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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Landwirtschaftliche Versuchsstationen; Landwirtschaftslehre; Landwirtschaftspolitik

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Landwirtschaftliche Versuchsstationen - Landwirtschaftspolitik.

landwirtschaftlichen Vereinswesen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika geschenkt, deren jeder durch eine State Agricultural Society vertreten ist.

Landwirtschaftliche Versuchsstationen, Anstalten, welche dazu bestimmt sind, auf die Landwirtschaft bezügliche Fragen wissenschaftlich zu bearbeiten, um durch die gewonnenen Resultate der Praxis zu nützen. Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen sind mit Grundstücken, Stallungen, Gewächshäusern, chemischen und physiologischen Laboratorien und Apparaten ausgestattet, und ihre Aufgaben betreffen hauptsächlich folgende Gebiete: tierphysiologische Versuche mittels der Stoffwechselgleichungen und des Respirationsapparats zur Förderung der Kenntnis vom Ernährungsprozeß; Fütterungsversuche mit vorwiegend ökonomischen Zielen und großen Reihen von Haustieren; pflanzenphysiologische Versuche in Gewächshäusern (Erziehung von Pflanzen in künstlichen Bodenmischungen und Salzlösungen, die sogen. Wasserkulturen); chemisches und physikalisches Studium des Bodens; Felddüngungsversuche und Agrikulturmeteorologie; landwirtschaftliche Technologie. Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen standen anfangs meist unter der Leitung von Chemikern; sie wurden ursprünglich auf Stöckhardts Anregung (die erste 1851 zu Möckern bei Leipzig) als "agrikulturchemische Versuchsstationen" gegründet, weil man damals alles Heil für die Landwirtschaft von der Chemie erwartete, und erst später fanden auch solche Aufgaben Berücksichtigung, welche nur oder vorwiegend mit Hilfe andrer Wissenschaften, namentlich Pflanzen- und Tierphysiologie, gelöst werden konnten. Vielfach sind die Leiter der landwirtschaftlichen Versuchsstationen als Vortragende in den landwirtschaftlichen Vereinen thätig, und in neuerer Zeit haben die Stationen auch die Kontrolle des Dünger-, Futtermittel- und Samenhandels übernommen. In Deutschland bestehen l. V. in Insterburg, Königsberg i. Pr. (2), Danzig (2), Dahme, Berlin (2), Regenwalde, Eldena, Posen, Breslau (2), Proskau (2), Halle (2), Arendsee, Kiel (3), Kappeln, Göttingen (3), Hildesheim, Bremervörde, Ebstorf, Münster, Marburg, Wiesbaden (besonders für Weinbau und Weinbehandlung), Geisenheim, Bonn, Poppelsdorf, Kempen, München (3), Augsburg, Weihenstephan, Baireuth, Würzburg, Speier, Triesdorf und Landshut; Möckern bei Leipzig und Dresden wirken hauptsächlich für Tierphysiologie, Pommritz in der Lausitz zugleich für Felddüngungsversuche, Tharandt speziell für Pflanzenphysiologie und Samenkunde, Leipzig für Agrikulturchemie, Döbeln für Physik und Chemie des Bodens und für Vegetationsversuche; Hohenheim (2), Karlsruhe (2), Darmstadt für Boden und Dünger, Braunschweig hauptsächlich für chemisch-technische Untersuchungen, Rostock, Jena (generell), Zwätzen, Eisfeld, Köthen für Zuckerrübenkultur und Fütterungsversuche, Bernburg für Zuckerrübenkultur, Rufach besonders für Önologie und Pflanzenphysiologie, Bremen für Moorkultur. Unter den analogen Anstalten in andern Ländern haben sich große Berühmtheit erworben die in Cirencester in England, Lobositz, Privatanstalt des Fürsten von Schwarzenberg, Klosterneuburg für Weinbau und Kellereiwirtschaft, Görz für Seidenbau, Grignon in Frankreich und die großartigen Versuchsfelder der Herren Lawes und Gilbert zu Rothamstatt in England. Vgl. Kühn und Nobbe, Entwickelung und Thätigkeit der land- und forstwirtschaftlichen Versuchsstationen (Festschrift, Berl. 1877), und die Zeitschrift "Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen" (das.).

Landwirtschaftslehre, s. Landwirtschaft.

Landwirtschaftspolitik, das Verhalten des Staats (der staatlichen Gesetzgebung und Verwaltung) zur Regelung, Pflege und Förderung der Landwirtschaft. Sie umfaßt die sogen. Agrarpolitik, d. h. die Maßregeln in Bezug auf den landwirtschaftlichen Boden und ländlichen Grundbesitz (s. Agrarpolitik), aber außerdem noch zahlreiche andre Maßregeln im Interesse der landwirtschaftlichen Produktion und der landwirtschaftlichen Bevölkerung. Wie die Wirtschaftspolitik überhaupt, so muß auch die L. eine vernünftige Realpolitik sein, d. h. sie muß den historisch gewordenen thatsächlichen Verhältnissen, den wirklichen Bedürfnissen, Interessen und Kräften entsprechen. Weil aber die Verhältnisse der Völker verschieden und wechselnd sind, und weil gleiche Maßregeln nicht bei allen Völkern die gleiche Wirkung haben, so kann auch die rationelle L. weder für alle Zeiten und Wirtschaftsstufen noch selbst für die heutigen auf der höchsten Wirtschaftsstufe stehenden Kulturvölker die gleiche sein. Die Frage der rationellen L. kann deshalb endgültig auch nur für den einzelnen Staat nach seinen gegebenen Verhältnissen entschieden werden. Aber wenn auch demgemäß für die heutigen Kulturstaaten die berechtigte und zweckmäßige Staatsintervention im einzelnen eine verschiedene ist, so gibt es doch gewisse allgemeine Grundsätze, die alle Kulturstaaten heute in ihrer L. befolgen, und gewisse Aufgaben, die alle erfüllen sollten, damit die privatwirtschaftliche Aufgabe der Landwirte (Erzielung des möglichst hohen Reinertrags durch guten Betrieb) und die volkswirtschaftlichen Aufgaben der Landwirtschaft (höchstmögliche nachhaltige Verwertung der landwirtschaftlichen Produktionskräfte, eine gute Verteilung des landwirtschaftlichen Grundeigentums und befriedigende wirtschaftliche wie soziale Lage der landwirtschaftlichen Bevölkerung) erreicht werden. Und dahin gehört vor allem, daß der Staat auf der Grundlage der Freiheit des Grundeigentums, der Arbeit, des Kapitals, des Betriebs und des Absatzes die Landwirte grundsätzlich auf ihre eigne Kraft hinweist und nur da eintritt, wo zur Erfüllung jener Aufgaben die eigne Kraft derselben erwiesenermaßen unzureichend, eine erfolgreiche Wirksamkeit des Staats jedoch möglich ist. Wenn es im allgemeinen richtig ist, daß der Staat in seiner Wirtschaftspolitik zu wenig, aber auch zu viel thun kann und das Zuviel vielleicht schädlicher als das Zuwenig ist, so gilt dies ganz besonders für die L., weil die landwirtschaftliche Bevölkerung in besonders hohem Grad geneigt und bestrebt ist, auch da, wo sie sich selber helfen könnte, die Hilfe des Staats zu erlangen. Aber auch bei Befolgung dieses Grundsatzes erwachsen dem Staate, der heute eine gesunde L. befolgen will, große, umfangreiche, unabweisbare Aufgaben. Über die Aufgaben speziell der Agrarpolitik s. Agrarpolitik. Weitere sind: die gesetzliche Regelung des landwirtschaftlichen Kreditwesens (s. Landwirtschaftlicher Kredit), des Pachtwesens (s. Landwirtschaftliche Unternehmungsformen), des landwirtschaftlichen Versicherungswesens (s. Feuerversicherung, Hagelversicherung, Viehversicherung), das Einschreiten bei allgemeinen Viehseuchen und Pflanzenkrankheiten (Rinderpest, Lungenseuche; Reblaus, Koloradokäfer etc.) und die Veterinärpolizei, die Intervention im Interesse der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter (s. Landwirtschaftliche Arbeiterfrage); ferner