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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gymnást; Gymnastik

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Gymnast - Gymnastik.

sien und Realschulen (4. Aufl., Berl. 1882); Derselbe, Die Verfassung der höhern Schulen (2. Aufl., das. 1881); "Statistisches Jahrbuch der höhern Schulen Deutschlands etc." (2. Abt. von Mushackes Deutschem Schulkalender, Leipz.). Zeitschriften: "Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen" (Berl., seit 1859; amtlich); "Jahrbücher für Philologie und Pädagogik" (hrsg. von Fleckeisen und Masius, Leipz., seit 1826); "Zeitschrift für das Gymnasialwesen" (Berl., seit 1847); "Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien" (Wien, seit 1850); "Blätter für das bayrische Gymnasialwesen" (Münch., seit 1865); die schwebenden Fragen über G. und Realschule behandelt mehr vom Standpunkt der letztern aus das "Pädagogische Archiv" (Stettin, seit 1859).

Gymnást (griech.), im Altertum Lehrer der Gymnastik, besonders der Geübtern und der Athleten.

Gymnastik (griech., von gymnàzein, "üben, turnen"), die Kunst der Leibesübungen, so genannt, weil derartige Übungen bei den Griechen nackt (gymnós) angestellt wurden. Das Wort bezeichnet nun erstens das wissenschaftlich begründete und allseitig ausgebildete System der Pflege, Stärkung und Übung der Körperkräfte, zweitens auch die angestellte Übung selbst. Indem die G. ihren Zweck auf die allgemeine und gleichmäßige Ausbildung des Körpers richtet, unterscheidet sie sich von der Athletik (s. d.), welche den Körper durch einseitige Übungen zu einzelnen hervorragenden Leistungen geschickt machen will, und von der Agonistik (s. d.), welche bei ihren Übungen vorzugsweise das Auftreten in Wettkämpfen im Auge hat.

Der Ruhm, die G. zuerst als Kunst aufgefaßt zu haben, welche nach bestimmten Regeln den ganzen Körper zur höchsten Vollkommenheit bilden will, gebührt den Griechen; die Leibesübungen früherer Völker, namentlich der Perser, waren nur auf die Aneignung bestimmter Fertigkeiten gerichtet. Die Griechen aber, welche in der Kalokagathie (s. d.), der Vereinigung einer edlen Seele mit einem schönen Körper, das Ideal des Menschen sahen, erachteten die Bildung des Körpers für nicht minder wichtig als die der Seele und hielten es zu Homers Zeiten für beschimpfend, in der G. nicht erfahren zu sein. Später wurde die G., deren Schutzgötter Herakles und Hermes waren, zur Staatseinrichtung gemacht und ihr Betrieb durch genaue Gesetze geregelt; dem freien Bürger war sie die notwendige Vorschule für den Kriegsdienst, zu dem er verpflichtet war, dem Sklaven verboten. In Sparta wurden sogar die Mädchen zu gymnastischen Übungen und demgemäß auch zu Wettkämpfen herangezogen. Aber nicht bloß einen wichtigen (in Sparta sogar den wichtigsten) Teil in der Erziehung des jungen Geschlechts bildete die G., auch die freien und in pekuniärer Hinsicht unabhängigen Männer übten sich bis in das Alter in den Turnschulen, erhielten sich dadurch die Rüstigkeit des Körpers und waren sich ihres Vorzugs vor dem über seine Arbeit gebückten Handwerksmann wohl bewußt. Auch darf der belebende Einfluß nicht übersehen werden, welchen die plastische Kunst der Griechen aus der G. empfangen hat. In den Ringschulen und Gymnasien boten sich, durch keine Kleidung verhüllt, die schönsten Körper in den verschiedensten Stellungen den Künstlern zum Studium dar; jedes Glied, jeder Muskel konnten da in ihrer Kraftäußerung studiert werden, so daß ohne Zweifel außer der den Griechen eignen Begabung für die Kunst und dem Institut der Sklaverei nichts so viel zur Blüte der griechischen Plastik beigetragen hat wie die öffentlich getriebene G. Dieselbe war der heutigen Turnkunst verwandt und doch wieder weit von ihr verschieden. Der feste Standort, auf dem bei ihr alle Übungen stattfanden war der Erdboden, und sie bediente sich dabei so gut wie keines Geräts; die moderne Turnkunst hat, entsprechend den Anforderungen des Lebens, welches bei den gewaltigen Hochbauten oft auch auf hohen Gerüsten sichere Bewegungen verlangt, die mannigfachsten Geräte in die Übungssäle eingeführt. Die einfachen und doch in ihrer weisen Verbindung alle Glieder des Körpers gleichmäßig ausbildenden Übungen der Griechen waren: der Hoch-, Tief- und Weitsprung, letzterer mit Halteren (s. d.) ausgeführt, der Speerwurf, der Schnelllauf (s. Dromos), das Diskoswerfen (s. Diskos), der Ringkampf (s. Pale). Diese fünf Übungen faßte man zusammen unter dem Namen des Pentathlon; dieselben fanden für die Knaben in der Palästra (s. d.) statt, als Bahn für das Laufen diente der Dromos; Jünglinge und Männer besuchten das Palästra und Dromos vereinigende Gymnasium (s. d.). Von öffentlichen Lehrern der G. in Griechenland wissen wir nichts, vielmehr übten sich die Knaben in den Palästren unter den Augen und nach den Weisungen der zuschauenden Bürger; vom Staat angestellte Gymnasiarchen (s. d.), auch Pädonomen und Kosmeten genannt, führten die Oberaufsicht. Häufig aber auch vereinigte ein Privatlehrer (Pädotribe) die Kinder mehrerer Eltern und lehrte das bisher nur planlos Geübte in methodischer Folge. Eine weitere Ausbildung gaben noch die Gymnasten (s. d.). Die Übungen geschahen, wie schon erwähnt ist, nackt. Vor denselben wurde der Körper mit Öl eingerieben, um die Glieder elastisch zu machen und vor zu starkem Schwitzen zu bewahren. Vor dem Ringen dagegen bestäubte man sich wieder mit Sand, um dem Gegner das Festhalten zu erleichtern. Nach den Übungen gaben große Bassins und Wannen Gelegenheit zur Reinigung des Körpers in warmen und kalten Bädern, wobei man sich, um die Haut von Öl, Schweiß und Sand zu befreien, des Striegels bediente. Nach dem Bad wurde eine Einreibung des Körpers von besonders sachverständigen Männern, den Aleipten (s. d.), vorgenommen und dabei der Körper, ähnlich wie es heute noch in türkischen Bädern geschieht, gewissen Reibungen und Reckungen unterworfen, um die Gesundheit zu kräftigen. Wenn auch die Teile des Pentathlon die Hauptübungen in den griechischen Palästren und Gymnasien bildeten, so waren sie doch nicht die einzigen. Bei dem Baden wurde das Schwimmen fleißig geübt und zu großer Vollkommenheit gebracht, in mehreren Staaten kam noch das Bogenschießen und Schleudern hinzu; vor allem aber ergötzte seit den Zeiten Homers das Ballspiel in den verschiedensten Arten jung und alt. Über den hier zu erwähnenden Waffentanz der Alten s. Pyrrhiche. Nicht sowohl zur G. als in das Gebiet der Athletik (s. d.) gehörten die Übungen im Faustkampf (s. Pygme) und im Pankration (s. d.), obwohl sie später, als die Einsicht in das wahre Wesen der G. immer mehr verschwand, mit Ausnahme von Sparta allgemeine Aufnahme in die Gymnasien fanden. Durchaus aber wurde zur G. gerechnet die allerdings nur den reichen Jünglingen und Männern zugängliche Kunst des Wagenführens und Wettreitens. Für diese Übungen war der Hippodromos bestimmt. Schon im Homer lesen wir, wie der greise Nestor seinem Sohn Antilochos Ratschläge gibt, den mit zwei Rossen bespannten zweiräderigen Streitwagen glücklich um die Zielsäule der Rennbahn zu lenken; später fuhr man vierspännig. Wenn auch diese Übung nebst dem erst in nachhomerischer Zeit aufgekommenen Wett-^[folgende Seite]