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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Johann

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Johann (Sachsen: Ernestinische Linie).

gehenden Schatten auf die Popularität werfen, die er sich durch seine patriotische Gesinnung, seine unermüdliche Arbeitskraft, seine umfassenden, vielseitigen und gründlichen Kenntnisse, seine staatsmännische Einsicht, seine religiöse Toleranz und seine versöhnliche, zu Vermittelung geneigte Gesinnung erworben hatte. Nach dem Tod seines Bruders, des Königs Friedrich August II., bestieg er 11. Aug. 1854 den sächsischen Königsthron und trug die unermüdliche Thätigkeit des Gelehrten mit ganzem Eifer in die Regierungsgeschäfte über, an denen er einen regen persönlichen Anteil nahm, und zu deren Behandlung er nach allen Seiten hin eigne Anschauung zu gewinnen wußte. Die Justizorganisation von 1855, die Erweiterung des Eisenbahnnetzes, die Einführung der Gewerbefreiheit sind seiner Anregung und Förderung hauptsächlich zu verdanken. Zur Annahme des französischen Handelsvertrags (1862) und zur Anerkennung Italiens behufs eines Vertrags mit diesem Reich verstand er sich trotz verwandtschaftlicher Beziehungen und legitimistischer Bedenken dem Wohl seines Landes zuliebe. Seine auf liebenswürdigste Weise kundgegebene Teilnahme für die Wissenschaft trug wesentlich zum Aufblühen der gelehrten Anstalten des Landes, vor allen der Universität Leipzig, bei. Weniger glücklich war er in der auswärtigen Politik. Durch die Traditionen seines Hauses und den unruhigen Ehrgeiz seines Ministers Beust wurde er zur Opposition gegen Preußens deutsche Politik veranlaßt. Er suchte erst eine engere Einigung Deutschlands außer Österreich und Preußen (Triasidee) herzustellen und handelte in der schleswig-holsteinischen Verwickelung 1863-64 mit den übrigen Mittelstaaten gemeinsam. Nach dem Scheitern dieser Politik schloß er sich in der deutschen Krisis 1866 eng an Österreich an, verließ beim Ausbruch des Kriegs mit seiner Armee das Land und mußte sich nach Österreichs Niederlage seinen Thron durch Unterordnung unter den Norddeutschen Bund wieder erkaufen. Indem er aber entschlossen sich in die neuen Verhältnisse fügte und seine Pflichten aufs loyalste erfüllte, sicherte er seinem Land im Norddeutschen Bund wie im Deutschen Reich eine geachtete, einflußreiche Stellung. Er wurde daher allgemein betrauert, als er 29. Okt. 1873 in Pillnitz starb. Aus Johanns Ehe mit der Prinzessin Amalie Auguste von Bayern (seit 10. Nov. 1822, geb. 13. Nov. 1801, gest. 8. Nov. 1877) sind drei Söhne, von denen einer bereits gestorben und von denen der älteste, Albert, jetzt König ist, und sechs Töchter, von denen nur noch zwei am Leben sind, entsprossen. Vgl. v. Falkenstein, J., König von Sachsen, ein Lebensbild (Dresd. 1878).

[Sachsen: Ernestinische Linie.] 30) J. der Beständige, Kurfürst von Sachsen, der vierte Sohn des Kurfürsten Ernst, geb. 30. Juni 1468, verlebte einen Teil seiner Jugend am Hof seines Großoheims, des Kaisers Friedrich III. In dem Krieg Kaiser Maximilians gegen die Ungarn zeichnete er sich vor Stuhlweißenburg aus; auch an den Feldzügen in Geldern (1494) und in Italien (1499) nahm er teil. Seit 1486 regierte er das ernestinische Sachsen gemeinschaftlich mit seinem ältern Bruder, Friedrich dem Weisen, dem er 1525 in der Kurwürde folgte. Friedfertig und mild, erklärte er sich doch sogleich mit größerer Entschiedenheit für die Reformation als jener. Durch den mit den Evangelischen Norddeutschlands im März 1526 geschlossenen Torgauer Bund hemmte er nicht nur die Agitationen der Altgläubigen, sondern setzte auch seine Glaubensgenossen in den Stand, auf dem Reichstag zu Speier als geschlossene Partei aufzutreten. Den denselben insofern günstigen Reichstagsabschied, als er den Fürsten freie Hand bei Ordnung der kirchlichen Dinge in ihren Territorien ließ, benutzte er, um der evangelischen Landeskirche Sachsens, namentlich auch mittels der Visitationen von 1527 bis 1529, eine feste Gestalt zu geben. Infolge der Enthüllungen Otto v. Packs schloß er zwar im März 1528 mit Landgraf Philipp von Hessen ein Verteidigungsbündnis, hielt diesen aber doch von voreiligen Schritten zurück. Unter Johanns Vortritt erfolgte auf dem Speierer Reichstag von 1529 jene Protestation, welche den Evangelischen Namen und Weltstellung gegeben hat; dagegen verhielt er sich aus konfessioneller Abneigung gegen die Zwinglianer ablehnend gegen Philipps Plan eines allgemeinen Bundes der Evangelischen. Auf dem Reichstag zu Augsburg (1530) trat er von vornherein mit großer Furchtlosigkeit und Entschiedenheit den unzweideutig feindseligen Absichten des Kaisers entgegen und ließ sich von seinen ängstlichen Theologen nicht abhalten, demselben die auf seine Veranlassung von Melanchthon verfaßte Konfession auch in eignem Namen zu übergeben und durch seinen Kanzler verlesen zu lassen. Mit Thränen in den Augen beurlaubte er sich nach Schluß des Reichstags vom Kaiser in der schmerzlichen Überzeugung, nun als offener Gegner desselben auftreten zu müssen. Er legte gegen die ungesetzliche Wahl von dessen Bruder Ferdinand zum römischen König Protest ein und vereinigte im Dezember 1530 die Protestanten zu ihrer Verteidigung in dem Schmalkaldener Bund, bereit, jeden Angriff auch mit den Waffen abzuwehren. Der Nürnberger Religionsfriede (1532) überhob ihn dieser Notwendigkeit. Er starb 16. Aug. d. J. in Schweinitz bei Wittenberg. Von seiner ersten Gemahlin, Sophie von Mecklenburg (gest. 1503), hinterließ er einen Sohn, Johann Friedrich, von der zweiten, Margarete von Anhalt, einen Sohn, Johann Ernst, und zwei Töchter, Maria, vermählt mit Herzog Philipp von Pommern, und Margarete (gest. 1535).

31) J. Friedrich der Großmütige, Kurfürst von Sachsen, als der älteste Sohn des vorigen 30. Juni 1503 zu Torgau geboren und von Spalatin erzogen, überkam die Regierung nach seines Vaters Tod 1532 zugleich für seinen unmündigen Bruder Johann Ernst, dem er später (1542) die Pflege Koburg abtrat und eine Rente von 14,000 Gulden aussetzte. Schwerfällig schon durch seine Korpulenz, der Jagd und dem Trunk, wie die meisten Fürsten seiner Zeit, ergeben, von eigensinnigem Wesen, war er zugleich auch der entschiedenste Anhänger der reinen lutherischen Lehre und auf Konsolidierung der sächsischen Landeskirche, namentlich durch Fürsorge für die materielle Lage der Geistlichen und bessere Ausstattung der Universität Wittenberg, eifrig bedacht. Für die Ausgaben der großen Politik fehlten ihm Scharfblick und Energie. Voll reichsfürstlicher Ergebenheit gegen den Kaiser, suchte er einem Bruch mit demselben so lange wie möglich auszuweichen, vermittelte daher 1534 den Frieden zu Kadan zwischen Philipp von Hessen und Ferdinand und erhielt 1535 in Wien die Belehnung mit der Kur. Dagegen gab er selbst ein bedenkliches Beispiel gewaltsamen Verfahrens, indem er den rechtmäßig zum Bischof von Naumburg gewählten Katholiken Jul. v. Pflugk eigenmächtig verdrängte und durch den Protestanten Nik. v. Amsdorf ersetzte, verfeindete sich, indem er mit ähnlicher Eigenmächtigkeit in dem Stift Wurzen eingriff, seinen ohnehin gegen ihn gereizten Vetter Moritz so, daß es ohne das Dazwischentreten Philipps von Hessen