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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kloster

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Kloster (Geschichtliches).

anstatt sittlich zweckvoller Lebensbethätigung. Vgl. Weingarten, Der Ursprung des Mönchtums (Gotha 1877); Hilgenfeld in der "Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie" (1878); Gaß in der "Zeitschrift für Kirchengeschichte" von Brieger (2. Bd.); Keim, Aus dem Urchristentum (Zürich 1878). Diese Lebensweise erhielt festere Gestalt durch den heil. Antonius (s. d.) und durch Pachomius, welcher zuerst (um 340) für die verschiedenen Geschlechter auf der Nilinsel Tabennä eigentliche Klöster gründete. Seinem Beispiel folgten Hilarion (s. d.), Basilius d. Gr. (s. d.), Ammonius, Macarius u. a. Bald war das Mönchtum Modesache im christlichen Orient geworden. In den von Pachomius eingerichteten Klöstern wohnten die Mönche und Nonnen (denn auch für seine Schwester gründete er ein K.) in besondern, nebeneinander gebauten kleinen Häusern (s. Laura), welche zusammen das Cönobium oder Monasterium bildeten, das von einem Abbas ("Vater"), Hegumenen ("Führer") oder Mandriten ("Klostervorsteher") regiert wurde. Dieses Klosterleben erhielt, als sich immer mehr Personen hinzudrängten, durch Basilius bestimmte Regeln (s. Basilianer). Zur Arbeit im Dienste der Kirche oder der Menschheit hat sich dieses griechische Mönchtum nie entschlossen. In träger Beschaulichkeit dahinlebend, beteiligte es sich höchstens an den dogmatischen Lehrstreitigkeiten des 6.-9. Jahrh. mit seiner Phantasie, mit seiner bildermalenden Kunst und zuweilen auch mit seinen Fäusten. Die Mehrzahl der Religiosen bestand aus Leuten aus den niedrigsten Ständen, die mehr den Beruf und seine Arbeit als die Gesellschaft und ihre Laster flohen, den Steuern und Kriegsdiensten entgehen und überdies sich den Nimbus der Heiligkeit erwerben wollten. Auf dem zweiten nicäischen Konzil (787) mußte die Errichtung von beiden Geschlechten gemeinschaftlichen sogen. Doppelklöstern verboten werden. In diesen Mönchskolonien war bald genug ein Fanatismus erwacht, der sich zu jeglichem Abenteuer verstieg. Den erhitztesten Schwärmern genügte die Strenge der Klosterregel noch nicht, sondern sie widmeten sich in einsamen Zellen, in Höhlen, selbst aus Bäumen und Säulen (s. Styliten) oder unter freiem Himmel maßloser Askese. So trugen die zahlreichen Boskoi oder Pabulatores (grasenden Mönche) ihren Namen davon, daß sie in den Gefilden Mesopotamiens inmitten der Viehherden grasten. An dem Raffinement solcher Entsagungen entzückte sich die lebensmüde Welt, und schon das Ende des 4. Jahrh. erlebte die Anfänge einer Art von Mönchsbelletristik, den sogen. asketischen Roman. Hieronymus (s. d.), der damit voranging, hat recht eigentlich das Mönchtum in das Abendland eingeführt, und was er in Italien, das thaten Augustinus in Afrika, in Südgallien Johannes Cassianus. Benedikt von Nursia (s. Benediktiner) führte zuerst in Monte Cassino die förmliche Verpflichtung der Religiosen auf die drei Klostergelübde ein, und seine Regel blieb Norm auch für die später gegründeten Orden (s. Orden und Benediktiner). Diese Klöster haben im Mittelalter die geistigen Schätze der heidnischen und christlichen Vergangenheit in ihren Bibliotheken aufbewahrt und sich durch Vervielfältigung und Verbreitung von Büchern verdient gemacht. Einen ungemeinen Einfluß erlangten die Mönche dann auch dadurch, daß sie die Erziehung der Jugend in ihre Hände nahmen (s. Klosterschulen). Aber auch praktisch hat das abendländische Mönchtum ganz anders in die Kirchengeschichte eingegriffen als im Orient; im Gegensatz zu letzterm weist es vor allem auch in sich selbst Entwickelung und Fortschritt auf. Seit dem 10. Jahrh. wurde das Mönchtum als ein besonderer geistlicher Stand (ordo der religiosi) betrachtet, der für die weltlichen Geschäfte und niedrigen Dienstleistungen Laien- oder Klosterbrüder (conversi) annahm, welche nur einfache Gelübde ablegten, so daß die großen Benediktinerabteien alle Gewerke für ihre Bedürfnisse, besonders zu Bauten, in sich schlossen. Infolge der Reichtümer, die sich in den Klöstern sammelten, traten bald allenthalben Symptome der Entartung auf; letztere stieg im 10. Jahrh. so hoch, daß eine gründliche Reform unvermeidlich wurde. Die meisten Klöster Frankreichs nahmen die Regel von Cluny (s. d.) an. Nachher erfolgten noch weitere Schärfungen in verschiedenartigen Orden und Kongregationen (s. die einzelnen Orden), welche jedoch dem immer von neuem hereinflutenden Verderben niemals auf die Dauer wehren konnten. Die Hauptschläge aber empfing das Klosterwesen im 16., 18. und 19. Jahrh. Die Reformation hatte Einziehung der Klostergüter zur Folge, welche teils zum fürstlichen Fiskus geschlagen, teils zum Besten von Kirche und Schule, teils zur Versorgung adliger Fräulein verwendet wurden. In den katholisch gebliebenen Ländern trat die Aufklärung gegen die Klöster als Sitze des Aberglaubens und des Müßiggangs in die Schranken, und ihrer 1300 sollen den Maßregeln Josephs II. (s. d.) erlegen sein. Endlich erklärte die Revolution 1789 die Klostergüter für Nationalgüter, und seit 1802 schritt unter Napoleons I. Auspizien auch das Deutsche Reich zur Einziehung derselben vor. Die Restauration brachte allenthalben auch hier den Gegenschlag mit sich. In Frankreich gab es beispielsweise zu Anfang dieses Jahrhunderts keine Nonnen, vor der Julirevolution schon wieder ihrer 22,000, dagegen 1878 fast 128,000. Das cisleithanische Österreich beherbergte 1875 in 451 Niederlassungen 4374 Ordenspriester und 1453 Laienbrüder, in 349 Niederlassungen 6068 Nonnen und Laienschwestern. Zuerst ermannten sich gegen das wieder überhandnehmende Unwesen Portugal, wo 1834, und Spanien, wo 1835 die Klöster wenigstens zeitweilig aufgehoben wurden, mit größerm Erfolg Italien, wo 1866 die gleiche Maßregel getroffen wurde, endlich auch das protestantische Deutschland, das während der Reaktionsjahre seit 1849 den ergiebigsten Boden für das Klosterwesen gebildet hatte. So existierten z. B. in der ganzen Erzdiözese Köln noch 1850 nur 272 Religiosen, 1872 dagegen 3131. Während ferner 1851-53 in den drei Diözesen Breslau, Posen-Gnesen, Kulm nur 236 Mitglieder von Kongregationen existierten, war ihre Zahl 1871-1872 auf 1986 gestiegen. Durch das Gesetz vom 31. Mai 1875 wurden in Preußen alle geistlichen Orden und ordensähnlichen Kongregationen, mit Ausnahme derjenigen, welche sich ausschließlich der Krankenpflege widmen, aufgehoben. Zur Zeit der Aufhebung befand sich in Deutschland, soweit festzustellen war, die ansehnliche Anzahl von 19,434 Ordensmitgliedern, welche sich auf folgende Länder verteilen:

Länder Im Jahr Mönche Nonnen

Preußen 1872-73 1037 8011

Bayern 1873 1094 5054

Sachsen 1875 - 92

Württemberg 1873 - 376

Baden 1873 - 349

Hessen 1874 39 314

Elsaß-Lothringen 1873 418 2650

Zusammen: 2588 16846