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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gustav

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Gustav (G. Erichson, Prinz von Schweden).

Regentschaft aus dem Land verwiesene Armfeltsche Partei rief G. zurück; sowie er auch sonst manche weise Einrichtung des Oheims aufhob. Obwohl schon mit einer Prinzessin von Mecklenburg versprochen, ließ er sich 1796 doch von der Kaiserin Katharina II. von Rußland zu einer Vermählung mit ihrer Enkelin Alexandra Paulowna bereden, verweigerte aber nachher die Unterzeichnung des Ehekontrakts, so daß die Vermählung nicht zu stande kam. Er vermählte sich hierauf 3. Okt. 1797 mit der Prinzessin Friederike von Baden, der Schwägerin des Kaisers Alexander I. Die Souveränität, welche sein Vater errungen, ließ er sich auf dem Reichstag von 1800 zu Norrköping bestätigen. Er schloß sich 16. Dez. 1800 der von Rußland gestifteten bewaffneten Neutralität der nordischen Mächte an, blieb aber doch bei dem Vordringen der britischen Flotte in den Sund und bei dem Angriff derselben auf das mit ihm verbündete Dänemark unthätig; ja, nach Alexanders I. Thronbesteigung trat er 1802 dem neuen Handelsvertrag zwischen England und Rußland bei, worauf er die von den Briten besetzte Insel Barthélemy zurückerhielt. Seitdem näherte sich G. immer mehr Großbritannien. Im Juli 1803 reiste er nach Karlsruhe, um für die Wiedereinsetzung der Bourbonen zu wirken. Vergeblich suchte er den gerade während seiner Anwesenheit auf Napoleons Befehl aus dem Badischen entführten Herzog von Enghien zu retten. Beim Reichstag zu Regensburg gab er nachdrückliche Noten gegen jene Blutthat ein und war nebst dem Kaiser Alexander I. der einzige Souverän, welcher seinem Unwillen darüber öffentlichen Ausdruck gab. Nach Stockholm zurückgekehrt, schloß er sich gegen britische Subsidien der Koalition gegen Frankreich an und gab auf alle Weise seine Feindschaft gegen Napoleon kund, der ihn dafür im "Moniteur" heftig angreifen ließ. Seine Handlungen wurden immer unberechenbarer: dem König von Preußen sandte er den Schwarzen Adlerorden zurück, weil Napoleon ihn auch erhalten habe und die Ritterehre es ihm verbiete, Waffenbruder eines Mörders zu sein; auf dem Reichstag von 1806 legte sein Gesandter die Erklärung nieder, daß der König so lange an den Verhandlungen des deutschen Reichstags keinen Teil nehmen werde, als dessen Beschlüsse unter dem Einfluß der Usurpation und des Egoismus ständen. Die ihm von Napoleon kurz vor dem Tilsiter Frieden gemachten günstigen Friedensvorschläge lehnte er ab und hob sogar 3. Juli 1807 den Waffenstillstand mit Frankreich auf, weshalb er nach dem Tilsiter Frieden Stralsund und die Insel Rügen verlor. Dagegen trat er 8. Febr. 1808 in ein engeres Bündnis mit England, unbekümmert um die zu erwartende Kriegserklärung Dänemarks und Rußlands, welch letzteres ihn vergeblich von England zu trennen und zur Schließung der Ostsee für englische Schiffe bis zum allgemeinen Seefrieden zu bewegen gesucht hatte. Ein russisches Heer von 60,000 Mann drang darauf 1808 in Finnland ein und eroberte es, durch den Verrat schwedischer Befehlshaber unterstützt, nach kurzem Widerstand seitens des von den Eingebornen tapfer unterstützten Generals Klingsporr. Anstatt diesem zu Hilfe zu kommen, griff G. Norwegen an; nach dem Treffen bei Enningdalen 10. Juni 1808 mußten sich jedoch die Schweden unter Armfelt über die Grenze zurückziehen. Nachdem sich auch England, das er aufs empfindlichste beleidigte, indem er die Ausschiffung des englischen Hilfskorps verbot, den Befehlshaber, General Moore, verhaften ließ und seine Friedensratschläge mit Beschlagnahme aller englischen Schiffe in schwedischen Häfen beantwortete, von ihm abgewendet, reizte G. noch den Adel und das Heer durch schroffe Behandlung und führte so selbst die Katastrophe herbei, die ihn des Throns beraubte. Die westliche Armee, die unter Cederström an der norwegischen Grenze stand, gab das Zeichen zur Empörung und setzte sich 7. März 1809 unter Adlersparre gegen Stockholm in Marsch. Der König, der vom Schloß Hage nach der Hauptstadt geeilt war, beschloß, den Aufständischen entgegenzuziehen, und verlangte von der Bank 2 Mill. Thlr. zu Rüstungen. Als ihm die Summe verweigert wurde, drohte er mit Gewalt. Jetzt glaubten die Verschwornen nicht länger zögern zu dürfen. Klingsporr und Adlercreutz verlangten 13. März von G. Änderung seiner Politik, derselbe antwortete mit beleidigenden Vorwürfen. Adlercreutz entfernte sich, um den Hofmarschall Silfversparre und fünf Adjutanten herbeizuholen, und erklärte, in deren Begleitung zurückgekehrt, den König im Namen der Nation verhaften zu müssen. Entrüstet zog G. den Degen, ward aber überwältigt und entwaffnet. Neue Verschworne, auch treue Diener des Königs eilten herbei, und während diese miteinander rangen, stürzte G. aus dem Zimmer, um die auf dem Schloßhof versammelten Truppen zu seiner Verteidigung aufzufordern, ward aber angehalten und zurückgeführt. Nachts 1 Uhr wurde er nach Drottningholm und 24. März nach Gripsholm in Haft gebracht. Hier stellte er 29. März eine Entsagungsurkunde aus, die dem Reichstag zur Bestätigung vorgelegt ward. Dieser erklärte in seiner ersten Sitzung (19. Mai) den König und seine leiblichen gebornen und ungebornen Erben der Krone Schwedens für immer verlustig und übertrug dieselbe 5. Juni an den Herzog von Södermanland als Karl XIII., der die Regierung schon am Tag von Gustavs Verhaftung übernommen hatte. Dem entthronten König ward für sich und seine Familie ein jährliches Einkommen von 66,666 2/3 Thlr. ausgesetzt, statt dessen 1824 seiner Familie eine Abfindungssumme von 721,419 Thlr. ausgezahlt wurde. G. selbst hat von Schweden nie etwas angenommen, so daß er später bei seinem geringen Privatvermögen in Armut geriet. Den ihm angewiesenen Aufenthalt auf der Insel Wissings-Ö bezog er nicht, sondern ging 6. Dez. nach Deutschland und von da nach der Schweiz, wo er unter dem Namen eines Grafen von Gottorp lebte. Später trennte er sich von seiner Familie, begab sich 1810 nach Petersburg, 1811 nach London, ließ sich 1812 von seiner Gemahlin scheiden und trat 1814 eine Reise nach Jerusalem an, kehrte aber von Morea aus zurück. Auf dem Wiener Kongreß suchte er vergeblich die Rechte seines Sohns auf den schwedischen Thron geltend zu machen. Später ward er als Oberst Gustavsson Bürger zu Basel, lebte höchst bescheiden, ja kümmerlich, privatisierte 1827-29 in Leipzig, ging dann nach Holland und lebte später in Aachen, zuletzt in St. Gallen, wo er 7. Febr. 1837 starb. Er hinterließ einen Sohn (s. Gustav 6) und zwei Töchter; die älteste, Sophie Wilhelmine, gest. 7. Juli 1865, war seit 1819 mit dem Großherzog Leopold von Baden, die jüngere, Cäcilie, gest. 27. Jan. 1844, mit dem Großherzog von Oldenburg vermählt. G. schrieb in französischer Sprache: "Betrachtungen über meine ersten Kriegsthaten" (deutsch, Jena 1817); "Memorial des Obrist Gustavsson" (deutsch, Leipz. 1829); "Über die unbeschränkte Preßfreiheit" (deutsch, Aach. 1833); "Der 13. März oder die wichtigsten Thatsachen der Revolution von 1809" (deutsch, St. Gallen 1835).

5) G. Erichson, Prinz von Schweden, Sohn Erichs XIV., geb. 1568, war erklärter Thronerbe