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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Großbritannien

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Großbritannien (geschichtliche Litteratur).

Lage der Dinge auf dem Kontinent beschäftigt. Daß man in England für den entthronten Fürsten Alexander die wärmsten Sympathien hegte, ist selbstverständlich; insbesondere der Hof und die Königin hatten das lebhafteste Interesse an dem Geschick des nahe verwandten Prinzen. Wenn es auch natürlich bis heute noch völlig unbekannt ist, welche Maßregeln die englische Regierung in dieser Richtung ergriffen hat, insbesondere auch eine geheimnisvolle Inkognitoreise des Schatzkanzlers Lord R. Churchill nach Berlin und Wien zu Anfang des Oktobers 1886 noch immer ihren Zwecken und Erfolgen nach in völliges Dunkel gehüllt ist, so läßt sich doch schon jetzt erkennen, daß die englische Politik namentlich die Regierungen von Österreich und Italien zu einem entschiedenen Vorgehen gegen Rußland zu veranlassen strebte, während sie doch selbst ein gleiches, mit Opfern für England verbundenes Vorgehen zu vermeiden suchte. Dabei nahmen die Verhältnisse für England besonders dadurch einen bedrohlichen Charakter an, daß einerseits Rußland den Sultan für sich gewann und eine Annäherung der türkischen Regierung an die Politik des Zaren bewirkte, welche man in London mit äußerstem Argwohn betrachtete und sogar mit Kriegsdrohungen beantwortete, und daß anderseits Frankreich die Gelegenheit benutzte, um in London seine Reklamationen wegen Ägyptens zu erneuern.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es auch infolgedessen zu Spaltungen innerhalb des englischen Kabinetts gekommen, welche mit dem die Welt überraschenden Rücktritt Lord R. Churchills 23. Dez. 1886 zusammenhingen. Vor der Öffentlichkeit wurde derselbe allerdings mit Differenzen über die innere Politik motiviert, und gewiß lag eine tiefe Kluft der Anschauungen zwischen dem mehr populär-demokratischen Zug in Lord R. Churchills Wesen und der altkonservativen Gesinnung Lord Salisburys und der Mehrzahl seiner Kollegen. Die Regierung wurde durch das Ausscheiden dieses bedeutendsten ihrer Mitglieder erheblich geschwächt, und abermals bot Salisbury dem Führer der liberalen Unionisten das Präsidium des Ministeriums an. Lord Hartington lehnte dasselbe für seine Person auch jetzt ab, veranlaßte aber im Januar 1887 seinen Freund und Gesinnungsgenossen Mr. Göschen, das Schatzkanzleramt anzunehmen. Infolgedessen trat eine teilweise Umbildung des Ministeriums ein. Salisbury wurde an Lord Iddesleighs Stelle, der seinen Abschied nahm und 12. Jan. starb, Minister des Auswärtigen; der bisherige Kriegsminister Smith wurde erster Lord des Schatzes und Führer des Unterhauses, Stanhope übernahm das Kriegs- und Sir Henry Holland das Ministerium der Kolonien.

Litteratur zur Geschichte Englands, bez. Großbritanniens.

Die historiographischen Quellen der englischen Geschichte sind erst in den letzten Jahrzehnten Gegenstand kritischer Untersuchungen und in brauchbaren Ausgaben der gelehrten Forschung zugänglich gemacht worden. Die wichtigsten Sammlungen englischer Geschichtsquellen sind: Saviles "Rerum anglicarum scriptores post Bedam praecipui" (Lond. 1596, Frankf. 1601), zu welchen Camden "Supplementa" (Lond. 1603) lieferte; Gales "Historiae britannicae, saxonicae, anglodanicae scriptores XV" (Oxf. 1691); Sparkes "Historiae anglicanae scriptores varii" (1723). Die Record Commission hat die Herausgabe der "Monumenta historica britannica" (Bd. 1, 1848) nach einem von Petrie entworfenen Plan begonnen, aber nur ein Band ist erschienen. Rüstiger fortgeschritten ist die gleichfalls von der Regierung unternommene Sammlung der "Rerum britannicarum medii aevi scriptores", von der seit 1858-84 bereits 82 Werke in über 180 Bänden von allerdings sehr ungleichem Wert publiziert sind. Auch die von dem Record Office herausgegebenen großartigen Sammlungen der "State papers" sind zu nennen. Andre wichtige Sammelwerke sind: Dugdales und Dodsworths "Monasticum anglicanum" (Lond. 1655-73, 3 Bde.), fortgesetzt in Stevens' "History of ancient abbeys" (das. 1722-23, 3 Tle.) und vermehrt herausgegeben von Ellis, Caley und Bandinell (das. 1813, 8 Bde.); Rymers "Foedera, conventiones, literae et cujuscunque generis acta publica" (Haag 1741-45, 10 Bde.), neue Bearbeitung von Clarke und Holbrooke (Lond. 1816-1830, 6 Bde.); Wilkins' "Concilia Magnae Britanniae et Hiberniae" (das. 1737, 5 Bde.) und Thorpes "Ancient laws and institutes of England" (das. 1840).

[Gesamtdarstellungen.] Unter den Bearbeitungen der allgemeinen Geschichte von G., insbesondere England, sind hervorzuheben: Hume, History of England (begonnen 1754-63, 6 Bde., oft aufgelegt); Smollet, Complete history of England (1758, 4 Bde.); Henry, History of Great Britain (1771-93, 6 Bde.; mit Laings Fortsetzung, 1814, 12 Bde.); Goldsmith, History of England (1772 u. öfter); Lingard, History of England (1819-31, 14 Bde.; 6. Aufl. 1854, 13 Bde.; deutsch, Frankf. 1827-32, 14 Bde.); Mackintosh, History of England (1830, 7 Bde.; fortgesetzt von Wallace, Bd. 8 u. 9, 1839); Lappenberg, Geschichte von England (Bd. 1 u. 2, Hamb. 1834-37; Bd. 3-5 von R. Pauli, Gotha 1853-58); Ranke, Englische Geschichte, vornehmlich im 16. und 17. Jahrhundert (4. Aufl., Leipz. 1877 ff., 9 Bde.); Green, History of the English people (1877-80, 4 Bde.); Buckle, History of civilization in England (5. Aufl. 1874, 2 Bde.; deutsch, 6. Aufl., Leipz. 1881); Gardiner und Mullinger, Introduction to the study of English history (Lond. 1881).

[Einzelne Perioden mit Bezug auf die Gesamtgeschichte; weitere Spezialwerke s. bei den betreffenden Herrschern.] Coote, The Romans of Britain (Lond. 1878); Turner, History of the Anglo-Saxons (1799-1805, 4 Bde.; 7. Aufl. 1852, 3 Bde.); Palgrave, The rise and progress of the English commonwealth; Anglo-Saxon period (1832, 2 Bde.); Derselbe, History of the Anglo-Saxons (neue Ausg. 1876); Kemble, The Saxons in England (1848, 2 Bde., unvollendet; neue Ausg. 1876; deutsch von Brandes, Leipz. 1854); Winkelmann, Geschichte der Angelsachsen (Berl. 1884); Thierry, Histoire de la conquête de l'Angleterre par les Normands (zuletzt Par. 1884, 4 Bde.; deutsch, Berl. 1831, 2 Bde.); Worsaae, Den danske Erobring af England og Normandiet (Kopenh. 1863); Freeman, History of the Norman conquest of England (3. Aufl. 1872-79, 6 Bde.); Cobbe, History of the Norman kings of England (1869); Gairdner, The house of Lancaster and York (1874); Turner, History of England from the Norman conquest to 1500 (1814, 3 Bde.; 1853, 4 Bde.); Froude, History of England from the fall of Wolsey to the death of Elizabeth (neue Ausg. 1881, 12 Bde.); Brodie, History of the British empire from the accession of Charles I. to the restoration (1822; neue Aufl. 1866, 3 Bde.); Edward Graf von Clarendon, History of the rebellion and civil wars in England (neue Ausg. 1871, 7 Bde.); die ver-^[folgende Seite]