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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Konstantinopel

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Konstantinopel (öffentliche Gebäude, Bazare, antike Überreste).

Waffenmuseum benutzt) sowie seit kurzem auch das Antiquitätenmuseum (im Tschinili-Kiosk) und die Kunstschule befinden. Ein zweites Thor (Orta-Kapussi) führt zu einem andern, von Säulen umgebenen Hof, an dessen hinterer Fronte der Sultan früher bei großen Festen Empfang hielt. Ein drittes Thor, Babi-Seadet ("Pforte der Glückseligkeit") genannt, führt zu dem innersten Hof und dem Diwansaal, wo die Versammlungen des Reichsrats stattfanden, und wo die Gesandten Audienz erhielten. Hier befindet sich auch der kaiserliche Schatz. Die Ereignisse, welche dem Regierungsantritt Mahmuds II. (s. d.) vorangingen, bestimmten ihn, das Serail zu verlassen. Er bezog den 1679 erbauten Palast von Beschiktasch in der Vorstadt gleichen Namens. In unmittelbarer Nähe desselben liegt der Palast von Dolma-Baghtsche, welchen Sultan Abd ul Medschid (s. d.) erbaut und zu seiner definitiven Residenz gemacht hatte. Der Palast zeigt in seinem Äußern eine Vermischung aller Stile und einen überladenen Reichtum an Ornamenten. Das Innere ist nach modernem Geschmack dekoriert und enthält außer schönen Wohnräumen einen prachtvollen Thronsaal von außergewöhnlicher Höhe. Noch prächtiger ist der von Sultan Abd ul Asis 1863-67 erbaute, zwischen den Dörfern Beschiktasch und Ortaköj am Ufer des Bosporus gelegene Palast von Tschiraghan. Der jetzige Sultan, Abd ul Hamid II., residiert in dem über Beschiktasch auf der Höhe gelegenen Palast von Jildis; vor dem Thor desselben erhebt sich eine schöne, im J. 1886 erbaute Moschee (Hamidije genannt) von eleganten architektonischen Formen.

Von den öffentlichen Gebäuden in K. ist zunächst hervorzuheben: die Hohe Pforte (Babi-Ali, auch Pascha Kapussi, d. h. Pforte des Paschas, genannt), in welcher die Bureaus des Großwesirats, der Ministerien des Äußern und des Innern und diejenigen des Staatsrats sich befinden. Dieselbe liegt neben den Mauern des Serail nach der Stadt hin und macht, vom Goldenen Horn aus gesehen, einen imposanten Eindruck. Das Hauptthor ist mit Marmorpfeilern geschmückt und trägt an der Spitze eine türkische Inschrift. Bei der Hagia Sofia liegt das große von Sultan Abd ul Medschid 1847 erbaute, Dar ul Funun ("Haus der Wissenschaften") genannte Gebäude (so benannt, weil der Erbauer es zu einer Universität bestimmt hatte), in welchem jetzt verschiedene Ministerien untergebracht sind. Ferner ist das Seraskierat (Kriegsministerium) zu erwähnen, das im Innern der Stadt auf dem Platz des Eski-Serai oder des Alten Serails steht, das nach der Eroberung von K. anfangs vom Sultan Mohammed II. bewohnt wurde, dann, wie schon erwähnt, den frühern Sultaninnen zur Wohnung diente. Das Gebäude nimmt einen weiten Raum ein, in welchen man durch zwei Thore gelangt. Seitwärts von dem einen Hauptthor (nach dem Platz Bajesid) sind zwei Pavillons angebracht, in welchen der Sultan bisweilen bei Paraden und Festlichkeiten Platz nimmt. Die Gebäude selbst sind neu und im modernen Baustil gehalten. Gegen die Mitte des weiten Hofs hin ragt ein hoher Turm, dessen Spitze, der höchste Punkt Konstantinopels, eine großartige Rundschau gewährt. Das sogen. Schloß der sieben Türme (Heptapyrgion, türk. Jedi-Kule), worin ehemals bei ausgebrochenem Krieg die Gesandten der feindlichen Mächte eingesperrt wurden, liegt am äußersten Südwestende der Stadt, unweit des Meers. Es ist ein ziemlich regelmäßiges Fünfeck, von starken Mauern gebildet, in dessen Winkeln runde Türme standen; seine jetzige Gestalt erhielt es erst durch Mohammed II. In früherer Zeit diente es zur Aufbewahrung des Staatsschatzes, dann als Staatsgefängnis.

[Bazare, antike Überreste.] K. hat eine beträchtliche Anzahl von offenen Märkten und gedeckten Bazaren (Besestan), die mit allem, was der Orient Kostbares hat, angefüllt sind. Ziemlich in der Mitte der Stadt liegt der Große Bazar, der aus vielen gewölbten Hallen besteht. Der interessanteste Teil desselben ist der Bazar der Waffenhändler, wo Waffen aller Art, alte und neue, zum Gebrauch oder als Schaustücke aufgehängt sind. Die Läden mit Waren derselben Art befinden sich immer nebeneinander. Der Verkauf von Negerkindern und Tscherkessenmädchen findet nur noch im geheimen statt. Außer den eigentlichen Märkten gibt es auch Chane oder Karawanseraien, eine Art Hotels für Wechsler und Großhändler, welche hier ihre Geschäfte betreiben. Es sind meist viereckige, einen Hof einschließende Gebäude, innerhalb mit vielen Zellen und Säulengängen versehen, gewöhnlich fromme Stiftungen, welche zu Moscheen, Spitälern, Schulen u. dgl. gehören, denen ihr Ertrag zu gute kommt.

Außer den schon gelegentlich erwähnten Denkmälern alter Kunst haben sich wenige Überreste aus dem Altertum erhalten. Die sogen. Verbrannte Säule (türk. Dschemberli-Tasch), so genannt, weil sie von den Feuersbrünsten viel gelitten hat, in der neu hergerichteten Hauptstraße, hieß früher die purpurne Säule und besteht aus neun Cylindern von rotem Porphyr. Ursprünglich 55 m hoch und die eherne Statue des Kaisers Konstantin, der als Apollo-Helios dargestellt war, tragend, wurde sie unter Alexios Komnenos vom Blitz getroffen und zweier Cylinder sowie der Statue beraubt, aber durch den Kaiser Emanuel Komnenos (1180) wiederhergestellt. Die Säule des Kaisers Marcian (Kys-Tasch genannt), ziemlich im Mittelpunkt der Stadt, ist 15 m hoch; ihr Kapitäl und Fußgestell sind aber sehr beschädigt. Die schönste Säule von allen, nämlich die, welche Arcadius seinem Vater Theodosius zu Ehren 401 errichten ließ, und welche nach Art der Trajanssäule in Rom mit Basreliefs bedeckt war, mußte 1695 abgetragen werden; man sieht nur noch die Basis, einen kolossalen Marmorblock (jetzt Awret-Tasch genannt). Von den herrlichen Palästen der griechischen Kaiser, z. B. dem Bukoleon, in der Nähe des Atmeidan, sind kaum noch Spuren vorhanden; nur von einem, dem Hebdomonpalast (jetzt Tekir- oder Tekfur-Serai, "Palast des Prinzen"), am nördlichen Ende der Stadt, sind noch ausgedehnte Ruinen übrig. Ferner gehören hierher die Überreste des Palastes Blachernä und der berühmten Blachernenkirche der heiligen Jungfrau, mit einem heiligen Quell (Hagiasma), sowie die korinthische Säule, welche zum Andenken eines Siegs über die Goten unter Claudius II. errichtet ward und in einem Garten des Serails steht. Die meisten der antiken und mittelalterlichen Statuen und Basreliefs sind jedoch von den Türken verstümmelt worden; auch richteten die venezianischen u. französischen Kreuzfahrer, welche 1204 K. eroberten, unter ihnen große Verwüstungen an. Noch sind die alten Zisternen und Wasserleitungen zu erwähnen, von denen eine noch heute benutzte, die sogen. Wasserleitung des Valens (türk. Bosdoghan Kemeri), bis zu Hadrians Zeiten hinaufreicht, andre von den spätern griechischen Kaisern herrühren. Am bekanntesten sind außerdem die Zisterne Basilika (Jere-Batan Serai), die der Tausendundeinen Säule (Binbir-Direk) und die Wasserleitung