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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italien

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Italien (Geschichte: 16. Jahrhundert).

der Anjous Anrechte auf Neapel zu besitzen meinte, ging darauf ein und unternahm seinen berühmten Zug nach Neapel, der den Anfang einer Reihe von welthistorischen Kämpfen auf der italienischen Halbinsel bildete. Als aber Karl VIII. 1494 Neapel unterworfen hatte und weder Lodovico Moro noch auch der Papst Alexander VI., welcher seinem Sohn Cesare Borgia ein italienisches Fürstentum erwerben wollte, sich hinreichend von den Franzosen belohnt fanden, schlossen die meisten Staaten Italiens ein Bündnis gegen Karl VIII., riefen den deutschen Kaiser Maximilian I. nach I. und veranlaßten den Rückzug der Franzosen. König Ferdinand II. zog wieder in Neapel ein, und da er schon 1496 starb, folgte ihm sein Oheim Friedrich. Allein Ludwig XII. von Frankreich erneuerte gleich nach seinem Regierungsantritt 1498 den Krieg in I. Hauptsächlich sollte seine Unternehmung darauf gerichtet sein, Neapel zu gewinnen; er wollte aber auch die Treulosigkeit der oberitalienischen Mächte strafen und vor allem in Oberitalien festen Fuß fassen. In der That wurden in Mailand die Sforza des Herzogtums beraubt, nachdem Lodovico Moro 1500 in französische Gefangenschaft geraten war. Kaiser Maximilian I., von den italienischen Mächten vielfach getäuscht, von den Deutschen ohne Unterstützung gelassen, belehnte jetzt selbst den französischen König mit dem Herzogtum Mailand und trat 1508 mit demselben zu Cambrai sogar in einen Bund gegen Venedig, welchem sich auch Ferdinand der Katholische von Aragonien anschloß, der seit 1504 unbestritten in Neapel regierte. Indessen wußte die kluge Politik Venedigs den unnatürlichen Bund der Großmächte bald zu trennen, und Papst Julius II. stiftete die Heilige Liga zur Vertreibung der Fremden aus I. Wirklich verlor Ludwig XII. seinen mailändischen Besitz wieder, besonders da er auch von den Engländern in Frankreich angegriffen wurde und gegen die Schweizer kämpfen mußte, welche damals in den Dienst der italienischen Mächte übergetreten waren. Die Venezianer besetzten den größten Teil ihrer Gebiete wieder; in Mailand zog Massimiliano Sforza, Lodovico Moros Sohn, ein. Aber im Riesenkampf von Marignano überwältigte König Franz I. 1515 seine Feinde in I. und nahm von der Herrschaft über Mailand wieder Besitz. Auf dem päpstlichen Stuhl war dem franzosenfeindlichen Julius 1513 der prachtliebende Mediceer Leo X. gefolgt, welcher Franz I. anfänglich auch in Bezug auf Neapel Zugeständnisse machte, dieselben aber erst nach dem Tod Ferdinands des Katholischen verwirklichen wollte.

Als nun aber Karl V. erst in Spanien und 1519 in Deutschland die Regierung übernahm, wurde der entscheidende Krieg zwischen den beiden um die Weltherrschaft streitenden Mächten vorzugsweise in I. ausgefochten. Nachdem Franz I. 1525 bei Pavia in die Gefangenschaft seines Gegners gefallen war, verzichtete derselbe im Madrider Frieden 1526 auf die Herrschaft in I. Neapel und Sizilien blieben mit Spanien vereint, Mailand erhielten die Sforza zurück. Als Massimiliano Sforza seine Politik änderte und den unter Papst Clemens VII. vereinigten Feinden des Kaisers beitrat, wurde er des Herzogtums wieder entsetzt. Die Liga, welche sich gegen den Kaiser bildete, wurde durch die Erstürmung von Rom gesprengt (1527), und Papst Clemens VII. schloß 1529 mit dem Kaiser den Frieden von Barcelona, in welchem er die Herrschaft desselben in I. anerkannte; sein Hauptbeweggrund dabei war die Rücksicht auf die Reformation in Deutschland, welche Karl zu unterdrücken versprach. Sforza erhielt zwar durch Vermittelung des Papstes sein Herzogtum zurück, mußte aber Como und das Kastell von Mailand den kaiserlichen Truppen überlassen. Massimiliano starb jedoch, als der Letzte aus dem Hause Sforza, bereits 1535, und 11. Okt. 1541 belehnte Karl V. seinen Sohn Philipp II. mit dem Herzogtum Mailand. Dieses Übergewicht des spanisch-habsburgischen Hauses in I. suchten die Franzosen zwar noch durch eine Reihe von Kriegen zu brechen; aber immer wieder mußten sie die Bedingung des Madrider Friedens annehmen, bis endlich durch den Friedensschluß von Cateau-Cambrésis (1559) der durch Karl V. gegründete Besitzstand Italiens dauernde Anerkennung fand. Auch in den kleinern Fürstentümern überwog der Einfluß Spaniens, und die Fremdherrschaft machte sich auch in den Städterepubliken geltend. Als die männliche Linie der Markgrafen von Montferrat erlosch, schenkte Karl V. ihr Land 1536 den ihm besonders treuen Gonzaga von Mantua. Parma und Piacenza, schon von Julius II. dem päpstlichen Stuhl erworben, wurden vom Papst Paul III. in ein Herzogtum verschmolzen und seinem Sohn Pietro Luigi Farnese verliehen. In Genua hielt sich der berühmte Doge Andrea Doria, nachdem er 1523 seine Vaterstadt aus den Händen der Franzosen befreit hatte, ebenfalls zur Partei des Kaisers. Die Verschwörung des Fiesco 1547 vermochte nicht, die Macht der Doria zu brechen. Da sich auch das savoyische Haus, welches im Frieden von Cateau-Cambrésis Piemont wiedererhielt, an das politische System Spaniens anschloß, so war die Halbinsel seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. in vollständige Abhängigkeit von Spanien geraten, und da Philipp II. Neapel bereits 1555 von seinem Vater erhielt, so war im Norden und Süden der Wille des großen Selbstherrschers gleich maßgebend geworden und drückte, trotzdem daß I. unter seiner Regierung verhältnismäßiger Ruhe genoß, auf den geistigen und materiellen Fortschritt der Nation.

Italien unter spanischem u. österreichischem Einfluß.

Nachdem im 16. Jahrh. die bildenden Künste hauptsächlich unter dem Schutz der Päpste zur höchsten Entwickelung gekommen waren, sank I. unter der politischen Herrschaft Spaniens und dem streng asketisch-hierarchischen System der reorganisierten Kirche in den folgenden anderthalb Jahrhunderten immer tiefer und zehrte gewissermaßen bloß von dem geistigen Kapital der Vergangenheit. Die spanische Regierung in den unmittelbar beherrschten Gebieten und ihr Einfluß auf die territorial, aber nicht politisch unabhängigen Gebiete, wie den Kirchenstaat, Venedig, Florenz etc., beruhten auf einem ausgedehnten militärischen System und auf einer sorgfältigen polizeilichen Überwachung. In die richterlichen und Kommunalangelegenheiten mischten sich die Spanier namentlich in Oberitalien wenig oder gar nicht; aber durch die im 16. Jahrh. eingetretenen Veränderungen des Welthandels wurde die Halbinsel in eine isolierte Lage gebracht, welche die spanische Regierung im Interesse des eignen Volkes ausbeutete, und wodurch der frühere Wohlstand der Nation untergraben wurde. Selbst die römische Kirche mußte sich die Beeinflussung seitens der spanischen Könige in einem Maß gefallen lassen, wie sie die deutschen Kaiser vorher nie ausgeübt hatten. Der Gewissenszwang, welchen Spanien im Sinn und Interesse der katholischen Religion beförderte, bot schließlich selbst den Päpsten nur einen schwachen Ersatz für den Verlust der politischen Macht, welche sie so viele Jahrhunderte hindurch sich zu schaffen bemüht waren. Wenn man von den kleinern Differenzen der italienischen Mächte untereinander ab-^[folgende Seite]