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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kupferstecherkunst

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Kupferstecherkunst (Aquatintamanier etc.; der Kupferdruck; Geschichtliches).

zugespitzten Stahlstift, welcher die Form einer Bleifeder hat, in ganz freier Handzeichnungsmanier ausgeführt, indem nur der dünne Ätzgrund eingeritzt wird, so daß nach Vollendung der Zeichnung diese den roten Kupfergrund bloßlegt und also sich in roten Strichen auf schwarzem Grunde darstellt. Dann wird die ganze Platte mit einem festen Wachsrand umgeben und das Ätzwasser (verdünnte Schwefelsäure, Salzsäure oder Eisenchlorid) auf die Platte gegossen, welches sich nun an den bloßgelegten Stellen in das Kupfer einfrißt und also die Zeichnung vertieft. Sind die leichtesten, zartesten Stellen der Zeichnung hinlänglich geätzt, so wild das Ätzwasser abgegossen, die Platte mit Wasser abgespült und diese Stellen gedeckt, d. h. vermittelst des Pinsels mit durch Terpentin aufgelöstem Deckfirnis überstrichen, damit sie bei fernerer Ätzung nicht weiter vertieft werden. In dieser Weise fährt man fort, zu ätzen und zu decken, bis man auf die am meisten zu vertiefenden Stellen gekommen ist. Schließlich wird der ganze Ätzgrund abgewaschen und, wenn es nötig ist, hier und da mit der kalten Nadel oder mit dem Stichel nachgearbeitet. Die Radiermanier ging durch die Harnischmacher auf Dürer über, der jedoch nur wenige Blätter lieferte (auf Eisen, vgl. Eisenstich). Seitdem datiert ihre große Verbreitung. In unsrer Zeit hat die Radierung besonders in Frankreich, England und Deutschland einen neuen Aufschwung genommen. Sie wird sowohl von Malern betrieben, welche ihre Zeichnungen selbst radieren (Malerradierer, Peintres-graveurs), als auch als selbständige Kunst von Radierern im engern Sinn, welche alte und moderne Gemälde mit Rücksicht auf ihre malerische Wirkung reproduzieren (s. Radierung).

Alle andern Manieren sind Abarten der drei hier beschriebenen oder eine Verbindung derselben. Zu nennen sind folgende: die Aquatinta- oder Tuschmanier, die auf dem Prinzip des Ätzens beruht. Die Platte wird nämlich, nachdem die Umrisse der Zeichnung leicht geätzt sind, mit Kolophoniumpulver besiebt und dann erwärmt, so daß der Staub zu einzelnen Punkten schmilzt. Dann wird mittels eines Pinsels schwarzer Deckfirnis leicht auf die Stellen aufgetragen, welche weiß bleiben sollen (die Lichter werden gedeckt), und demnächst die Platte geätzt. Hierauf kommen die Halblichter, Mitteltöne, Halbschatten etc., wie bei der Radierung, bis zu den tiefsten Schatten. Diese erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von Le Prince (1768) erfundene Manier ist wieder aus dem Gebrauch gekommen. Die Punktiermanier ist eine Abart der Linienmanier und unterscheidet sich von derselben dadurch, daß statt der mit dem Grabstichel eingegrabenen Lineamente vermittelst des Bunzens Punkte eingeschlagen werden, welche unterbrochene Linien in ähnlicher Schwingung wie beim Linienstich darstellen. Diese Manier wurde schon gegen das Ende des 16. Jahrh. in Nürnberg geübt. Die moderne englische Punktiermanier, welche besonders beim Stahlstich angewandt wird, ist im Prinzip ähnlich, doch in ihrer Anwendung verschieden; auch wird bei ihr der Grabstichel angewandt, so daß sie eigentlich Punktierstich (statt Linienstich) ist. Die Crayonmanier oder der Kreidestich, seit Mitte des vorigen Jahrhunderts besonders in Frankreich geübt, besteht in der Nachahmung von Kreidezeichnungen, häufig in rötlicher Farbe. Der Farbendruck in Kupfer wird von mehreren Platten bewirkt. Er ist neuerdings durch die Franzosen wieder aufgenommen und auch für die Buchillustration verwertet worden (vgl. Farbiger Stich).

[Kupferdruck.] Wenn die Kupferstichplatte auf eine der angeführten Manieren hergestellt ist, kommt sie in die Kupferdruckpresse, welche eine von der Buchdruckpresse ganz abweichende Konstruktion hat. Im wesentlichen besteht dieselbe aus einem Gestell, welches zwei wenig voneinander abstehende, verstellbare, entgegengesetzt laufende Eisenwalzen trägt, zwischen denen das zum Aufnehmen der Platte bestimmte Lauf- oder Druckbrett liegt. Man schwärzt nun die etwas erwärmte Platte ein, so daß alle Vertiefungen mit Farbstoff gefüllt sind, und reibt sie dann so wieder ab, daß nur in den Vertiefungen Farbe bleibt, die erhabenen Stellen dagegen ganz rein sind. Sodann legt man sie auf das Laufbrett und zwar mit der gestochenen Seite nach oben, darauf das angefeuchtete Kupferdruckpapier, auf dieses eine Lage von 3-4 glatten, guten Tüchern von Wolle oder eine dünne Filzdecke und zieht dann, indem die Walzen durch ein Schwungrad in Bewegung gesetzt werden, das Laufbrett mit Platte und Papier zwischen denselben so durch, daß das Papier mit möglichster Kraft in die Vertiefungen der Platte vermittelst des doppelten Walzendrucks hineingepreßt wird. Hiermit ist der Druck eines Exemplars vollbracht. Vor jedem neuen Abdruck muß die Platte wieder erwärmt und aufs neue eingeschwärzt werden. Das Verfahren ist also ein ziemlich langsames, bei größern Platten können täglich nur 20-25 Abdrücke gemacht werden. Eine gute Platte hält, wenn sie in Linienmanier gestochen, 1000 gute und weitere 1500 brauchbare Abdrücke aus, Radierungen nur 2-300. Um mehr Abdrücke zu erzielen, werden die Platten der letztern verstählt oder galvanoplastisch vervielfältigt. Da es demzufolge für die Qualität des Stiches sehr wesentlich ist, zu wissen, ob er dem ersten oder zweiten Tausend der Abdrücke angehört, so pflegt man die ersten 100-200 Abdrücke ohne Unterschrift zu drucken, d. h. die Unterschrift erst nach dem Abzug dieser Exemplare (avant-la-lettre) darunter stechen zu lassen, welche deshalb wertvoller und seltener sind als die Drucke mit der Schrift. Auch unter den "avant la lettre" werden noch die sogen. Drucke auf chinesisches Papier und die Épreuves d'artiste (d. h. Abdrücke mit dem eigenhändig eingravierten Namen des Stechers, mit dem Porträt des Künstlers, nach welchem das Blatt gestochen ist, oder mit andern Auszeichnungen), die allerersten Abdrücke, besonders hoch geschätzt. Die folgenden Abdrücke mit der Unterschrift heißen après oder avec la lettre. Durch das Verfahren der galvanoplastischen Vervielfältigung gestochener Kupferplatten ist jedoch dieser Unterschied im Wert fast illusorisch geworden, da man, ohne von der Originalplatte selbst zu drucken, galvanoplastische Platten in beliebiger Anzahl herstellen kann. Auch das sogen. Verstählen der gestochenen Kupferplatten sichert die Herstellung einer bedeutend größern Anzahl tadelfreier Abdrücke. Neuerdings kommt es vor, daß die Platte, nachdem eine bestimmte Zahl von Abdrücken gemacht, zerstört wird, um die Seltenheit der Blätter zu erhöhen. Außer der Unterschrift des Titels, welcher den Gegenstand der Darstellung bezeichnet, findet man dicht unter dem Bildrand an den Ecken und in der Mitte den Namen des Malers oder Kompositors des Bildes mit der Abkürzung pinx. (pinxit) oder inv. (invenit), des Zeichners mit del. (delineavit), des Stechers mit sc. (sculpsit) und auch wohl des Druckers mit imp. (impressit) oder exc. (excussit).

Geschichte des Kupferstichs.

Der Kupferstich kam um 1440, wie es scheint, im südwestlichen Deutschland auf, d. h. der oben erwähnte