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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Kupferstecherkunst

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Kupferstecherkunst (Geschichtliches).

Papierabdruck, während man allerdings schon in den ältesten Zeiten in Kupfer Linien eingegraben hatte. Am nächsten lag diese Kunst den Goldschmieden, die ja mit dem Stichel in Metall (s. Metallschnitt) stachen, und so dürfte wohl ein solcher der Erfinder der K. gewesen sein. Die erste bekannte Jahreszahl, 1446, findet sich auf dem Blatt eines deutschen Meisters, der Geißelung, zu einer Folge von sieben Blättern aus der Passion gehörig. Dieses Blatt setzt jedoch bereits eine längere Praxis im Druckverfahren voraus. Sodann kommt die Madonna des Meisters P. von 1451. Eine sehr reife Technik besitzt schon der Meister "E. S." von 1466, der im südwestlichen Deutschland lebte und für den Lehrer M. Schongauers (geboren nach 1445, gest. 1488 in Kolmar), des größten Kupferstechers im 15. Jahrh., gehalten wird. Gegen diese sichern Daten können die italienischen Ansprüche nicht aufkommen; Vasaris Mitteilung von der Erfindung durch den florentinischen Goldschmied Maso Finiguerra, der durch den Abdruck einer Pax in Niello (s. d.) auf den Kupferstich gekommen sein soll, ist schon deshalb unbegründet, weil nicht nachgewiesen ist, daß Finiguerra Abdrücke gemacht hat, und weil die ältesten italienischen Kupferstiche (um 1480) viel unbeholfener als die frühern deutschen sind. Schongauers Vorgang war von äußerster Wichtigkeit; seine feine, saubere Technik vererbte sich auf A. Dürer (1471-1528), den großen Stecher von Nürnberg. Derselbe versuchte sich auch auf ein paar Blättern in der Kaltenadelarbeit und in der Radiermanier, die sich seitdem mehr und mehr verbreitet hat. Seine deutschen Nachahmer Barthel und Sebald Beham, H. Aldegrever, A. Altdorfer (durch seine radierten Landschaften namentlich interessant, während er sonst in Reinheit des Stiches den andern nachsteht), J. ^[Jakob] Binck, G. Pencz u. a. nennt man wegen ihrer zierlichen Stichweise und des kleinen Formats ihrer Blätter die "Kleinmeister". Sie stehen in der Zeichnung schon unter dem Einfluß der italienischen Renaissancekünstler. Eine besondere Spezialität des 16. Jahrh. sind die Ornamentstecher, die Vorbilder für das Kunstgewerbe lieferten. Von Spätern sind hervorzuheben Virgil Solis, Hirschvogel, J. ^[Jost] Amman. Diese standen schon nicht mehr auf der alten Höhe, und nach ihnen, im letzten Drittel des 16. Jahrh., begann der Verfall der K.; die italienischen und niederländischen Stecher waren den deutschen vorausgekommen und übten entscheidenden Einfluß. Zu nennen sind: der fabrikmäßig arbeitende Matth. Merian (1593-1650), die Familie Kilian in Augsburg, W. Hollar (1607-77), der größte deutsche Stecher des 17. Jahrh., der an 4000 Stiche in eigentümlicher malerischer Manier und aus allen Gebieten künstlerischer Darstellung lieferte. Im Radieren begann die Rembrandtsche Manier ihren Einfluß zu gewinnen, später die französische Technik. Das 18. Jahrh. sah keinen Aufschwung: Jakob Frey (1682 bis 1771) ist mehr zu den Italienern zu rechnen; der fruchtbare Radierer Dietrich nahm sich vornehmlich die Holländer zum Vorbild, der glänzende, aber etwas kalte G. Fr. Schmidt (1712-75) Rembrandt und die Franzosen. Ihm eiferte nach Georg Wille (1715-1808); dessen Schüler ist Gotth. v. Müller; auch J. ^[Jacob] Schmutzer und A. v. Bartsch in Wien sind zu nennen. Der geistvollste deutsche Kupferstecher des 18. Jahrh. ist Chodowiecki, der nur nach eignen Kompositionen stach. Ein neuer Aufschwung der K. beginnt mit dem 19. Jahrh., an dessen Schwelle Fr. Müller (1783-1816), der Schöpfer des heute noch klassischen Stiches nach der Sixtinischen Madonna steht. In Berlin gründete Buchhorn eine Schule, aus der Mandel, der selbst wieder eine Schule gründete, Eichens, Lüderitz, Habelmann, Trossin u. a. hervorgegangen sind. Außerdem sind zu nennen: Ruscheweyh, Thäter, Steinla, Caspar, Keller, Jacoby, Raab, J. ^[Johann] Burger, Barthelmeß, J. ^[Jakob] Felsing, Eilers, R. Stang, Steifensand, Kohlschein, Sonnenleiter. Die Gründung der Verbindung für vervielfältigende Kunst in Wien hat auf den Stich einen fördernden Einfluß ausgeübt. Italien überkam den Stich wahrscheinlich aus Deutschland. Der erste bekannte Stecher ist Baccio Baldini aus Florenz, um 1470 bis 1480 thätig; andre sind Pollajuolo und A. Mantegna (1431-1506), welch letzterer die italienische K. zu höherer Entwickelung gebracht hat. Minder bedeutend sind Fogolino, Robetta, Campagnola, A. da Brescia etc., originell Jacopo de' Barbari. Nach Fr. Francias, des Malers und Goldschmieds, Stichen bildete sich Marcantonio Raimondi (1488 bis etwa 1530), auf welchen jedoch Dürer den größten Einfluß übte. Er stach zumeist nach Raffaels Vorlagen und ist durch seine edle Behandlung und die Gediegenheit der Zeichnung ein Muster für die Folgezeit geworden. Erst durch ihn erhielt der Stich auch in Italien die technische Vollendung, die er in Deutschland längst besaß. Nach Marcanton bildeten sich zahlreiche Künstler: Agostino Veneziano, Marco da Ravenna, der Meister mit dem Würfel u. a., auch deutsche, französische und niederländische Künstler. Giorgio Ghisi aus Mantua (1520-82) ist als der bedeutendste Meister der Folgezeit zu erwähnen. Um 1567 begann in Italien die einflußreiche Thätigkeit des Niederländers C. Cort; auf dessen Schultern stehen alle folgenden Italiener, unter denen Agost. Carracci (1558-1601) durch die Energie seiner Behandlung und die Reinheit seiner Zeichnung hervorragt. Viel Nachfolge fand des Niederländers C. Bloemaert (1603 bis 1684) glatte Manier. P. S. Bartoli (1635-1700) und die Gebrüder Aquila lieferten zahlreiche Blätter. Im 17. Jahrh. nahm die Radierkunst, die schon Marcanton und Parmeggiano gepflegt hatten, das Hauptinteresse in Anspruch; Ann. Carracci, G. Reni, Ribera, S. Rosa, Castiglione haben sich in derselben ausgezeichnet; doch wurde die Behandlung bald zu flüchtig. Nach der Mitte des 18. Jahrh. hob sich der italienische Stich wieder, man bildete die Meister des Cinquecento mit Vorliebe nach. G. Volpato (1738 bis 1803) ist der Vorbote des neuen Aufschwungs; sein Schüler ist der berühmte R. Morghen (1758-1833), welcher sich durch malerische Weichheit, die freilich oft in Flauheit übergeht, auszeichnete. Schärfer, fester ist Giuseppe Longhi (1766-1831), welcher bestimmenden Einfluß ausübte. Seine Schüler sind. Anderloni, Garavaglia u. v. a. Nach P. Toschi (1788-1854), welcher namentlich Correggio meisterhaft stach, sank die italienische K. Zu nennen sind noch P. Mercurj und Calamatta. In den Niederlanden finden wir bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. gute Meister; Lucas van Leiden (1494 bis 1533) bildete sich nach Dürer. C. Cort ging nach Italien; die Sadeler, Goltzius (1558-1616) u. a. bilden schon den Übergang zu der kraftvollen, malerischen, von Rubens gegründeten Schule, in welcher P. Pontius, B. und Schelte van Bolswert, L. Vorsterman hervorragen, und zu den Holländern: P. Soutman, J. ^[Jonas] Suyderhoef, C. Visscher. Neben diesem Linienstich aber entwickelte sich nun auch die Radierkunst: in Belgien sind A. van Dyck, L. van Uden, Schut und Thulden hervorzuheben; für Holland wurde Rembrandt (1607-69) entscheidend, unter dessen Ein-^[folgende Seite]