 1272-1307) setzte sich vor allem das Ziel, die ganze Insel von G. unter seinem Zepter zu vereinigen. Wales hatte bis dahin unter dem mutigen Fürsten Llewellin trotz aller Angriffe seine Unabhängigkeit im wesentlichen behauptet; 1282 wagte dieser sich sogar aus seinen unzugänglichen Bergen in die Ebene hervor, ward aber in der Nähe von Carmarthen überwältigt (11. Dez.) und fiel im Kampf. Als dann 1283 auch sein Bruder David gefangen und hingerichtet worden, war die Unterwerfung des Landes vollendet; indem Eduard 1284 seinen eignen, auf dem Schloß Carnarvon gebornen Sohn zum Prinzen von Wales erhob, gab er den Wallisern einen "eingebornen" Fürsten und vollzog zugleich die Vereinigung des Fürstentums mit der englischen Krone. Es folgte der Versuch Eduards, auch Schottland zu unterwerfen. Zunächst ließ er sich nach Aussterben des schottischen Königshauses von Johann Baliol, dem er die Krone zuerkannte, als Oberlehnsherrn von Schottland anerkennen (20. Nov. 1292), sah sich aber später genötigt, seine so erworbenen Rechte den Schotten gegenüber, welche gegen die englische Herrschaft in Frankreich Hilfe fanden, mit Waffengewalt geltend zu machen. Bei Dunbar (27. April 1296) errang Eduard einen vollständigen Sieg, Baliol mußte sich ergeben und ward entsetzt; Schottland schien unterworfen, aber schon 1297 fand ein neuer Aufstand unter William Wallace statt, und das englische Heer ward 11. Sept. 1297 bei Stirling geschlagen. Um seine ganze Kraft auf die Unterwerfung der Schotten wenden zu können, schloß Eduard darauf unter Vermittelung des Papstes mit Frankreich Frieden; aber trotzdem kam es erst 1305 zur völligen Unterwerfung der aufständischen schottischen Bergvölker mit der Gefangennahme und Hinrichtung ihres Anführers Wallace. Schon im folgenden Jahr rief Robert Bruce seine schottischen Landsleute von neuem unter die Waffen und ward zum König von Schottland gekrönt. Eduard aber starb während der Kriegsrüstung gegen ihn 7. Juli 1307.

Die fortwährenden Kämpfe, welche Eduard zu führen gehabt hatte, blieben nicht ohne Rückwirkung auf die Entwickelung der Verfassung. Wenn er oft genug Steuern und Abgaben ohne Zustimmung der Gemeinen ausschrieb, so ließ er doch anderseits häufig auch die Vertreter der Grafschaften und Städte zusammenkommen, um sich Abgaben bewilligen zu lassen oder in äußern und innern Angelegenheiten ihren Rat zu hören. 1297 aber mußte er sich, um den schottischen Aufstand zu bezwingen, dazu verstehen, einen Freiheitsbrief zu erlassen, worin den drei Ständen, Geistlichkeit, Adel und Gemeinen, aufs neue die Zusicherung gegeben wurde, daß keine neuen Steuern, Zölle oder Naturallieferungen ohne ihre Bewilligung erhoben werden sollten. Von Wichtigkeit war es auch, daß er die Anmaßungen des Papstes Bonifacius VIII., welcher ihm den Krieg gegen Schottland untersagte, mit Zustimmung der Stände entschieden zurückwies. Ebenso vertrat er dem Papst gegenüber die Statuten, welche er mit Einwilligung der Stände zur Einschränkung der Grundbesitzerwerbungen der Toten Hand (d. h. geistlicher Korporationen) erlassen hatte.

Sein Sohn und Nachfolger Eduard II. (1307-1327) war ein schwacher, genußsüchtiger Fürst, der seinem unwürdigen Günstling, dem Gascogner Piers de Gaveston, allzu großen Einfluß auf die Geschäfte einräumte. Wiederholt verlangten die Barone seine Entfernung, und als dieselbe verweigert ward, erschienen sie 1310 bewaffnet auf dem Parlament zu Westminster und nötigten den König, allen ihren Forderungen zuzustimmen. Ein Ausschuß von 21 Magnaten (die sogen. Ordainers) wurde niedergesetzt. Die von diesen 1311 erlassene Akte untersagte dem König, ohne Zustimmung der Barone Krieg zu führen, das Land zu verlassen oder hohe Staatsämter zu vergeben, und bestimmte, daß jährlich mindestens einmal ein Parlament zusammentreten sollte. Der König mußte diese Ordonnanzen bestätigen; Gaveston wurde 1312 enthauptet. Auch nach außen hin hatte Eduard II. wenig Glück; Robert Bruce machte in Schottland immer weitere Fortschritte, und als Eduard gegen ihn zog, wurde er 24. Juni 1314 von den Schotten bei Bannockburn total geschlagen. Infolgedessen konnten die Schotten sogar angriffsweise in England und Irland vorgehen; auch die päpstlichen Vermittelungsversuche blieben lange vergeblich, und erst 1319 kam ein zweijähriger Waffenstillstand zwischen Robert Bruce und Eduard zu stande. Bald brachen neue Kämpfe zwischen dem König, der sich den Satzungen der Ordainers nicht auf die Dauer fügen wollte, und in dessen Gunst jetzt die beiden Hugh d'Espencer (Spenser), Vater und Sohn, am höchsten standen, und den Baronen aus, deren Führer Thomas, Graf von Lancaster, war. Letzterer verhandelte mit den Schotten, wurde aber 16. März 1322, noch ehe die