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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Karl

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Karl (deutsche Kaiser: K. V.).

den Hafen von Tunis, Goletta, schlug Chaireddin in einer großen Feldschlacht, setzte den verjagten Dei Mulei Hassan in Tunis wieder ein und befreite 20,000 Christensklaven aus den Händen der Barbaresken. Während dieser glücklichen Kämpfe war aber König Franz von Frankreich von neuem mit Heeresmacht in Savoyen und Oberitalien eingebrochen. Zwar ward er aus dem größten Teil der savoyischen Länder wieder vertrieben; das kaiserliche Heer aber, das in die Provence einfiel und sogar 1536 Marseille belagerte, sah sich zum Rückzug genötigt. Durch die Bemühungen des neuen Papstes Paul III., der K. auch die Berufung eines Konzils versprach, wurde 1538 zu Nizza ein zehnjähriger Waffenstillstand geschlossen, und 14.-16. Juli d. J. fand zwischen beiden Monarchen eine vertrauliche Besprechung zu Aigues-Mortes statt, wo beide die Verlängerung des Waffenstillstandes beschlossen.

Nach kurzem Aufenthalt in Spanien rief eine wegen verweigerter Kriegssteuer ausgebrochene Empörung den Kaiser in die Niederlande. Er nahm seine Reise durch Frankreich, erschien 1540 vor dem aufständischen Gent, unterwarf es und strafte die Rebellen aufs strengste. Von den Niederlanden ging K. 1541 durch Deutschland, von da nach Italien. Dann unternahm er einen Zug gegen Algier, begleitet von der Blüte des spanischen und italienischen Adels und den Malteserrittern. Am 20. Okt. erreichte die Flotte die Höhe von Algier. Eintretender Sturm zerstreute jedoch seine Schiffe; die gelandeten Truppen sahen sich den Angriffen der Feinde wehrlos preisgegeben, und K. kehrte mit einem kümmerlichen Reste derselben zurück. Diese Bedrängnis Karls glaubte Franz von Frankreich endlich als den rechten Augenblick zur Niederwerfung seines Feindes benutzen zu müssen. Ein an zwei französischen Gesandten bei ihrer Durchreise durch das mailändische Gebiet verübter Mord, wofür der Kaiser keine Genugthuung gewährte, war der Vorwand, daß Franz 1542 fünf Armeen auf einmal ins Feld stellte und K. in Spanien, Luxemburg, Brabant, Flandern und Mailand zugleich angriff. Aber Andrea Doria blieb Meister zur See, und die französischen Armeen erreichten nicht den gewünschten Erfolg. K. brachte 1543 mit schnellen Schlägen den Herzog von Kleve zur Unterwerfung, der sich Franz hatte anschließen wollen, und 1544 drang das kaiserliche Heer unter Karls Führung siegreich bis in die Nähe von Paris. Plötzlich schloß er Frieden mit Franz zu Crépy 18. Sept. 1544, in welchem Franz ohne weitere Verluste davonkam, wofür er nur Karls Absichten betreffs des Konzils und des Kriegs gegen die Protestanten zu unterstützen versprach. Nun endlich gewann der Kaiser wieder Muße, seine Aufmerksamkeit dem Deutschen Reich zuzuwenden; er hatte die Absicht, die frühern Beschlüsse der Reichstage hinsichtlich der Protestanten in Vollzug zu setzen. Er hatte sich dazu mit dem Papst verbündet und seine Rüstungen inzwischen betrieben. Im Juli 1546 auf dem Regensburger Reichstag ließ er endlich die lange vorgehaltene Maske der Milde und Versöhnlichkeit fallen: er erklärte die Führer der Protestanten als Rebellen in die Acht. Aber die schmalkaldischen Bundesgenossen kamen ihm in der Kriegsrüstung zuvor, und mit Not hielt sich K. gegen die überlegene protestantische Heeresmacht. Erst als der Herzog Moritz von Sachsen in das Land seines Verwandten, des Kurfürsten Johann Friedrich, einfiel, erhielt K. das Übergewicht. Da die schmalkaldischen Verbündeten eilig nach Sachsen abzogen, so konnte K. die süddeutschen Bundesgenossen derselben einen nach dem andern unterwerfen; endlich gab die Schlacht bei Mühlberg an der Elbe 24. April 1547 auch den Kurfürsten von Sachsen und freiwillige Unterwerfung den Landgrafen von Hessen in seine Hand.

Nach Vernichtung des Schmalkaldischen Bundes beschäftigte sich K. aufs neue mit dem Plan, die Religionsparteien wieder zu vereinigen, und erließ zu dem Ende das sogen. Interim (s. d.), das jedoch den gewünschten Erfolg nicht hatte. Die Gewaltthaten des Kaisers sowie sein Ansinnen an die Kurfürsten, seinen Sohn Philipp zum dereinstigen Kaiser zu bestimmen, brachten eine neue Koalition der protestantischen Fürsten gegen ihn zu stande und bewogen namentlich den Kurfürsten Moritz von Sachsen zum Abfall. Letzterer benutzte die ihm von K. 1550 übertragene Achtsvollstreckung gegen Magdeburg zur Zusammenbringung einer hinreichenden Anzahl von Truppen, schloß insgeheim Verbindungen mit Heinrich II. von Frankreich und mit mehreren deutschen Fürsten und erhob sich im Frühjahr 1552 gegen den Kaiser; er drang im Mai in Tirol ein und verfolgte K. persönlich, so daß dieser von Innsbruck nur mit genauer Not nach Villach entkam. Karls Macht war durch diesen Aufstand gebrochen, er mußte widerwillig in den von seinem Bruder Ferdinand vermittelten Passauer Vertrag vom 2. Aug. 1552 willigen. Gleichzeitig aber hatte Heinrich II. von Frankreich die lothringischen Bistümer Metz, Toul und Verdun in Besitz genommen, und K. versuchte vergeblich, Metz zurückzuerobern; im Februar 1556 schloß er mit Frankreich zu Vaucelles einen Waffenstillstand auf fünf Jahre. Gebeugt durch solche Unfälle und von anhaltenden gichtischen Schmerzen gequält, lebte der Kaiser fortan in Brüssel und zwar so zurückgezogen, daß sich das Gerücht von seinem Tod in ganz Europa verbreitete. Das Schicksal Deutschlands hatte er schon ganz seinem Bruder Ferdinand überlassen, der auch ohne K. den Religionsfrieden in Augsburg 26. Sept. 1555 bewilligte. Im Oktober 1555 trat K. seinem einzigen Sohn, Philipp, zu Brüssel die Niederlande ab, 15. Jan. 1556 ebendaselbst auch Spanien und Neapel. Den deutschen Kurfürsten ließ er im September d. J. seine förmliche Abdankungsurkunde zugehen. Er selbst zog sich in das Kloster San Yuste bei Placencia in Estremadura zurück, wo er den Rest seines Lebens in Zurückgezogenheit, aber doch unter lebhafter Teilnahme an den Weltereignissen und den Staatsgeschäften zubrachte und 21. Sept. 1558 starb; er wurde 1574 im Escorial beigesetzt. Seine Gemahlin Isabella von Portugal hatte ihm Philipp II., seinen Nachfolger in Spanien, Maria, die Gemahlin Maximilians II., und Johanna, die Gemahlin des Thronfolgers Johann von Portugal, geboren. Johann von Österreich (s. Juan d'Austria) und Margarete, die Gemahlin des Herzogs von Parma, später Statthalterin der Niederlande, waren natürliche Kinder Karls. Sein Reich hatte Spanien mit den amerikanischen Kolonien, Neapel, die Niederlande u. Österreich umfaßt; er hatte 1536 das Herzogtum Mailand noch hinzugefügt, 1521 aber schon Österreich seinem Bruder Ferdinand zediert; er pflegte die Niederlande durch Verwandte regieren zu lassen, anfangs durch seine Tante Margarete, später durch seine Schwester Maria. K. war ein hervorragender Staatsmann voll großer Gedanken und Pläne und gleichzeitig ein sehr eifriger Katholik. Herrschsüchtig, ehrgeizig, zäh und ausdauernd, strebte er nach der Beherrschung der Welt, wie sie die Kaiser des Mittelalters geübt hatten. Er war ein absoluter Monarch, der die Mitherrschaft ständischer Körper zu