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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Irresponsabel - Irrtum.

an sich unschädlich sind, aber den für die Erneuerung des Bluts notwendigen Sauerstoff nicht enthalten (Stickstoff, Wasserstoff, Grubengas), als solche, welche eingeatmet werden können, aber giftig sind (Kohlensäure, Schwefelwasserstoff), und endlich solche, welche i. im engern Sinn sind, da sie nicht eingeatmet werden können, weil sie krampfhaftes Husten und Verschluß der Stimmritze bedingen (Chlor, Salpetersäuredämpfe, Bromdämpfe).

Irresponsabel (neulat.), unverantwortlich.

Irrevokabel (lat.), unwiderruflich.

Irridieren (lat.), verlachen, verspotten, verhöhnen; Irrisian, Verspottung; irrisorisch, verspottend.

Irrigation (lat.), Anfeuchtung, Bewässerung.

Irrigator (lat., "Bespüler"), Apparat zur Abspülung und Reinigung eiternder Wundflächen, wie er beim täglichen Verband der Wunden ganz allgemein benutzt wird. Die einfachste Form desselben besteht in einem Gefäß von Zink-, Eisen- oder Messingblech von beliebiger Größe, das nahe seinem Boden eine Öffnung mit einem kurzen Ansatzrohr zum Aufstecken einer Gummiröhre von mehreren Metern Länge besitzt, auf deren andres, freies Ende ein ebenfalls durchbohrtes Endstück von Knochen, Hartgummi od. dgl. aufgesteckt wird. Vorteilhaft versieht man das Kautschukrohr mit einem Quetschhahn. Beim Gebrauch wird das mit Wasser gefüllte Gefäß von einem Gehilfen in die Höhe gehalten, während der Arzt das Endstück so leitet, daß der hervordringende Wasserstrahl die beabsichtigte Stelle trifft. Zweckmäßig findet der I. auch zum Ausspülen der Nase, des Magens, der Blase, der Scheide (Nasen-. Magen-, Gebärmutterdouche) und zur Beibringung von Klystieren Verwendung.

Irritabilität (lat.), s. Reizbarkeit.

Irritantia (sc. remedia, lat.), "reizende" Mittel und Einflüsse, namentlich solche, welche insbesondere die Thätigkeitsäußerungen des Gefäß- und Muskelsystems erhöhen, während die Excitantia, die erregenden Mittel, besonders die sensibeln Nerven zu größerer Thätigkeit anregen.

Irritieren (lat.), reizen, aufreizen, ärgern; in der Volkssprache (unter Anlehnung an "irre") s. v. w. beirren, irre machen; Irritation, An-, Aufreizung etc.

Irrlehre, eine Lehre, die einer bestimmten Kirchengemeinschaft verwerflich erscheint, weil sie mit ihren geheiligten Satzungen in Widerspruch steht.

Irrlichter (Irrwische, Ignes fatui), Lichter oder Flammen von verschiedener Größe, welche man bisweilen auf Wiesen, sumpfigen Stellen, Kirchhöfen etc. erblickt haben will. Alle ältern Nachrichten über I. sind so unbestimmt, daß man ihre Existenz überhaupt geleugnet hat und jedenfalls hat sehr oft eine überreizte Phantasie mehr gesehen, als in der That vorhanden war. Dazu kommt, daß faules, leuchtendes Holz oder das Johanniswürmchen (Lampyris noctiluca) recht gut für ein Irrlicht gehalten werden kann; ja, ein neuerer Beobachter hat bei "unzweifelhaften" Irrlichtern die dieselben veranlassenden Johanniswürmchen eingefangen. Wenn man aber alle unsicheren Beobachtungen unberücksichtigt läßt, so liegen doch so viele zuverlässige Berichte, z. B. von dem Astronomen Bessel, vom Professor Knorr in Kiew, Direktor Richter in Saalfeld u. a., vor, daß man die Thatsache der Erscheinung nicht wohl bezweifeln kann. Die Berichte enthalten aber so viel Rätselhaftes, daß es durchaus unmöglich erscheint, die verschiedenen Erscheinungen miteinander zu vereinbaren. I. sind stets auf solchem Boden beobachtet worden, der viele organische Substanzen enthält; sie hängen also vielleicht mit der Fäulnis zusammen. Bei diesem Prozeß entwickelt sich Phosphorwasserstoff, ein Gas, welches sich an der Luft von selbst entzündet, und man hat daher die I. einfach für Blasen von Phosphorwasserstoff halten wollen. Dies ist aber jedenfalls unrichtig, denn das fragliche Gas verbrennt mit intensiv weißer Flamme und gibt einen weißen Rauch; auch ist dabei ein eigentümlicher Geruch zu bemerken. Gerade die besten Beobachtungen über I. wissen aber nichts von Geruch und Rauch, und noch niemals ist behauptet worden, daß I. intensiv weiß seien, sondern ihre Farbe ist stets schwach bläulich, gelblich, rötlich, grünlich. Will man sie von brennendem Kohlenwasserstoffgas herleiten, so ist nicht zu erklären, wodurch sich dasselbe entzündet haben könnte. Sehr gute Beobachtungen stellen es aber sehr in Frage, ob die I. wirklich brennendes Gas seien. List (1859 im Fuldathal) bemerkte keine Wärme, obwohl er die Hand in ein Irrlicht hineinsteckte; auch das Irrlicht des Professors Knorr erwärmte einen hineingehaltenen messingbeschlagenen Stock nicht; ein andrer will aber Werg am Irrlicht entzündet haben. List hörte bei der Entstehung eines Irrlichts einen schwachen Knall; bei Knorr steht die Flamme ganz ruhig, und selbst künstlicher Luftzug hat keinen Einfluß auf sie; bei List bewegt sie sich auch nicht, aber der leiseste Luftzug bringt sie zum Erlöschen; bei Tschudi schwankt die größte Flamme bald links, bald rechts, steigt und sinkt, doch erfahren wir nicht, ob das untere Ende der Flamme an derselben Stelle bleibt und nur das obere Ende hin- und hergeweht wird. Dies würde auf ein aus dem Boden sich entwickelndes Gas hindeuten. Ist letzteres die Ursache der I., so können dieselben nicht hüpfen, ebensowenig, wie die Flamme von einem Lampendocht sich entfernen kann. Wenn aber plötzlich ein Irrlicht erlischt und in demselben Moment in einiger Entfernung ein andres ausleuchtet, so kann dies für ein Hüpfen gehalten werden. Von dem angeblichen Hüpfen, Wandern haben übrigens die I. ihren Namen. Der Volksaberglaube hält die I. (Tückbolde, Lüchtemännekens), welche die Menschen verlocken, für die Seelen ungetauft gestorbener Kinder.

Irrsinn, s. v. w. Irrwahn; in Fiebern ein leichtes, vorübergehendes Delirieren (s. Delirium).

Irrstern, s. v. w. Komet.

Irrtum, jedes falsche Urteil, insofern es durch den Schein (species veri) für wahr gehalten wird. Der I. ist entweder ein formaler, insofern das Urteil den Gesetzen des Denkens, oder ein realer, materieller, insofern dasselbe der Natur des Gegenstandes widerspricht. Jener wird durch genaue Kenntnis und richtige Anwendung der Denkgesetze, dieser durch besonnene Prüfung und unparteiische Untersuchung vermieden. In der Rechtswissenschaft versteht man unter I. (error) nicht nur das Falschwissen, sondern auch das Nichtwissen (ignorantia), indem es rechtlich von derselben Wirkung ist, ob man von einer Thatsache gar keine oder eine falsche Vorstellung hat. Der I. findet aber im Rechtsleben nur dann Berücksichtigung, wenn er ein entschuldbarer ist, und zwar gilt der faktische I., der I. über Thatsachen (error facti), regelmäßig als entschuldbar, während der Rechtsirrtum (error juris) der Regel nach nicht entschuldigt wird, da jeder Bürger das Recht seines Staats kennen oder sich doch darüber vergewissern soll (ignorantia nocet). Nur ausnahmsweise wird im gemeinen Rechte der Rechtsirrtum Minderjährigen, Soldaten und in gewissen Fällen auch Frauen und gänzlich ungebildeten Personen verziehen. Nicht zu