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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Jessore; Jesuaten; Jesuiten

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Jessore - Jesuiten.

Jessore, ind. Distrikt, s. Dschessor.

Jesuaten des heil. Hieronymus (Jesusdiener), ein der Armen- und Krankenpflege gewidmeter geistlicher Orden, der 1365 vom heil. Joh. Colombino in Siena gestiftet und vom Papst Urban V. 1367 bestätigt, 1668 aber vom Papst Clemens IX. wieder aufgehoben wurde, weil die Republik Venedig die großen Reichtümer dieser Kleriker zur Fortsetzung des Türkenkriegs zu verwenden wünschte.

Jesuiten (Gesellschaft Jesu), geistlicher Orden, der, gestiftet im alleinigen Interesse der päpstlichen Allgewalt, bald eine welthistorische Bedeutung wie kaum ein andrer Orden zu erlangen wußte. Der Stifter der Gesellschaft, Ignaz von Loyola (s. d.), nannte, weil er einst in einer Vision gesehen, wie Gott der Vater Jesu den besondern Schutz des Ordens übertrug, denselben die "Kompanie Jesu"; ihre Mitglieder fügten zu den drei Mönchsgelübden noch das vierte, "ihr Leben dem beständigen Dienst Christi und der Päpste zu widmen, unter dem Kreuzesbanner Kriegsdienste zu leisten, nur dem Herrn und dem römischen Oberpriester, als dessen irdischem Stellvertreter, zu dienen, so daß, was immer der gegenwärtige Papst und seine Nachfolger in Sachen des Heils der Seele und der Verbreitung des Glaubens ihnen befehlen, und in welche Länder immer er sie entsenden möge, sie ohne jegliche Zögerung und Entschuldigung sogleich, soweit es in ihren Kräften liege, Folge zu leisten gehalten sein wollten". In einem Zeitpunkt, da alle Welt dem Papste den Gehorsam aufkündigte, legte sich ihm also hier ein aus schwärmerisch-phantastischen Anfängen rasch zum Stadium weltkluger Berechnung fortgeschrittener Orden unbedingt zu Füßen. Kein Wunder, wenn ihn schon 27. Sept. 1540 Papst Paul III. bestätigte und Julius III. seine Vorrechte in ausgedehntester Weise erweiterte. Die J. wurden mit den Rechten der Bettelmönche und der Weltgeistlichen zugleich ausgestattet, mit ihren Gütern von aller weltlichen Gerichtsbarkeit und Besteuerung, auch von bischöflicher Abhängigkeit befreit und hatten demnach außer ihrem Ordensobern und dem Papst keinen Herrn anzuerkennen; sie erhielten die Befugnis, alle Priesterfunktionen, sogar während eines Interdikts, zu verrichten, von allen Kirchenstrafen und Sünden eigenmächtig loszusprechen, die Gelübde der Laien in andre gute Werke zu verwandeln, von Fastengeboten, von Abwartung der kanonischen Stunden, vom Gebrauch des Breviers sich selbst zu dispensieren sowie überall Kirchen und Güter zu erwerben und Ordenshäuser anzulegen. Dazu erhielt ihr General neben einer unumschränkten Gewalt über alle Ordensglieder die Befugnis, sie in jederlei Aufträgen überallhin entsenden, sie allerwärts als Lehrer der Theologie anstellen und mit akademischen Würden bekleiden zu können.

Organisation des Jesuitenordens.

In den Konstitutionen und der darauf beruhenden gesellschaftlichen Gliederung des Ordens charakterisiert sich aufs sprechendste die schon im Stifter zu bemerkende Verbindung überspanntester Schwärmerei und raffiniertester Berechnung. Religiös-sittliche Motive und politische Kunst und Klugheit haben zusammengewirkt, um eine mannigfaltig verzweigte, aber einheitliche Ordensregel zu schaffen und der Gesellschaft jene einzigartige Organisation zu geben, welche einem aus festen Ringen gefügten Panzer gleicht, der seinen Träger wehrhaft macht, schützt und zugleich elastisch genug ist, um ihm jegliche Bewegung zu verstatten. Wille, Einsicht und Gewissen der ganzen Gesellschaft werden daher in der Hand des Generals zu einem gefügigen Werkzeug, welches keinem Befehl versagt. Etwa 500mal kommen die Konstitutionen darauf zurück, daß jeder im General Christus selbst sehen müsse, wie überhaupt dem alten Soldaten, welcher den Orden gestiftet hatte, die Subordination als das Geheimnis aller Machtentfaltung, als die Seele aller Tugend galt. "Ein jeder sei überzeugt, daß diejenigen, welche unter dem Gehorsam leben, von der göttlichen Vorsehung durch Vermittelung ihrer Vorgesetzten sich ebenso bewegen und regieren lassen müssen, wie wenn sie ein Leichnam wären" (perinde ac si cadaver essent). Innerhalb des durch die Konstitution gezogenen Spielraums schaltet der General souverän, so daß der Einzelne, nicht aber die Gesellschaft in seine Hand gegeben ist. Durch die Provinziale (praepositus provinciae) gewählt und nur dem Papst verpflichtet, setzt er alle höhern Beamten ein und ab, verfügt über den Rang und die Wirksamkeit der Mitglieder, handhabt die vom heiligen Stuhl erhaltenen Privilegien, Gerechtsame und Konstitutionen, welche er ohne weitere Rechenschaft schärfen, mindern, widerrufen kann, und übt überhaupt volle Regierungs- und Jurisdiktionsgewalt aus. Er hat in den vier Beisitzern (Assistenten) gleichsam genossenschaftliche Anwalte, welche ihn bei schwierigen Geschäften durch Rat und That unterstützen, aber auch beobachten und, wenn er trotz der von dem Warner (Zensor, Admonitor) ausgehenden Abmahnung bei Mißgriffen oder den Ordensregeln zuwiderlaufendem Leben verharrt, vor den Generalkonvent bescheiden und hier auf Absetzung oder noch strengere Strafe antragen dürfen. Ähnlich dem General, welcher ihn ernennt, übt der Provinzial in seinem bald größern, bald kleinern Kreis die gleichfalls von Beisitzern und dem Warner gezügelte Amtsgewalt aus, untersucht jährlich einmal sorgfältig den Stand des Bezirks, überwacht auf Hochschulen und in Kollegien Lehrer und Schüler und beschränkt hochbetagte oder für wissenschaftliche Thätigkeit nicht befähigte Ordensglieder auf den Beichtstuhl. Dem Provinzial unmittelbar untergeordnet sind die Vorsteher der Profeßhäuser (Superioren), in welchen die vollendeten J. (professi quatuor votorum) wohnen. Die gleichfalls von Räten und Mahnern (monitores) umgebenen Rektoren oder Vorsteher der Kollegien leiten die wissenschaftliche Thätigkeit und den Schulbetrieb des Ordens. Ein geregelter Briefwechsel verknüpft alle Gebiete und vermittelt alle Gesellschaftsbeziehungen. Wöchentlich einmal statten die Rektoren und Vorsteher der Profeßhäuser dem Provinzial Bericht ab, worauf jeden Monat Bescheid erteilt wird. Sämtliche Provinziale in Europa schreiben dem General monatlich einmal, die Rektoren und Hausvorsteher alle drei Monate. Die Beamtenkontrolle wird so geführt, daß der General nicht nur im Besitz vollständiger Kataloge ist, worin die einzelnen Ordensglieder nach Namen, Alter, Studien, Beschäftigungen, geistiger Befähigung charakterisiert sind, sondern auch über die Entwickelung und Bewährung aller Arbeiter beständig auf dem Laufenden gehalten und dadurch in den Stand gesetzt wird, für jeden Posten sofort den geeigneten Mann zu ersehen. Aus den einlaufenden zahllosen Einzelberichten geht der jährlich zu Rom in lateinischer Sprache abgefaßte Generalbericht über den Stand der Provinz hervor. Den untersten Grad des Ordens bilden die Novizen, welche der von einem Gehilfen (coadjutor) unterstützte Novizenmeister (magister novitiorum) im